Die Privatsender sind laut Rundfunkstaatsvertrag zur Ausstrahlung eines gewissen Kontingents an „Kultur“ verpflichtet. Von dieser Regelung profitiert seit einer Ewigkeit das von den Sendern ungeliebte Stiefkind Alexander Kluge mit Sendungen wieNews & Stories, in denen er einen Zeitgenossen zu einem – meist bizarren – Randthema interviewt. Man zappt ab und an mal am späteren Abend in diese Sendungen rein und bleibt – zumindest geht es mir so – oft genug hängen, einfach weil sie so diskurslastig, schmucklos und bizarr sind.
Gestern Abend interviewte Kluge den Verbindungsoffizier Oberstleutnant Sanftleben zu Gegenwart und Zukunft der Bundeswehr und der Kriegführung allgemein. Oberstleutnant Sanftleben ist eine Kunstfigur des Kabarettisten Georg Schramm (Neues aus der Anstalt), den die Feuilletons zum härtesten Kabarettisten Deutschlands erklärt haben. Hier sprach also ein (fingierter) Offizier so, wie er es wollte, aber in der Öffentlichkeit nur selten kann. Kein Blatt vorm Mund, politische Korrektheit ad acta gelegt und zugleich herrlich angestachelt von einem aufgedrehten Interviewer. Natürlich handelte es sich um Kabarett, aber es war doch mehr. Schramms Oberstleutnant ist nicht nur einer der bestgelaunten und rabiatesten Zyniker der Weltgeschichte, er ist auch blitzgescheit und enorm gut informiert. Für den Zuschauer entsteht ein Problem: Man muss dauernd schallend lachen, aber das Lachen droht all die Background-Infos zu übertönen, die Schramm gleich mit einflechtet. Wenn man also das Lachen krampfhaft unterdrückt und sich in die Lage versetzt, tatsächlich zuzuhören, klappt einem ständig die Kinnlade runter, so zynisch geht Schramm mit Politik und Militär um, so völlig desillusioniert zeichnet er die Lage, so aggressiv ist er. Aber alles streng in der Rolle und stets mit einem entwaffnenden Keckern. Man kommt sich wirklich vor wie das hedonistische Klein-Döfchen, das dem allgewaltigen, die Menschheitsgeschichte steuernden militärisch-industriellen Komplex, den uns Oberstleutnant Sanftleben auf seine gutgelaunte Art da skizziert, völlig naiv gegenübersteht. „Das Weichziel ist der Mensch“, der Zynismus ist nicht zu überbieten.
Schramms Kunstfigur ist extrem stimmig und kaum überzeichnet. Die kurzen Schnipsel, die er in den populären Kabarett-Sendungen loswerden kann, sind nichts im Vergleich zu so einem dreiviertelstündigen, forcierten Dialog. So wunderbar brutal und scharfsinnig kann das Nachtprogramm sein.