Samstag, 28. Mai 2011

Metz

Obwohl es nur 100 Kilometer von der alten Heimat entfernt liegt, war ich nie zuvor in Metz. Beschämend, klar. Ich hatte das vage Vorurteil einer wegen der notorischen Grenzlage und wechselnder Oberhoheiten irgendwie unentschlossenen Stadt. Ein schnarchiges Provinznest am Rand von allem, das sich zwischen französischer und deutscher Vergangenheit nicht so recht entscheiden kann. Fehleinschätzung. Metz ist trotz sehr übersichtlicher Fahrtzeit komplett Ausland. France totalement. Der leicht abblätternde, rustikale Charme verwinkelter französischer Altstädte. Eng, hoch, schattig und dann plötzlich total breit und offen. Plätschernde Brunnen überall. Große, rätselhafte Bauwerke, wie ein Mix aus Zitadelle und absolutistischem Knast. Vermutlich irgendwas von Vauban. Tauchen die Gässchen drumrum ganztägig in absolutistischen Schatten. Bloßliegende Strom- und Telefonanschlüsse über den Hauseingängen, kaum wärmedämmende Fenster. Dafür überall Blumen. Herumschlurfende französische Rentner mit Baguette, Mops und farblich unsinnigen Regenmänteln. Patisserien mit bunt-klebrigen süßen Kunstwerken in winzigen Puppenstuben-Schaufenstern. Dauernd was zu gucken. Ziemlich lebhaft, zumindest freitags. Kein Auto ohne Beule. Beeindruckende Kathedrale mit mystischen Lichtverhältnissen und Chagall-Fenstern. Beste Stelle: Place Saint-Luis, 13e - 15e siècles. Hochgebautes, langgestrecktes Mittelalter mit vorspringenden Arkaden und klitzekleinen Ladengeschäften. Kültür pür. Mitten drauf das charmanteste Karussell der Welt mit Jules-Verne-Thematik; die Gattin war begeistert und hat sofort die Nautilus fotografiert. Unser Hauptziel war aber eigentlich die brandneue Filiale des Centre Pompidou. Architektonisches Meisterwerk des Japaners Shigeru Ban, hat aus bestimmten Perspektiven allerdings den Charakter von drei überdimensionierten Schuhschachteln mit Champignon-Hut obendrauf. Innendrin Spiel mit Materialien und jede Menge offene Ausblicke in Richtung Dacharchitektur. Très hübsch. Fundamental: Galerie 2 sowie der große, leere Spiegelsaal in Galerie 3, an dessen Ende man auf das Stadtpanorama blickt. (Die Tiefgarage könnte auffälliger ausgeschildert sein, wenn es um die Schonung meiner Autofahrerpsyche geht. Merke: Nicht nach Wegweisern und Navi-Gerät gleichzeitig richten.) Sattgeguckt nach Hause gefahren und nächtens geschlafen wie ein Stein.

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