Das „Stellar Variations Project“ war seit dem Frühsommer in Habicht-Kreisen angekündigt, aber es blieb vorerst unklar, um was genau es sich dabei handelt. Dann kam die Aufklärung: Im letzten Winter waren die drei nahe beieinander wohnenden Bandmitglieder Brock, Chadwick und Hone eingeschneit, drehten Däumchen, flochten sich womöglich Strähnen ins graumelierte Haupthaar oder ritzten ihre Initialen in Tischplatten. Als das langweilig wurde, verlegten sie ihre Tätigkeiten in Brocks gut beheiztes Earth Studio, einem ehemaligen Kuhstall, um ein bisschen mit neuen Ideen herumzuspielen. Die beiden anderen Mitglieder Dibs und Blake wohnten zu weit weg, um durch die Schneemassen zu diesem improvisierten Treffen hinzustoßen zu können.
Solche relevanten Seitenprojekte und Baustellenalben, die früher oder später in der offiziellen Diskographie landen, haben Tradition seit 1977. Sonic Assassins, Hawklords, das Church of Hawkwind-Album von 1982 und in den 90ern die Psychedelic Warriors mit ihrem Techno-Output. Nun also Stellar Variations vom sogenannten Hawkwind Light Orchestra.
Es soll ein Seitenprojekt sein, und so hört es sich auch durchaus an. Eine offizielle Platte wäre vermutlich geschlossener, nicht so offen, nicht so montiert. Electro-Power-Rock-Jazz mit perkussiver Größe, schwerem, flexiblem Bass, zurückhaltend gemischtem Gitarren-Geriffe, einer irrsinnigen Fülle an Effekten und Geräuschen und Spoken-Word-Proklamationen: Stellar Variations braucht ein paar Durchgänge in unterschiedlicher Lautstärke, ehe man es durchsteigt.
Mit dem Opener „Stellar Perspective“ deutet sich erstmal eines der üblichen Jam-Massaker an, denn da kommt ein Crossover angerummst, dem sogar verzerrter Metal-Rap zugefügt wird. Es bleibt minutenlang sehr druckvoll, ehe es nach hinten raus in überraschend jazzige Texturen ausfasert. Die Hawks hatten immer einen Sinn für den Opener, und das hier ist einer, jawohl.
Jazzig geht es weiter im einschmeichelnden, daherschwebenden „All Our Dreams“, das sich nach kurzer Zeit in eine Collage aus scharf gegeneinander abgegrenzten Synthie-, Sequencer- und Sample-Passagen verwandelt. Der Powerrock von „It’s All Lies“ erweist sich songwriterisch als recht banal, wohingegen „Variation 3“ wieder diesen unberechenbaren Space-Jazz auffährt und die Umwelt-Hymne „Four Legs Good Two Legs Bad“ hauptsächlich lustig gerät. Das epische „In the Footsteps of the Great One“ nutzt die Elric-von-Melniboné-Lyrik aus den Mittachtzigern, um eine rauschhafte Spoken-Word-Fantasy-Erzählung mit starkem Ethno-Anteil und angerissenen Choralgesängen zu erzeugen. „A Song for a New Age“ ist tatsächlich ein ausgearbeiteter Song – geschmackvoller Melodic Rock mit Drummer Richard Chadwick als Sänger –, genauso wie das treibende, schier überbordende „Instant Predictions“. Neben dem Opener erweisen sich jedoch „We Serve Mankind“ und „Cities of Rust“ als Höhepunkt des Albums: Sie haben den dunklen Hawks-Jam-Drive und diese typischen, immer wieder verblüffenden Brüche zwischen Härte und Weichheit. Glimmende Juwelen eines hochmodernen Spacerock.
Stellar Variations ist der geschmackvolle musikalische Bericht über eine Entdeckungsreise hinter die Gasnebel. Stilistisch ein bisschen holprig und brüchig vielleicht, aber das ist kein Wunder bei dem, was es da alles zu entdecken gibt.
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