Jeff Ulmers Remake von Of the Sun and Moon. Neunzehn Jahre nach dem Original. Man könnte daher meinen, es sei ziemlich aus der Zeit gefallen, aber nichts da! Es ist jedem x-beliebigen Metallica-Output durchaus ebenbürtig, allerdings mit schätzungsweise 0,1 % des Metallica-Budgets. Es ist das Werk eines Garagen-Genies und Vorstadt-Virtuosen, der im Gegensatz zu den Großen der Branche nach wie vor in der Vorstadt wohnt und, so behaupten Gerüchte, zur Fertigstellung des Albums diverse Male sein Haus verkaufen musste.
Die Band Othyrworld ist ein Studio-Duo. Neben Ulmer spielt nur Schlagwerker Ted Kawadzki. Der Maestro verändert wenig an den Songs von damals, hauptsächlich verpasst er ihnen ihre adäquate digitale Gestalt. Of the Sun and Moon klang damals ein bisschen, als sei es in einer Garage eingespielt worden. Was auch den Tatsachen entsprach. Beyond Into the Night of Day ist wuchtiger, präziser und grimmiger. Die Digitalisierung klärt und ordnet die Strukturen, separiert die Schichten voneinander und fügt sie dann wieder zusammen, wie ein Restaurator es tun würde. Und am Ende fühlt es sich an wie neu. Die Stücke sind keine endlos langen Progressive-Suiten, sondern durchweg kurz und knackig, aber sie sind extrem dicht und flirrend.
Ulmer tut mir einen persönlichen Gefallen und lässt die beiden Schwachpunkte des Originals weg. Der Song „Salem“ passte mit seinem Horror-Hexenjäger-Text damals nicht recht ins Space-Konzept des Albums und ist wegen seines extrem hohen Gesangs heutzutage nur noch schwer erträglich. Ebenfalls getilgt wurde die Kombi „The Enlightenment/Master of the Sun“ mit der etwas albernen Erzählstimme und den eher arithmetischen Speed-Metal- statt ästhetischen Melodic-Rock-Interessen. Härtere Metal-Fans als ich mögen das bedauern.
Ersetzt werden diese Tracks durch eine berückende Instrumentalpassage („Odyssey of Light“) und drei SF-Metal-Stücke. Bei „Ethereal Skyline“ wird man Zeuge, wie der Melodic Rock neu erfunden wird: ein unglaublich intensives Stück Musik. Für das hypernervöse, massig proggige „The Alignment“ war es Mitte der Achtziger noch zu früh. Zudem verlängert Ulmer das Instrumental-Epos „Moon“ und zieht es auf zehn Minuten Länge, wobei er bereits zweieinhalb Minuten vor Schluss ganz sachte mit dem Ausblenden beginnt. Ganz ans Ende setzt er wieder die Eingangspassage „Aylthuthus“ und signalisiert damit den Konzeptalbumcharakter von Beyond Into the Night of Day.
Vollendete Riffs, Gewitterstürme, transdimensionale Gitarrenschlachten, melodische Überraschungen, Jazz-Spritzer, Rhythmen wie Kavallerieangriffe, dunkler Weltenraum, grelle Planeten, pure Ästhetik, Ernsthaftigkeit und Versponnenheit: Nach diesem Album brauche ich nie wieder Heavy Metal zu kaufen. Es hat alles, was mich daran interessiert und noch interessieren könnte.
Für alle ausgewiesenen Hypnotiker, Bewusstseinsschweber, Luftgitarristen und Leute mit großzügigem Zeitmanagement hier das Finale des Albums, „Moon“: