Mittwoch, 8. September 2010

Abenteuer in Tröa

Das ist ganz schön heavy, so nach tagelanger kompletter Isolation das Lebkuchenhäuschen und den dunklen Tann zu verlassen, um in die große, große Stadt mit ihren vielen, vielen Menschen zu rollen. Ich war da, wenn ich's recht bedenke, schon fast ein Jahr nicht mehr.
Die neue Finanzberaterin war der Auffassung, man müsse sich mal kennenlernen und ein bisschen Kohle von hier nach da schieben. Die neue Finanzberaterin ist jung, hübsch, kommunikativ, gründlich, verschenkt Schirme und edle Feuerzeuge und steht um fünf Uhr morgens auf, um sich Rammstein-Tickets zu sichern. Ich meinte höflich, Rammstein sei mir zu deutsch, und konterte mit Killing Joke. Ich bin gerne in der Tröarer Filiale der Hausbank geblieben. Man kennt sich, die Leute sind nicht so glatt, sondern beraten ausführlich, man spricht ungefähr die gleiche Sprache. Die alte Finanzberaterin etwa ist in Frührente gegangen, weil sie eine kranke Mutter zu pflegen hat. So sind die Banker in Tröa. De facto ist mit der Kohle nicht viel geschehen, dennoch dauerte das Gespräch gute anderthalb Stunden und zog sich bis nach Öffnungszeit. Eben weil die neue Finanzberaterin so kommunikativ und gründlich ist - und weil der Computer des Öfteren mal, wasndasjetz?, streikte.
Es gibt jedoch auch einen Schock aus Tröa zu vermelden: Brauns Fischrestaurant hat zu! Das ganze Gebäude ist eingerüstet und mit einer Barriere versehen. Neben mir standen auch noch einige Einheimische fassungslos davor und taten das, was Leute in dieser Stadt am liebsten tun: vor Bauzäunen stehen und fragen: "Und was wird hier gebaut?" Keine Ahnung, ob Brauns Fischrestaurant nach dem Umbau zurückkehrt oder da bald ein Scheißschuhladen oder ein Scheißbiosaftladen drin ist.
Ich wich also aus zum Drei-Finger-Joe und seinen weltbekannten Frikadellen. Dort traf ich meinen Onkel Erich, Lagerist bei der weltberühmten Sektkellerei, der gerade Mittagspause hatte und eine weltberühmte Frikadelle aß. Wir sprachen kurz übers Wetter. Dann ging ich noch zum größten Spielzeugladen der Stadt, kaufte fürs neue Hobby Kleber und Farben und entdeckte zu meinem Vergnügen einen älteren, etwas ramponierten und offenbar völlig vergessenen Karton mit einem britischen Jaguar-Jet. Die hübsche BAC Lightning von Revell nahm ich auch noch mit. Im Laden tobten ein paar kleine Türkenkinder rum, und ihre Kopftuch-Oma wusste sie nicht recht zu bändigen. Der Verkäufer verwickelte mich in eine Diskussion über Integration. Ich nickte und brummte irgendwas, sagte aber nicht, dass ich das "Integrationsproblem" in Tröa wohl nicht für so irre virulent halte. Das hätte den Mann nur zu weiteren Äußerungen animiert, wir kennen das ja. Da kann man mal sehen, was so ein bisschen landesweite Diskussion selbst bei Tröarer Spielzeuggeschäftverkäufern anrichtet. Mehr Spielzeug verkaufen, bitte, weniger "Anne Will" gucken.
Ich saß dann noch ein Weilchen am Kornmarkt und betrachtete die Flaneure. Es lief aber niemand vorbei, den ich kannte. Ich sah bloß die Frau-die-nickt und den Mann-der-aussieht-wie-dieser-eine-Schauspieler. Obwohl ich die Parkzeit um eine Dreiviertelstunde überzogen hatte, gab es kein Knöllchen. Ich liebe Tröa.

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