Donnerstag, 4. Februar 2010

Extremities, Dirt And Various Repressed Emotions


Dieses Album kam 1990 ziemlich überraschend. Die Band galt nämlich als tot. Ab 1985 konnte man verfolgen, wie sie sich aus ihren raubeinigen, experimentellen Anfängen schrittweise in eine philosophische Pop-Band verwandelte, die die Indie-Discos bediente. Live nach wie vor robust, waren die Tonträger jedoch geprägt von einem stärkeren Interesse an Pop-Ästhetik, Keyboardteppichen und Geschmeidigkeit.

Extremities, Dirt And Various Repressed Emotions erschien nach zweijähriger Pause als Doppelalbum, und sowohl der Titel wie auch das bedrohliche Cover mit den aufgerissenen Augen sollten einem Warnung genug sein. Was hier geschieht, ist eine absolut konsequente Neuorientierung auf der Basis des bislang Geleisteten. Es kommt zu einer Modernisierung des ruppigen frühen Stils, verschmolzen allerdings mit den Erkenntnissen, die die poppigen Mitt- und Spätachtziger geliefert hatten. Es gibt Schönheit und Elysium, Verschnaufareale und Keyboardschwemme, und es gibt nach vorne geprügelte Kampfansagen, Punk, Zorn, explizit gemachten Hass und den obligatorischen verächtlichen Hustenanfall. Es geht dunkel und resignativ zu, kein freundlicher Einstieg in die Neunziger. Auf Promo-Fotos posierte die Band schreiend und eingewickelt in Klarsichtfolie. „Age of Greed“ geht heute noch genau so durch wie damals, „Inside The Termite Mound“ darf ohnehin als ewig gültige Metapher betrachtet werden, während in „Slipstream“ die mystische Kraft von Kindheit und Erinnerung beschworen wird, ein erstes Lebensfazit, auf das man sich in wirren Zeiten stets verlassen kann. Das ganze Album ist eine ebenso persönliche wie politische Gegenwartsanalyse, eine Abrechnung zudem mit den 80ern, dem Yuppietum, aber auch dem Verrat an Idealen – womöglich sogar angespornt von Selbstkritik. „Stimmt, wir waren zu poppig und zu kommerziell“, scheint das Album den reaktivierten Fans mitzuteilen, „aber nicht alles, was ihr damals nicht gemocht habt, war schlecht. Hört euch doch mal dieses Fazit an.“ Das haben wir gerne getan, und heute zeigt sich, dass Extremities … von zeitlosem Wert ist. Nach diesem Kraftakt stellte sich die Band allerdings wieder für vier Jahre tot.