Kaum ist die Flucherei über den Regen und die Schafskälte verklungen, geht es los mit den Klagen über die Schwüle. Sie arbeitet sich bei einigen Zeitgenossen ziemlich weit bis obenhin vor. Ich bin in den Untergrund geflohen und den Hinweg in die Innenstadt mit der Bahn gefahren, den ersten Teil noch oberirdisch und in einem heißen Waggon. Ein Typ telefoniert lautstark und schamlos. Er gehe jetzt ins Bett, meint er gerade, da bremst die Bahn vor der Kurve zum Barbarossaplatz und rollt dabei etwa zehn Zentimeter zurück. Ich hab’s nicht mal gemerkt, der Typ hingegen brüllt euphorisch ins Telefon: „Die Bahn fährt rückwärts! Sie fährt rückwärts! Harhar!“ Dann erklärt er dem Gesprächspartner fünf Minuten lang, warum eine Bahn rückwärts fährt, wenn der Fahrer die Bremse nicht ordnungsgemäß betätigt. Er scheint richtiggehend Ahnung zu haben von so was. Die Bahn fährt übrigens schon lange wieder vorwärts, aber der Typ gibt weiter lautstarke Hydraulik- und Pneumatik-Vorlesungen über Rückwärtsfahren. Station Poststraße, unterirdisch, Verbindung bricht ab. Der Typ steigt aus, alle atmen durch. Ich vermute, er ist der Enkel von Ernst Stavro Blofeld und brütet eine Erpressung aus, die etwas mit der Sabotage des ÖPNV zu tun hat. Vielleicht war das ein geglückter Test, und morgen oder übermorgen fahren plötzlich alle Bahnen rückwärts und er und sein Großvater verlangen 100.000 Mark in kleinen Scheinen, bis man sie darüber aufklärt, dass man inflationsbedingt heutzutage mindestens 1.000.000 verlangt und dann bitte auch in Euro.
Summer in the City. Schwitziges Getümmel. Schon mal gemerkt, wie viele Menschen oben an Rolltreppen abrupt stehenbleiben, um sich schnaufend zu orientieren, während man selbst von der Technik direkt in sie hineinbefördert wird? Man fühlt sich so hilflos. Marx Brothers, übernehmen Sie. Vor dem Hard Rock Café ruft jemand laut „Obama!“ und explodiert. Keine Verletzten, nur desinteressierte Blicke. Lediglich ein Königspudel bellt, und der hölzerne Elefant vor dem gegenüberliegenden Antiquitäten-und-Kunstkrempel-Laden wischt sich die Stirn und geht nach drinnen.
Auf dem Rückweg die lange Tour zu Fuß, immer durch die Sonne. Der Schweiß läuft mir in die Augen. Erst ist da dieser Typ, der die Abfallkörbe nach Pfandflaschen durchsucht. Ich bleibe interessiert in einiger Entfernung stehen und schaue zu, wie er das Gesicht über den Korb beugt und schnüffelt. Ja, schnüffelt. Dann greift er mit dem Arm hinein, es gibt einen Ruck, er schreit auf und schaut entsetzt drein, von drinnen ertönen reißende Geräusche und ein Schnauben, und schließlich wird er am Arm komplett in den Mülleimer gezogen. Ziemlich bizarr, wie der breite Typ durch das viel zu kleine Loch ins Innere befördert wird. Es knackt und blubbert. Keinen der zahlreichen Passanten interessiert es. Ich trete neugierig etwas näher heran, werfe vorsichtig meine Kippe in die Kippenritze des Abfallkorbs, luge aus einem gewissen Abstand durch das große Loch, erkenne aber nichts außer McDonald’s-Abfall und Servietten. Nicht mal eine Pfandflasche.
Dann gibt’s dieses Gör, das eisschleckend am Rand des Bürgersteigs nahe der Hauswand steht und genau in dem Augenblick einen Schritt zur Seite tut, in dem ich an ihm vorbei will … wenigstens bekleckert es dabei seinen eigenen Latz mit Erdbeer und nicht meinen. Die Eiskugeln spritzen gegen die Wand wie Blut in einem Splatterfilm, dabei war ich unbewaffnet. Einige Meter weiter kommen mir zwei ältere Damen mit Gehhilfen entgegen, exakt auf gleicher Höhe, als vollführten sie da gerade ein Wettrennen. Das bisschen Platz zum Durchschlüpfen, das ich ansteuere, wird urplötzlich von einem rasenden Radler mit Scream-Maske eingenommen, dessen Vektor sich mit meinem kreuzt, um nicht zu sagen: kollidiert. Es hilft nur a) ein beherzter Sprung in die nächste Baustelle oder b) ein Satz frontal auf die Gehhilfe der einen Dame oder c) die Materialisation eines Wurmlochs. Ich lande also kurzzeitig auf Planet-876, dem sonnenfernen mit den Eislandschaften, finde es durchaus erfrischend, kann mich aber an kaum etwas erinnern, denn es währt nur eine Sekunde und ich torkele etwa fünf Meter hinter den Gehhilfendamen wieder zurück auf den irdischen Bürgersteig der Severinstraße und in die Hitze.
Weiter unten sagt ein Passant urplötzlich: „Du bist so geil! Du bist so geil!“. Dabei steckt er rhythmisch die Zunge in die eine Backe und simuliert Oralverkehr. Ich weiß nicht, ob er womöglich mich damit meint oder doch eher mit sich selbst spricht. Er sieht jedenfalls so aus wie jemand, der hauptsächlich mit sich selbst spricht und dem es auch ein echtes Bedürfnis ist, viertelstündlich Hand an sich zu legen. Mir fällt vor Schreck die Kippe aus dem Mundwinkel, ich gehe schnell weiter, denn ich will nicht zusehen müssen, wie er auf der Straße masturbiert. Beim beunruhigten Blick über die Schulter stelle ich fest, dass er beim Orion-Shop reingeht. Die haben da am Eingang eine scharfe neue Nacktschnalle in Überlebensgröße angeklebt, mit schön feuchten Lippen und die Scham von einem „Nur 9,99“-Preisschild verdeckt, vermutlich meint er die.
Und weiter unten, in der Nähe der Severinstorburg, zwängt sich der Pfandflaschensammler von eben aus einem Abfallkorb, ein fettiges Dönertütchen auf dem Kopf, und schaut sich verwirrt um.
Es ist die Hitze …
Summer in the City. Schwitziges Getümmel. Schon mal gemerkt, wie viele Menschen oben an Rolltreppen abrupt stehenbleiben, um sich schnaufend zu orientieren, während man selbst von der Technik direkt in sie hineinbefördert wird? Man fühlt sich so hilflos. Marx Brothers, übernehmen Sie. Vor dem Hard Rock Café ruft jemand laut „Obama!“ und explodiert. Keine Verletzten, nur desinteressierte Blicke. Lediglich ein Königspudel bellt, und der hölzerne Elefant vor dem gegenüberliegenden Antiquitäten-und-Kunstkrempel-Laden wischt sich die Stirn und geht nach drinnen.
Auf dem Rückweg die lange Tour zu Fuß, immer durch die Sonne. Der Schweiß läuft mir in die Augen. Erst ist da dieser Typ, der die Abfallkörbe nach Pfandflaschen durchsucht. Ich bleibe interessiert in einiger Entfernung stehen und schaue zu, wie er das Gesicht über den Korb beugt und schnüffelt. Ja, schnüffelt. Dann greift er mit dem Arm hinein, es gibt einen Ruck, er schreit auf und schaut entsetzt drein, von drinnen ertönen reißende Geräusche und ein Schnauben, und schließlich wird er am Arm komplett in den Mülleimer gezogen. Ziemlich bizarr, wie der breite Typ durch das viel zu kleine Loch ins Innere befördert wird. Es knackt und blubbert. Keinen der zahlreichen Passanten interessiert es. Ich trete neugierig etwas näher heran, werfe vorsichtig meine Kippe in die Kippenritze des Abfallkorbs, luge aus einem gewissen Abstand durch das große Loch, erkenne aber nichts außer McDonald’s-Abfall und Servietten. Nicht mal eine Pfandflasche.
Dann gibt’s dieses Gör, das eisschleckend am Rand des Bürgersteigs nahe der Hauswand steht und genau in dem Augenblick einen Schritt zur Seite tut, in dem ich an ihm vorbei will … wenigstens bekleckert es dabei seinen eigenen Latz mit Erdbeer und nicht meinen. Die Eiskugeln spritzen gegen die Wand wie Blut in einem Splatterfilm, dabei war ich unbewaffnet. Einige Meter weiter kommen mir zwei ältere Damen mit Gehhilfen entgegen, exakt auf gleicher Höhe, als vollführten sie da gerade ein Wettrennen. Das bisschen Platz zum Durchschlüpfen, das ich ansteuere, wird urplötzlich von einem rasenden Radler mit Scream-Maske eingenommen, dessen Vektor sich mit meinem kreuzt, um nicht zu sagen: kollidiert. Es hilft nur a) ein beherzter Sprung in die nächste Baustelle oder b) ein Satz frontal auf die Gehhilfe der einen Dame oder c) die Materialisation eines Wurmlochs. Ich lande also kurzzeitig auf Planet-876, dem sonnenfernen mit den Eislandschaften, finde es durchaus erfrischend, kann mich aber an kaum etwas erinnern, denn es währt nur eine Sekunde und ich torkele etwa fünf Meter hinter den Gehhilfendamen wieder zurück auf den irdischen Bürgersteig der Severinstraße und in die Hitze.
Weiter unten sagt ein Passant urplötzlich: „Du bist so geil! Du bist so geil!“. Dabei steckt er rhythmisch die Zunge in die eine Backe und simuliert Oralverkehr. Ich weiß nicht, ob er womöglich mich damit meint oder doch eher mit sich selbst spricht. Er sieht jedenfalls so aus wie jemand, der hauptsächlich mit sich selbst spricht und dem es auch ein echtes Bedürfnis ist, viertelstündlich Hand an sich zu legen. Mir fällt vor Schreck die Kippe aus dem Mundwinkel, ich gehe schnell weiter, denn ich will nicht zusehen müssen, wie er auf der Straße masturbiert. Beim beunruhigten Blick über die Schulter stelle ich fest, dass er beim Orion-Shop reingeht. Die haben da am Eingang eine scharfe neue Nacktschnalle in Überlebensgröße angeklebt, mit schön feuchten Lippen und die Scham von einem „Nur 9,99“-Preisschild verdeckt, vermutlich meint er die.
Und weiter unten, in der Nähe der Severinstorburg, zwängt sich der Pfandflaschensammler von eben aus einem Abfallkorb, ein fettiges Dönertütchen auf dem Kopf, und schaut sich verwirrt um.
Es ist die Hitze …
ich liebe diese texte!
AntwortenLöschenIch auch.
AntwortenLöschenUnd die will ich jetzt regelmäßig.
(aber sonst bin ich höflich)
Mal sehen, wieviel Provision der Schreiber für die Empfehlung kassiert. Aber vermutlich ist sie mir nich zu hoch.