Mittwoch, 23. Februar 2011

"Liebe"

So heißt das (dreistündige) Programm von Hagen Rether. Es heißt immer so und wird von Zeit zu Zeit aktualisiert. Gestern in der Comedia.
Hagen Rether vermittelt dem Publikum das, was es im Prinzip ohnehin schon weiß. Aber es ist natürlich völlig legitim, nach Bestätigung für den selbstempfundenen Missmut angesichts von Politik, Ökonomie, Establishment, Religion, Globalisierung und Meinungsverdrehtheiten der eigenen bürgerlichen Kaste zu suchen, dafür Geld zu bezahlen, sich freiwillig den Hintern breit zu sitzen und ab und an auch mal gähnen zu dürfen. Rether bekundet ja zu Anfang selbst, wie müde er doch sei. Und richtig wach wird er eigentlich erst am Schluss, aber das ist ein bisschen spät.
Rethers Form ist bekanntlich die eines flügelbegleiteten Monologs, um nicht zu sagen: Bewusstseinsstroms, infolge dessen er vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt. Mir persönlich ist das jenseits der einzelnen überraschenden Volte zu einleuchtend. Und um ein Drittel zu lang. Da ist mir zu viel Westerwelle drin, zu viel Islam, zu viel Attac, zu viel linker Bohemien, zu viel Fleischkonsumkritik und Schulsystemkritik und zu viel Weltverbesserei, die sich hinter dem Zynismus mehr schlecht als recht verbirgt und ihn zu offensichtlichem Scheinzynismus macht.
Andererseits: Will man wirklich überrascht tun angesichts von linksveganem Weltverbesserer-Kabarett? Überrascht nicht, nein, wohl aber enttäuscht von der Absehbarkeit und phasenweisen Plattheit desselben. Zumal es auch keine nennenswerten künstlerischen Brechungen gibt, keine Groteske, kein erkennbares Rollenverhalten, keine polyphonischen Tendenzen, kein Theater. Die einzige formale Auflockerung besteht aus spät einsetzenden Flügelarabesken zum Monolog und daraus, dass der Herr Künstler um sein Instrument schleicht und es abwienert.
Es ist monologisierendes, beifallsheischendes Oberlehrer-Kabarett, missionarischer Sermon, ideologisches Antatschen. Und die Behauptung, komplexe Weltmodelle den simplifizierenden vorzuziehen, bleibt eine solche. Das hier ist Schwarzweiß. Richtig unangenehm wird es dann, wenn der Herr Bühnenaktivist uns erst lang und breit verklickert, wir sollten endlich unsere Vorurteile beiseite legen, Ideologien und Propaganda durchschauen – und dann selbst mit Grobheiten und in strammlinken Milieus antrainierten Halbwahrheitsreflexen nur so um sich schmeißt.
Viele sagen, Hagen Rether bringe einen zum Nachdenken. Nach diesem Abend gelange ich zu der Auffassung, dass das Gegenteil der Fall ist: Nur nicht zu lange drüber nachdenken. Dann hallen womöglich die klugen, universellen Bemerkungen nach und der halbgare Rest gerät in Vergessenheit.