Diese Oma hatte es in sich. Sie war etwas harthörig und verstand nicht sofort jedes Wort, wirkte durchweg schwächlich, wie sie sich da auf ihren Stock stützte, bewegte sich leicht zitternd in Zeitlupe – aber sie hatte es dennoch ganz allein geschafft, den Mülltonnenverschlag ihres Mietshauses zu demolieren. „Sind Sie geschickt?“, fragte sie mich, als ich nichtsahnend vorbeischlenderte. Ich verstand zuerst „Sind Sie geschickt worden?“ und wollte schon sagen: Nee, ich komme freiwillig hier vorbei und habe mit der CIA nichts am Hut. Dann kapierte ich erst, dass es um Geschicklichkeit ging. Von den zwei linken Händen sagte ich vorerst mal nichts und besah mir das Problem. Ein Mülltonnen-Port aus Betonkies-Platten mit einer dreiflügeligen metallenen Tür an der Front, und Oma hatte beim Müllwegbringen den mittleren Flügel aus der Dreh-Verankerung gerissen, so dass zwei ziemlich schwere Teile - die Tür an sich sowie die Drehgelenkstange - nach vorne gefallen und auf den Boden gescheppert waren. Wie die Oma es geschafft hatte, den Dingern aus dem Weg zu springen und jetzt nicht unter ihnen zu liegen, entzog sich meiner Vorstellungskraft. Die Sache erwies sich als recht tückisch, weil Tür und Drehgelenk der mittleren Tür erst auf logisch kohärente Weise neu ineinander gesteckt und dann in toto an den beiden metallenen Noppen oben und unten im Inneren befestigt werden mussten, um wieder ordnungsgemäß geöffnet werden zu können. Und die beiden zusammenzusteckenden Teile waren jedes für sich recht schwer, was dann beim Einpassen in die herausstehenden Noppen sowohl die von der Oma angefragte Geschicklichkeit wie auch einiges an Kraft verlangte. Millimeterarbeit. Also frisch ans Werk, Oberkörper freigemacht, mit der zufällig mitgeführten Body Lotion eingerieben und dann mit der Grazilität des gelernten Schiffskesselheizers Stahl stemmen. Allerhand Keuchen während der Penetration der Noppen in die hohle Drehgelenkstange, Schweiß auf gerunzelter Stirn, peinsam eingeklemmte Finger, lautstarker Dialog mit dem Material sowie Selbstgespräche mit dem eigenen Frustrationszentrum, von der Oma abwechselnd mit „Wie bitte?“ und „Ojeoje“ kommentiert, neuer Anlauf, zwischenzeitlich die Ambition, aufzugeben und einen Hausmeisterdienst vorzuschlagen – und dann schließlich doch, mit einem Seufzen, einem unterdrückten Stöhnen und einem metallischen Klacken, der Erfolg. Sitzt-wackelt-und-hat-Luft.
Die Sonne brach durch das Astwerk, badete die Oma und meinen schweißglänzend geschundenen Körper in sanftorangefarbenes Licht und schuf Gloreolen um unsere Häupter. Über uns tirillierte ein Vogel. Die äußerst dankbare Oma wollte mich gar nicht wieder weg lassen und mich unbedingt mit irgendwas belohnen, aber ich murmelte nur lächelnd etwas von „Guthaben auf dem karmischen Konto“, warf mir das Hemd über und wankte von dannen.