Diese LCD-Quarzuhren kamen in den 70ern als billige nipponesische Massenware auf und dominierten eine Zeitlang regelrecht die Handgelenke. Mikrochips, zahlreiche Funktionen, drei bis vier Knöpfe und Ereignisreichtum auf dem Display, Piepsterror zur halben und vollen Stunde. Begleiter des Taschenrechners (wir erinnern uns an die grotesken Hybridformen, die Chimären aus Uhr und Taschenrechner) und Vorläufer des PCs. Sie waren besonders beliebt bei technikaffinen Jüngelchen und strahlten den Sex Appeal von Robbi aus dem „Fliewatüüt“ aus. Damit waren sie einer der Geburtshelfer der Spezies Nerd und richteten dabei die schnöselige Schweizer Uhrenindustrie beinahe zugrunde. Was ihnen – damals – sogar einen kleinen sozialdemokratischen Charakter verlieh.
Als ästhetisch desorientiertes, finanziell nicht allzu üppig ausgestattetes Würstchen der späten Siebziger und frühen Achtziger trug auch ich einige Jahre lang die Produktpalette von Casio & Co. auf. Wir waren jung, Teil unserer Epoche und wollten mitpiepsen. Kein Anlass für Entschuldigungen. Die Epoche war ästhetisch von Grund auf verdorben, heute weiß man das, damals eben noch nicht. Michael Knight trug so eine Uhr, um mit K.I.T.T. zu kommunizieren, und sogar James Bond ließ sich auf ihr Memos ausdrucken, verschoss Laserstrahlen und benutzte sie als Explosionszünder. Die Dinger konnten scheinbar alles – nur nicht gut aussehen.
Die LCDs gehörten seitdem stets zur Produktpalette der Hersteller – als Billigsegment –, allerdings verschwanden sie glücklicherweise für lange Jahre von den Handgelenken der Menschen. Mit dem via Internet ausgerufenen Siegeszug der Nerds jedoch tauchten sie wieder im Straßenbild auf. Alt-Nerds hatten sie nie abgelegt; die sah man allerdings eher selten auf der Straße, denn sie saßen ja den ganzen Tag in ihren dunklen Kellern und ließen sich von PC-Monitoren beflackern. Neu-Nerds und andere Kellerkinder entdeckten sie freudig als scheußliche Objekte einer ästhetisch fragwürdigen Tradition. Dann kam der ganze WLAN-Quatsch, und die Nerds wurden in die Lage versetzt, ihre subterranen Domizile zu verlassen und mit mobilen Internet-Apparaten an Straßenecken herumzulungern. Ganz schlimm wurde es, als die Berliner Hipster mitbekamen, dass jene Typen, die von ihren Eltern früher freudig gemobbt wurden, nun hip geworden waren, sich gar trendy als „Piraten“ gerierten und sich um die urbanen Hotspots sammelten wie Motten ums Licht. Das war der neue heiße Scheiß. Die Hipster, obwohl eigentlich von Natur aus keine Nerds, sondern bloße Gefäße, kopierten einfach die Ausstattung und schnallten sich die Billig-LCDs als Modestatement an den Arm. Und das Grauen kehrte zurück in deutsche Städte.