Dienstag, 22. Januar 2013

"Ermpftschnuggn trødå! - hinterm Staunen kauert die Frappanz"

Comedia. Malmsheimer, die Dritte. 
Kurzbetrachtung: Kraftvoll und pampig, erregt und konstruktiv verwirrt. Klagelied bzw. Psalm an die Hose als solche sowie ans TV-Programm. Unerwartet politische Einschübe und Toleranzappell anhand eines Malmsheimer-Märchens über eine Sitzung der deutschen Sprache in Mannheim. Tagesordnungspunkt: Neuaufnahmen. Heftige Kontroversen wegen der Aufnahme von „chillen“ in den deutschen Wortschatz. „Flurwoche“ ist dagegen = zu fremdländisch. Flurwoche wird logisch ausmanövriert, „chillen“ kommt rein. „Flurwoche“ fliegt raus wegen erwiesener Spießigkeit, wird dann aber doch geduldet, nennt sich jedoch um in „Kehrwoche“. Damit ist der Ausruf „Hey, chill mal dein Leben!“ nun offiziell erlaubt in der deutschen Sprache. 
Letztes Mal war es zugegebenermaßen ein klein bisschen lahm bei Malmsheimer. Ich glaube, er war an jenem Abend etwas kränklich. Diesmal aber wird so derart volle Pulle gegangen, dass einem (mal wieder) angst und bange wird. Polterndes Sprachkabarett mit Volten bis zum Zwerchfellkollaps, schwer zu toppen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Donnerstag, 17. Januar 2013

RIP Nic Potter

Und der Nächste ist gegangen. Nic Potter starb mit 61 Jahren. 
Potter war einst Bassist bei Van der Graaf Generator und blieb Peter Hammill bei dessen Solo-Ambitionen bis Mitte der Neunziger ein regelmäßiger Begleiter. Er war ein ausgezeichneter Bassist, der jedoch nie in die Sphären der Weihevollen vordrang. Vermutlich wollte er das auch gar nicht. Man lausche etwa seinen Beiträgen auf den VdGG-Alben The Quiet Zone/The Pleasure Dome und Vital/Live, und man weiß, wie eine schwere, massive und blitzgescheite Bassgitarre gefälligst zu klingen hat. In der ersten Hälfte der Achtziger war Potter auch Stammbassist bei Hammills „K Group“ und begleitete den Rock-Eremiten auf dem Gang über verschrobene Pop-Pfade. 
Ab 1983 publizierte Potter eine Reihe von Solo-Alben, die allesamt eine ruhige, elektronische Atmo im Proto-Ambient-Modus verströmen. Das Debüt Mountain Music habe ich damals gerne zur Entspannung gehört. Fast schon ironisch: Der unlängst verstorbene Huw Lloyd-Langton steuerte auf dem Album die Lead-Gitarre bei. Das jazzrockige Seitenprojekt The Long Hello Vol. 2, das Potter 1982 mit VdGG-Drummer Guy Evans einspielte, hat mich vor allem auf den ersten Tracks stets zum frohgemuten jugendlichen Zucken gebracht, vor allem Potters minimalistisches Stück „Dolphins“ (Spotify hat es allen Erntes da).
Hier eingebettet mal „Night Falls Over Europe“ von 1983:

Donnerstag, 3. Januar 2013

Beyond Into the Day of Night

Jeff Ulmers Remake von Of the Sun and Moon. Neunzehn Jahre nach dem Original. Man könnte daher meinen, es sei ziemlich aus der Zeit gefallen, aber nichts da! Es ist jedem x-beliebigen Metallica-Output durchaus ebenbürtig, allerdings mit schätzungsweise 0,1 % des Metallica-Budgets. Es ist das Werk eines Garagen-Genies und Vorstadt-Virtuosen, der im Gegensatz zu den Großen der Branche nach wie vor in der Vorstadt wohnt und, so behaupten Gerüchte, zur Fertigstellung des Albums diverse Male sein Haus verkaufen musste. 
Die Band Othyrworld ist ein Studio-Duo. Neben Ulmer spielt nur Schlagwerker Ted Kawadzki. Der Maestro verändert wenig an den Songs von damals, hauptsächlich verpasst er ihnen ihre adäquate digitale Gestalt. Of the Sun and Moon klang damals ein bisschen, als sei es in einer Garage eingespielt worden. Was auch den Tatsachen entsprach. Beyond Into the Night of Day ist wuchtiger, präziser und grimmiger. Die Digitalisierung klärt und ordnet die Strukturen, separiert die Schichten voneinander und fügt sie dann wieder zusammen, wie ein Restaurator es tun würde. Und am Ende fühlt es sich an wie neu. Die Stücke sind keine endlos langen Progressive-Suiten, sondern durchweg kurz und knackig, aber sie sind extrem dicht und flirrend.
Ulmer tut mir einen persönlichen Gefallen und lässt die beiden Schwachpunkte des Originals weg. Der Song „Salem“ passte mit seinem Horror-Hexenjäger-Text damals nicht recht ins Space-Konzept des Albums und ist wegen seines extrem hohen Gesangs heutzutage nur noch schwer erträglich. Ebenfalls getilgt wurde die Kombi „The Enlightenment/Master of the Sun“ mit der etwas albernen Erzählstimme und den eher arithmetischen Speed-Metal- statt ästhetischen Melodic-Rock-Interessen. Härtere Metal-Fans als ich mögen das bedauern. 
Ersetzt werden diese Tracks durch eine berückende Instrumentalpassage („Odyssey of Light“) und drei SF-Metal-Stücke. Bei „Ethereal Skyline“ wird man Zeuge, wie der Melodic Rock neu erfunden wird: ein unglaublich intensives Stück Musik. Für das hypernervöse, massig proggige „The Alignment“ war es Mitte der Achtziger noch zu früh. Zudem verlängert Ulmer das Instrumental-Epos „Moon“ und zieht es auf zehn Minuten Länge, wobei er bereits zweieinhalb Minuten vor Schluss ganz sachte mit dem Ausblenden beginnt. Ganz ans Ende setzt er wieder die Eingangspassage „Aylthuthus“ und signalisiert damit den Konzeptalbumcharakter von Beyond Into the Night of Day
Vollendete Riffs, Gewitterstürme, transdimensionale Gitarrenschlachten, melodische Überraschungen, Jazz-Spritzer, Rhythmen wie Kavallerieangriffe, dunkler Weltenraum, grelle Planeten, pure Ästhetik, Ernsthaftigkeit und Versponnenheit: Nach diesem Album brauche ich nie wieder Heavy Metal zu kaufen. Es hat alles, was mich daran interessiert und noch interessieren könnte. 
Für alle ausgewiesenen Hypnotiker, Bewusstseinsschweber, Luftgitarristen und Leute mit großzügigem Zeitmanagement hier das Finale des Albums, „Moon“:

Dienstag, 1. Januar 2013

Null-Dreizehn

Silvester daheim. Gläschen Sekt und Merida auf Blu-ray. Feuerwerk dann im WDR angeschaut. Die Moderationstrulle hat rote Bäckchen und sagt dauernd „Wahnsinn!“, und die Kameras zeigen knutschende Pärchen vorm Dom, die vermutlich vorher aus der notleidenden freien Theaterszene gecastet und öffentlich-rechtlich bezahlt wurden. („Nicht mit Zunge, es schauen Kinder zu!“) Die Sicht ist gut, die Raketen knallen gegen die Domfassade, und es sieht aus wie im Kriegsfilm. Gut, dass es da die Pärchendarsteller gibt, sonst könnte ein falscher Eindruck entstehen. 
Im Prinzip bin ich für diese Knallerei, auch wenn ich mich traditionell nicht beteilige. Aber man stelle sich mal vor, keiner würde mehr knallen und Silvester wäre es still und es gäbe keine Moderationstrullen und knutschenden Pärchen unter Artilleriegeflacker vorm Dom. Wie trostlos. 
Der Pulverdampf ist inzwischen verflogen, wie das mit Pulverdampf nun mal so ist. Die Raketentrümmer und geplatzten Böller liegen kreuz und quer und pappen im Regen. Die erste Tat im neuen Jahr: Müll rausbringen. Die zweite Tat: erste Rechnung für Null-Dreizehn schreiben und beim Datum auf die neue Jahreszahl konzentrieren. Also im Prinzip alles wie gehabt.