Samstag, 11. April 2009

Psych-Gottheit

The Bevis Frond ist eigentlich das Ein-Mann-Projekt von Nick Saloman aus London, der nicht wenige seiner Platten seit 1987 ganz allein im heimischen Wohnzimmer aufgenommen hat, mit einer Lo-fi-Philosophie, die sich gegen jeden Perfektionismus stemmt und störrisch auf handgemacht beharrt. Man muss ihn mögen. Des Öfteren zitiert Saloman allerdings befreundete Musiker zu sich und spielte Platten im Band-Kontext ein. Live gilt das natürlich auch. Zwei seiner beständigen Weggefährten sind Ex-Hawkwind-Bassist Adrian Shaw und Ex-Camel-Drummer Andy Ward. In Deutschland ist The Bevis Frond stets ein Geheimtipp geblieben, obwohl sich nach einem umjubelten Rockpalast-Auftritt 2004 daran mal ein bisschen was änderte. Aber der Rockpalast ist heute auch nicht mehr ganz das, was er damals war: der Straßenfeger einer ganzen Generation. So dümpelt Saloman also weiter kontinuierlich unter dem Radar hindurch, und in jüngster Zeit ist es ohnehin still geworden um ihn.
Er macht es einem mit seiner langen Diskographie auf dem eigenen Woronzow-Label auch nicht unbedingt leicht. Manch eines der allein eingespielten Alben unterliegt klar in einem Vergleich mit den Band-Platten und kann auch schon mal Langeweile erzeugen, und die schiere Masse von Salomans Material erschlägt einen förmlich. Seine Platten erreichen fast alle an die 80 Minuten Laufzeit.
Aber man muss verdammt lange suchen, bis man jemanden findet, der so inflationär dichte, entzückende, rauschhafte Rockmusik ausgestoßen hat. Ein freundlicher, voluminöser Rock-Zausel von echtem Schrot und Korn, zärtlich-kauzig und hammerhart rockend, eine poetische, melancholische Seele mit Hang zur ein oder anderen Absurdität. Man muss ihn mögen. Er findet sein Publikum in Vintage-Rock-Kreisen, Sixties- und Seventies-Enthusiasten, aber die Fans holen sich bei ihm auch gern ihre Punkrock-Injektion ab, denn Saloman saugt alles Mögliche auf und unterwirft es seinem eigenen, schnell zirkulierenden Stoffwechsel. Sein monumentales Gitarrenspiel ist purer Rausch, oszilliert irgendwo zwischen Hendrix und Byrds, zwischen Wipers und Mould und legt Schicht auf Schicht, Girlande um Girlande, seine Kompositionen wechseln beständig die Spur zwischen herzzerreißendem Brit-Folk, Hardrock, Bluesrock, Post-Punk, Britpop, Grunge, ausufernden Psychedelia-Jams, Wah-Wah-Wahnsinn, Lärm und experimentellen Psych-Sounds. Eine wimmernde Sphären-Orgel, Piano-Spritzer, Geige, Sitar, Saxophon oder Trompete setzen hin und wieder Gast-Akzente, die zurückhaltende, immer ein bisschen traurige Stimme lässt einen die Welt poetisch aus den Zwischenräumen heraus wahrnehmen, seine Texte sind Reflexionen des Großen im Kleinen und haben nicht selten etwas mit Londoner Befindlichkeiten zu tun. Man. Muss. Ihn. Mögen.
Fans favorisieren die Band-Alben New River Head und Valedictory Songs, ich stieß 1992 zuerst auf London Stone, bin jedoch auch ein erklärter Freund der Alben Any Gas Faster und Sprawl, aber es ist bei The Bevis Frond vielleicht weniger die Platte als geschlossene Einheit, sondern die Qualität der vielen herausragenden Songs auf ihr, die für Beglückung sorgt.

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