Mittwoch, 18. März 2009

Aussterben

Im ZDF lief eine Doku über die Machtergreifung, aber das ist natürlich ziemlich langweilig im Vergleich zu dem echten Anschauungsmaterial, das PRO7, der Sender für sozialdarwinistische Hedonisten, hedonistische Sozialdarwinisten und reflektionsunwillige, aber paarungsbereite Tattoo-Häute, zur gleichen Zeit lieferte.
Schon der Titel Wipeout erinnert erfreulich an sozialevolutionär bedingtes Aussterben, womöglich gar an Auslöschung. Zwei Dutzend sogenannte Kandidaten werden über diverse Parcours aus Gummihindernissen gejagt und fallen regelmäßig und in schönster Zeitlupe ins Wasserbecken. Dabei erfolgt eine Auslese, der Überlebende bekommt 10.000 €. Die Kandidaten werden bestenfalls rudimentär vorgestellt, der Zuschauer bekommt kaum Backgroundmaterial. So, als seien sie ohnehin schon alle ausgestorben oder zumindest dafür vorgesehen. Und ja, diese Idee scheint schlüssig, denn zu Anfang gibt es kurze Interviews mit zweien der Mitspieler. Der eine hat „Ficky Ficky 5€“ auf seinem T-Shirt stehen und einen lustigen Hut auf, der andere darf sogar sprechen, sein Gehirn scheint jedoch noch nicht groß genug zu sein, außerdem hindert ihn ein Kehlsack statt Stimmbänder an der Erzeugung relevanter Artikulationslaute. Da wird einem unheimlich zumute, und man zweifelt an der Evolution. Schönheiten wie der Brontosaurier und das Mammut mussten abtreten, aber diese beiden Geschöpfe erfreuen sich offenbar bester Gesundheit. Wie gut, dass PRO7 nun mit der Auslese beginnt. Den einen Kandidaten mit Migrationshintergrund, dessen Name die beiden Kommentatoren nicht aussprechen können, nennen sie einfach „Willi“. Auch eine Form der Assimilation. Das hilft Willi jedoch herzlich wenig, wenn seine Mitspieler mit zusammengebissenen Zähnen und Verachtung für alles und jeden über die Parcours hechten und die Konkurrenz mit Flüchen und bösen Wünschen traktieren. Wenn sie dürften, würden sie sich an die Gurgel gehen. Das ist wahrscheinlich der zweiten Staffel vorbehalten: Wipeout - Jetzt aber richtig! Die endgültige Nutzbarmachung des alten „Spiel ohne Grenzen“-Gedankens als Trainingsmodell für die gesellschaftliche Wirklichkeit. Treten, fluchen, Zähne zusammenbeißen.
Die beiden Kommentatoren, denen der Sender Texte voller Spontaneität hat schreiben lassen, betrachten das Zappeln der Freak-Geschöpfe mit der notwendigen Verachtung und Schadenfreude, ehe sie höhnisch dem Sieger im survival of the most deranged applaudieren, einem drahtigen Höhlenmenschen, der sogar nach der Erfolgsmeldung noch die Zähne zusammenbeißt. Der Zuschauer wünscht sich indes, dass möglichst schnell ein Meteor von der Größe von Texas auf diese Spielstätte fällt und Sieger, Unterlegene und Kommentatoren gleichermaßen auslöscht.

1 Kommentar:

  1. Das hatte was von der Verfilmung des Darwin Awards. (Ich schau in solche Sendungen immer in der Hoffnung rein, dass "Spiel ohne Grenzen" doch mal wiederaufersteht, naiv und gutgläubig, wie ich bin. Endemol. Was erwarte ich da?????)

    P.S. Blogger erwartet, dass ich das Wort "agmetti" als captcha eingebe. Schönes Wort. Baue ich gleich in mein neues Manuskript ein. Giovanni Agmetti, Conte di Blogga. ;-)

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