Sonntag, 28. Juli 2013

Kirmes

Sie sind schon irgendwie hemmungslos, diese Leute vom Dorf. Vor allem auf der Kirmes, die von den jungen Dorfprotagonisten ausgerichtet und organisiert wird. Das Pfarrfest, das hat oft einen leicht getragenen Charakter, mehr so kirchenchormäßig („Psst! Nicht so laut!“), aber auf der Kirmes gibt es vorne auf der Bühne im Gebüsch eine Trierer Cover-Band mit Rock-Standards und gelegentlichen Hardrock-Anschlägen, die einige Leute rhythmisch zusammenzucken lassen. Das könnte allerdings auch die Südeifler Form des Headbangens sein. Es gibt eine Sektbar mit neumodischen bunten Cocktails, barbarischen Gesöffen wie Eistee mit Korn, rudelweise junge, langbeinige Dinger mit Handtäschchen, einen girlandenbehängten, endsarkastisch daherschwafelnden Sportstudenten aus Köln („Er trinkt sonst nie Alkohol“), schwer rackernde Vierer-Teams am Bierstand und Alkohol von vorne, von hinten, von der Seite, und ein bisschen Gewitter von oben. Dauernd bekommt man von Leuten, die man kennt oder überhaupt nicht kennt, ein Bier in die Hand gedrückt. Ist wie Flatrate-Saufen ohne zu bezahlen. Auf dem Höhepunkt hatte ich drei volle Gläser auf einmal in Händen und irgendwie in der Ellenbogenbeuge: „Widerstand ist zwecklos.“ Ich muss gestehen, dass ich zwei davon entsorgte, indem ich sie am Bierstand einfach „vergaß“. Meine Güte, viel zu viel Alkohol für meiner Mutter Sohn! Ihr Typen seid einfach zu hemmungslos in eurer großzügigen und freigiebigen Art. 
Irgendwann sind dann alle angeheitert, die meisten jedoch hackevoll. Zumindest wenn es auf drei Uhr morgens zugeht. Und alle bleiben friedlich, freundlich, kommunikativ. 
Und dann natürlich die alten Bekannten. Volle Zustimmung zum Self-Publishing-Büchlein Junge vom Land, selige Erinnerungen, viel Gelächter, alles die nackte Wahrheit, was du da geschrieben hast. Stimmt gar nicht, manches ist ein bisschen frisiert. Unterhalte mich ewig mit der Käuferin der drei jüngsten Exemplare, und wir erzielen ein Höchstmaß an Einigkeit, obwohl wir uns Jahrzehnte nicht gesehen haben. Ich finde das rührend. Dann kriege ich auch noch die Geschichte von der Sprengung der ollen 8/8er-Panzerabwehrgranate haarklein erzählt. Was für ein Teufelszeug! So eine Story kann man nur mit zwei Bier in den Händen ertragen, die verhindern, dass man ebendiese Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Später ist man plötzlich in ein Gespräch vertieft mit der hübschen 27jährigen Nachbarstochter, bei der einem langsam erst dämmert, dass sie damals dieses kleine Mädchen zwei Häuser die Straße hoch war. 
Drohe schließlich in der Sektbar bei den jungen Dingern zu versacken und irritiert in neumodische bunte Cocktails zu starren, ziehe die Notbremse, wuchte mich nach Hause.

Dienstag, 23. Juli 2013

Catfish Rising

Das Vinylalbum brachte es bei mir damals auf zwei Durchläufe, dann stellte ich es zur Seite.
In den Notizen auf der Remastered-CD bestätigt Ian Anderson meinen damaligen Eindruck, dass dies das bluesigste Tull-Album seit dem (maßgeblich von Gitarrist Mick Abrahams beeinflussten) Debüt von 1968 war.  Dieser Blues des Jahres 1991 ist allerdings ziemlich gelackt und domestiziert und orientiert sich in Richtung beliebiger US-Mainstream-Bands, denen es an zündenden Arrangements fehlt und die keinem wirklich etwas zuleide tun wollen. Oder eben wieder Dire Straits. Kann man nett zu durch die Eifel Auto fahren, mehr aber auch nicht. 
Mit dem hardrockigen Opener „This Is Not Love“ kann ich leben, aber das einzige Stück, das mehr als zwei Durchläufe verdient hat, ist das aus dem Rahmen fallende „Tall Thin Girl“, eine Variation auf dem Folk-Mandolinenmotiv von „Fat Man“ von 1969, das sich auch in puncto Ironie mit dem Vorbild messen kann. 
Der Rest ist mehr so Tralala, was schade ist angesichts einiger herausragend guter Texte, in denen der alternde Mann die Welt betrachtet und einen herzerfrischenden Herrenwitz-Charme versprüht (etwa: „White Innocence“ oder eben „Tall Thin Girl“). 
Das langweiligste, ausdrucksloseste Tull-Album von allen.

Montag, 22. Juli 2013

Rock Island

Titel und Coverart zeigen es bereits: Es wird wieder Rockmusik gespielt im Tull-Universum. Nach dem etwas laffen Crest Of A Knave hob Rock Island im Jahr 1989 die Stimmung nicht unerheblich – ohne jedoch vollends zu überzeugen. 
Eine Platte, die wieder stärker in Richtung Konzept tendiert und in deren Lyrik es um die Arbeitswelt geht, um Mobilität und die Angst vor derselben, den Rückzug auf die metaphorische eigene Insel. Das Entwurzelungs-Thema deutet voraus auf Roots to Branches, ist aber hier noch nicht so globalisiert angedacht und musikalisch nicht so breit aufgestellt, sondern bleibt eher im britischen Rahmen. Natürlich funktioniert das nicht in einem sozialistischen, sondern im poetischen Sinn, aber durchaus mit ein, zwei Assoziationen an die Welten eines Ken Loach, inklusive einer augenzwinkernden Rückkehr zu Aqualung von 1971 – wenngleich in einem eher unauffälligen Song. Die Band macht in ihrem rustikal-nostalgischen Landmänner-Outfit einiges her (s.u.), die Texte drehen sich um ehrlicher Hände Arbeit, um Käuze und unerhörte Begebenheiten, Working Girls, das Gewissen von Walfängern, Instrumentendiebstahl, das Ausbluten von Regionen und Traditionen, um Oralsex und nostalgische Weihnachten. Es ist dem Dichter Ian Anderson dabei hoch anzurechnen, dass er nach wie vor die Ambivalenzen pflegt und keine simplen Antworten parat hat. Viele Dinge sind eben unauflösbar, und nur die lyrische Beschreibung kann sich ihnen nähern.
„Another Christmas Song“ ist die Antithese zum ursprünglichen „Christmas Song“ und wirkt im Vergleich zu diesem etwas kalkuliert und arg heimelig, auch wenn er an Weihnachten natürlich gut kommt. Trotz einiger mitunter erstaunlich harter Anschläge ereignet sich auf Rock Island zwischendrin ein bisschen viel vergessenswerter Mainstream, aber der kraftvolle Oralsex-Rocker „Kissing Willie“, das flockige „Rattlesnake Trail“ und das anrührende „Ears of Tin“ halten die Fahne hoch. Ebenso nach hinten raus das nach altehrwürdigem Tull klingende „Big Riff and Mando“. 
Also wieder so eine Fifty-fifty-Platte, von denen es an der Dekadenwende Achtziger/Neunziger einfach zu viele gab.


Sonntag, 21. Juli 2013

J-Tull dot com

Furchtbares Geständnis: Ich habe diese Platte damals nicht gekauft. Hatte keine Lust. Hielt die Band für veraltet. Obwohl doch Roots to Branches vier Jahre zuvor allerhand zu bieten hatte. Nun, der fällige Kauf wurde jetzt, vierzehn Jahre später, nachgeholt. 
J-Tull dot com von 1999 wird die Ehre zuteil, die letzte Platte von Tull zu sein. Alles, was danach kam, war Aufgewärmtes, Tribute-mäßiges oder Seitenprojektiges, ein komplett durchorganisiertes Studioalbum gab es seitdem keines mehr, und Jethro Tull verblasste so langsam und wurde zur eigenen Tribute-Band. Schade eigentlich.
Der Baphomet auf dem Cover (hinten drauf spielt er natürlich Flöte) signalisiert etwas Rätselhaftes, womöglich Esoterisches. Tatsächlich beinhaltet das Album ein paar Songs, die eine okkulte Art an sich haben und in Bereiche der Schauergeschichte oder des exotischen Grusels vorzudringen scheinen: „Wicked Windows“, „Black Mamba“, auch „El Nino“ operiert mit magischen Inhalten, und „Bends Like A Willow“ verströmt eine dunkle Aura. Ohne dass die Band deswegen gleich in Richtung Gothic schielen müsste, gewiss nicht. Mit der Internet-Thematik, die der Titel suggerieren könnte, hat die Platte hingegen kaum etwas zu tun. 
Nein, Jethro Tull scheinen sich hier als moderne Rockband des Jahrtausendwechsels positionieren zu wollen, als Altrocker im Vollbesitz der geistigen und körperlichen Kräfte, die mit Gelassenheit, aber noch einigem Druck im Kessel das in die Welt hinaustragen, was sie seit jeher auszeichnet: komplexe, songfixierte Kompositionen ohne allzu viel Eitelkeiten, aber mit allerhand Geschnörkel; verblüffende, mal anheimelnde, mal irritierende Arrangements; das engagiertestmögliche Zusammenspiel und die typische Skurrilität. Die modernen Produktionsmethoden tarieren die Einzelaspekte aus und bauen und sie zu einem Ganzen zusammen. J-Tull dot com ist ein Bandalbum ohne Wenn und Aber. Hellwach und enorm gut gespielt. 
Die Flöte ist wieder so prominent, schnell und laut wie auf Roots To Branches, Jazz- und Weltmusik-Anteile rücken etwas aus dem Bild, dafür wird es wieder folkloristischer. „El Nino“ verrennt sich ein bisschen in zu starker Dynamik, „Hot Mango Flush / Mango Surprise“ sind Gag-Stücke, wie nur ein Ian Anderson sie loslassen kann. Mit „Spiral“, „Wicked Windows“, „Black Mamba“, dem Katzen-Rocker „Hunt By Numbers“, „Far Alaska“ und dem überragenden „Bends Like A Willow“ sind die Highlights schnell identifiziert, allerdings sollte man keinesfalls nach hinten raus die beiden Folkrocker „The Dog-Ear Years“ und „A Gift of Roses“ vergessen, die man seinerzeit auch auf Heavy Horses hätte finden können. Martin Barre spielt eine großartige Gitarre, Doane Perry trommelt inzwischen wie dereinst der große Barriemore Barlow, Keyboarder Andrew Giddings ist ein Tastengott und in Sachen Vielseitigkeit und Klangfarben ungeheuer begabt. Und die Synthie-Streicher haut er stets an den richtigen Stellen ins Geschehen. 
Ein leicht mysteriöses und annähernd magisches Album. So hätte das ruhig weitergehen können, herrje.

Donnerstag, 18. Juli 2013

Roots to Branches

Tull-Spätwerke wie Crest Of A Knave (1987) oder Catfish Rising (1991) hatten keinen Anlass zu allzu überschäumendem Zukunftsoptimismus geboten, aber mit Roots to Branches von 1995 kam wieder Leben in die Bude. Ich war damals musikhörertechnisch völlig anders drauf, dennoch ließ die Platte mich aufhorchen, so dynamisch geriet sie. 
Ian Anderson und seine Mitmusikanten waren absolut gewillt, nicht zur eigenen Tribute-Band zu werden, sondern den Tull-Spirit am Köcheln zu halten. Natürlich besitzt diese Platte nicht mehr den schrulligen, wirbelnden Charakter und die Kühnheit der klassischen Alben, aber auf ihre gesetzte Art bietet sie Rockmusik, die in Fragen von Komposition, Arrangement und Spielfreude an die Grandeur früherer Tage heranreicht und alles andere als schläfrig wirkt.
Sie kündet von Altersweisheit und Duldsamkeit, gepaart mit einem Hunger nach Melodie, Harmonie und komplexer Lockerheit. Und von Ian Andersons warmherzigem Humanismus. Und es ist – vielleicht im Sinne einer Summa Scientia – das Zueinanderfinden der verschiedenen Phasen und Strömungen. Erstaunlicherweise berücksichtigt Roots to Branches dabei aber die keltische Folklore der alten Tull am wenigsten, zugunsten von World Music, Heavy Rock, Blues, Americana-Klängen und Jazz. Und doch kann dies keine andere Band sein als Jethro Tull. Im Grunde weisen die Kompositionen immer noch die Komplexität von J.S. Bach oder Renaissance-Kammermusik auf, nur eben globalisierter. Neu und so noch nicht vorgekommen sind die Weltmusik-Anteile, diese arabischen Arabesken und fernöstlichen Atmosphären, aufgelockert durch glasklare Jazz-Momente. Erstaunlich auch die wiedergefundene, soundtechnisch aktualisierte Härte und Rocksau-Attitüde, die vor allem von Martin Barres Gitarre und Doane Perrys Drums ausgeht und zu wahren Hardrock-Kanonaden führt. Und die Querflöte schneidet mit ihrer schieren Präsenz, den ultraschnellen Läufen, dem Flattern und Prusten und den extremen Höhen oft wieder so schmerzhaft ins Ohr wie früher.
Aber auch diese poetische Platte mit Globalisierungs-Thema und Verwurzelungs- und Entwurzelungs-Lyrik hat ihre Fehler und gebärdet sich vor allem nach hinten raus zu gelassen und entschleunigt. Da ist mindestens ein balladesker Langstrecken-Song zu viel, eher zwei. 
Dafür zeigt die rumpelnde erste Hälfte die Mittneunziger-Tull in unerwartet großer Form, und Stücke wie „Roots to Branches“ und „Rare and Precious Chain“ beschleunigen die Pumpe nicht unerheblich. Vor allem „This Free Will“ ist ein regelrechtes Epos, das nicht etwa durch prätentiöse Länge auffällt, sondern durch die ungeheuer knackige Vier-Minuten-Kombination von Klangfarben, Timing und Power. „Dangerous Veils“ bietet völlig unberechenbaren Altherren-Rock mit einer Fülle von Texturen und Stilen. Ein Fall fürs Jazz-Festival. Und im entzückend hochkomplexen „Beside Myself“ werden die diversen Tendenzen des Albums zusammengeführt und auf einen Punkt konzentriert. Eines der schönsten Tull-Stücke überhaupt – und die ganze Platte ist ein mehr als respektables Spätwerk. Über weite Strecken sogar richtig wow!

Samstag, 13. Juli 2013

Crest Of A Knave

Dieses Album kam für mich irgendwie zu spät. 1987 war die Interessenlage eine andere. Ich kaufte Crest Of A Knave dennoch, fand es auch recht nett, aber eine besonders leidenschaftliche Beziehung war das nicht zwischen uns beiden – obwohl ich im Kielwasser der Platte mein einziges Jethro-Tull-Konzert bisher ansteuerte: Eishalle Remich/Luxemburg. Ian Anderson wurde von zwei sexy aufgebretzelten Krankenschwestern im Rollstuhl auf die Bühne gefahren, sprang hoch wie der Blitz und legte los. 
Der Elektronik-Rausch der ersten Achtziger-Hälfte war verflogen. Der Drum-Computer auf einigen Stücken entsprang diesmal einer Notlage: kein fester Schlagzeuger an Bord im Jahr 1987. Ansonsten werden die Songs nämlich wieder manuell gefertigt. Und wenn doch Elektronik, dann wirkt sie eingepasster als vordem. So kommt es, dass die elektrounterstützten Songs die treibendsten und ruppigsten des Albums sind („Steel Monkey, „Raising Steam“). 
Die Platte drängt zurück in die Siebziger, um sie in die späten Achtziger rüberzuretten. Was indes fehlt, ist ein Konzept oder auffälliger roter Faden, die alle vorherigen Tull-Alben auszeichneten. Dies ist eine reine Ansammlung von Stücken. Das Cover suggeriert einen Rücksturz ins Folkloristisch-Elisabethanische, aber es tauchen nur Spritzer auf. Leicht verblasst sind auch die Virilität und der harte Anschlag früherer Platten. Insofern gilt Crest Of A Knave als das „Dire Straits-Album“. Ian Andersons ernsthafte Stimmprobleme Mitte der Achtziger führten dazu, dass er sich vokaltechnisch zurücknehmen musste. Und wenn er das tat, klang er manchmal wie Mark Knopfler. Als hätte er das bemerkt, fabrizierte er ein eher relaxtes Songwriting und ließ seinem ewigen Gitarren-Derwisch Martin Barre ziemlich viel Raum. Und der passte sich dem entspannten Duktus kongenial an und klang auch wie Mark Knopfler. Da es aber schon einen Mark Knopfler gab, wirkten Jethro Tull streckenweise seltsam laff. 
Was natürlich nichts daran ändert, dass es auch hier schiere Größe zu entdecken gibt. Das unverschämt konzertane und auf massiv ironische Weise sexistische „Budapest“ etwa, bei dem die Hochzeit zwischen Tull und Dire Straits deswegen funktioniert, weil der Tull-Anteil deutlich überwiegt. Ähnlich bei „Farm on the Freeway“ mit seiner Abfolge von Americana-Klängen, britischem Folk, Hardrock und Entspanntheit. Der später erst dazugefügte Bonustrack „Part of the Machine“ toppt sie aber alle mit seinem Histo-Hardrock-Mittelteil, der tulliger nicht sein könnte. 
Kein Album für die Podiumsplätze, aber an manchen Stellen doch zum Heulen schön.

Freitag, 12. Juli 2013

Under Wraps

Kein Tull-Album ist bei Fans verhasster als Under Wraps von 1984. Zumindest bei jenen, die die Siebziger für das Nonplusultra hielten und noch nicht recht in den neongrellen Achtzigern angekommen waren. Zugegeben, Ian Anderson und Co. muten ihnen hier einiges zu: Elektronik noch und nöcher, viel mehr als auf dem umstrittenen A. Und vor allem: eine Drum-Maschine! Grä-häää-sslich! 
Wer jedoch damals auf Zack war, hätte ahnen können, wohin die Reise geht. Anderson hatte ein Jahr zuvor sein erstes Solo-Album Walk Into Light vorgelegt, und es wurde – im Duett mit dem damaligen Tull-Keyboarder, Chefsynthetiker und Pop-Adepten Peter-John Vettesse – ein größtenteils elektronisches Album, auf dem der Flöterich seinem Instrument eine Kooperation mit Synthesizer-Texturen verordnete und zudem sein ureigenes Songwriting in diesem Zusammenhang erforschte. Walk Into Light war Pop, teils hibbelig und chartskomtapibel, teils getragen und komplex. Meine Favoriten: die elektrofolkloristischen Stücke „Made in England“ und „Toad in the Hole“ sowie das leicht angegruselte „Different Germany“, das sich an einer atmosphärischen Bestandsaufnahme Deutschlands in den frühen Achtzigern versucht. Kein Wunder, dass Anderson dieses Interesse an elektronischer Klangerzeugung in den Tull-Kosmos hinein verlängerte und der Band-Diskographie Under Wraps aufnötigte. 
Auf dem Album geht es wieder – und vielleicht stärker denn je – um die Themen des Kalten Krieges, um Geheimdienstspielchen irgendwo zwischen John le Carré und James Bond (man beachte auch das Maurice-Binder-artige Cover), Agenten-Liebschaften, Ost-West-Kommunikation, das Spannungsfeld zwischen Kapitalismus und Kommunismus und sogar um „Star Wars“. Den Reagan’schen Sternenkrieg wohlgemerkt, nicht den von Lucas. Die Musik scheint – wieder unter dem Einfluss von Peter-John Vettesse – das umzusetzen, wovor Anderson sich auf den beiden vorherigen Tull-Alben offenbar noch scheute: Er entkleidet die Strukturen bis aufs Skelett und macht die Arrangements schlank und poppig. Beim zweiten Hören zeigt sich jedoch wieder das alte Muster: Es hört sich zwar leichtfüßig an, ist jedoch sehr kompliziert gebaut und arrangiert. Die eklatante Spielfreude der ehedem handgemachten Tull-Musik wird ersetzt durch elektronische Tapeten, Synthie-Fanfaren und Sequencer-Effekte. Die hell aufstampfenden, kalten Rhythmen (produziert von einem hippen Fairlight CMI) sind tatsächlich sehr auffällig, und im Zusammenspiel mit dem funkigen Bass, den transparenten Arrangements und ein paar wavigen Gitarrenlinien macht sie Jethro Tull zur intellektuellen Zeitgeist-Popband. Was ziemlich gut zu den Texten passt. 
Diese Platte ist ein Unikum, bewundernswert abgedreht, und ich bin froh über die Remastered-CD-Version und das Hinzufügen einiger schwergewichtiger Bonustracks, welche ziemlich genau zeigen, wie die Komplexität von Andersons Songwriting ins Elektro-Rock-Gewand gekleidet werden kann. 
A und Broadsword haben sich letzten Endes als zeitloser erweisen, Under Wraps bleibt ein Produkt seiner Epoche. Aber es ist allemal einen Durchmarsch wert, und sei es auch nur, um die zahllosen Effekte zu bestaunen und eines Rockmusik-Geschichtenerzählens teilhaftig zu werden, das stets seinesgleichen suchte. Nach einem klasse Song wie „Later That Same Evening“ kann man sich im Grunde das Gesamtwerk von John le Carré sparen.

Donnerstag, 11. Juli 2013

Bye-bye Mitsubishi

Soeben wurde er vom Autoverwerter abgeholt, der schwarze Mitsubishi Colt Baujahr 1998. Das Fohlen lungerte noch zwei Tage ohne Kennzeichen in der Einfahrt herum und konnte im Vorbeigehen schlussgetätschelt werden. Nach allzu großen Sentimentalitäten stand mir allerdings nicht der Sinn. 
Vor neuneinhalb Jahren wurde er gebraucht im Gewerbegebiet nahe Trier gekauft und hat gar nicht so viel Fahrleistung erbracht, weil ich da schon in der Großen Stadt wohnte und in der Großen Stadt kaum Auto fahre. Aber für Trips ins Umland und zu den Wurzeln der ländlichen Existenz war er unumgänglich. Er leistete durchweg treue Dienste, und man hielt ihn damals, den Angaben des gewerblichen Verkäufers vertrauend, für hochseriös, ja sogar für ein „Schnäppchen“. Dann kam nach knapp vier Jahren die Sache bei der zweiten Hauptuntersuchung: „erhebliche Mängel“ und nicht verkehrssicher wegen massiver Korrosion an tragenden Teilen hinten. Den vollmundigen Verkäufer drauf angesprochen; der gab sich perplex. Seine Mechaniker schüttelten, als er gerade nicht hinsah, den Kopf, was eventuell so viel hieß wie „typisch!“. Nun, es konnte in einer kleinen Werkstatt (keinesfalls in der des gewerblichen Verkäufers) behoben werden durch Schweißarbeiten. Zwei Jahre später wurde noch mal nachgeschweißt. In zwei Monaten wäre nun wieder HU gewesen. Diesmal: Kupplung schwächelt; bei Regen dringt irgendwo vorne Wasser ein und sammelt sich zu Füßen des Beifahrers, so dass der/die sich echt freut und der Colt außerdem im Winter von innen zufriert; die Korrosion unten drunter wird vermutlich auch fortgeschritten sein. Jetzt gab’s sogar noch Geld dafür. Superschnelle, freundliche und professionelle Abwicklung. Wenn jemand im Kölner Raum einen Altwagen loswerden muss: Firma Schlimbach anrufen. 
Das schwächelnde Fohlen wurde ersetzt durch einen soliden, silberfarbenen Fiesta. „Scheckheftgepflegt“. Der Vorbesitzer war ein älterer Herr Doktor aus Bergisch-Gladbach, und ältere Doktoren aus Bergisch-Gladbach gehen pfleglich mit ihren Autos um. Der kleine Ford ist erstaunlich kraftvoll, dabei betont unauffällig, die HU ist ganz frisch, er riecht innen fast neu und verfügt über mir bislang völlig unbekannten Luxus wie elektrische Fensterheber, Türschlösser mit Fernbedienung oder Wegfahrsperre mit codierten Schlüsseln. Was es so alles gibt!

Dienstag, 2. Juli 2013

Verlautbarung

Die Katze hat sich mal wieder an den Laptop gesetzt – oder vielmehr: auf den Laptop – und mit Hilfe des zufällig gerade aktiven, handelsüblichen Textverarbeitungsprogramms folgende Verlautbarung aus dem Katzenuniversum verfasst: 

Fgvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvvv byxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxgf n0huzcx ,]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]]] 

 Danke für Ihre Aufmerksamkeit.