Die Kirche St. Paul in unserer direkten Nachbarschaft ist relativ neu, Anfang des 20. Jahrhunderts, ist aber immerhin hübsch neu(spät)gotisch. Wenn man bei uns auf dem Balkon steht und dort hinaufschaut, befällt einen kurzzeitig das Gefühl, sich in irgendeiner englischen Kathedralenstadt zu befinden, Gloucester oder Canterbury meinetwegen.
Heute am Tag des offenen Denkmals haben wir mal die Gelegenheit ergriffen, dort raufzusteigen und uns das Viertel und unser Haus von oben anzuschauen. Zuvor gab es die ellenlange Führung eines jungen, netten, aber detailverliebten Gemeindeoberen, der die Geduld einiger Teilnehmer etwas strapazierte, bevor es dann endlich an die versprochene Turmbesteigung und den Marsch über die Hühnerleitern des Gewölbes ging.
Als noch spektakulärer empfunden wurde von uns der Besuch dieses Hauses in der benachbarten Straße, eines Gründerzeithauses, dessen vermodertes Dachgeschoss unlängst von einem Architekten ausgebaut, saniert und auf den neuesten Stand gebracht wurde. Auf den allerneuesten Stand. Es entstand im Treppenhaus eine Besucherschlange, da immer nur eine bestimmte Zahl von Leuten hinein durfte, und alle, die von oben herunterkamen, murmelten „Boah!“ oder „Meine Fresse!“ oder versicherten einem, dass das Warten sich lohne. Tja, das stimmte. Studentenbuden haben wir ja in all den Jahren genug gesehen, aber diesmal war die hippe, moderne Geldaristokratie dran, und wir bekamen auf einen Schlag die Jahresdosis Sozialneid verpasst. 280qm bewohnte Fläche mit modernster Ausstattung, ein Spielfeld für Designer, Accessoire-Süchtige, Möbelverrücker und Schöner wohnen-Chefredakteusen. Wir werden diese Wohnung gewiss noch in diversen Fernsehfilmen zu sehen bekommen, weil RTL sie ganz bestimmt bald für Dreharbeiten anmietet, um dem Publikum die Illusion zu verkaufen, in Deutschland würde selbstverständlich derart gewohnt. Was ich bislang noch nicht wusste, weil ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe: Es gibt spezielle Weinkühlschränke, die einem Weinregal nachempfunden sind und hundert oder mehr Flaschen immer auf der exakt einstellbaren Temperatur halten. 15 Grad, sagte die Digitalanzeige. Allein diese Stromkosten sind pure Dekadenz. Außerdem gibt es offenbar Mitbürger, die drei riesige Flachbildschirme (zweimal LCD, einmal Plasma) über ihre Bude verteilen und die Designerbadewanne freistehend neben das Doppelbett stellen. Und die Hochterrassen unterhalten, die andernorts als Parklandschaften durchgehen. Verräterisches Detail: Im lückenlos befüllten Bücherregal, das sich eine komplette Hochwand bis in die zweite Wohnetage hocharbeitet, entdeckte ich ein Exemplar von James Herberts Die Ratten und wusste sofort, dass dieses Regal mittels gedankenlos erstandener Flohmarktkisten bestückt worden war – reines Accessoire, denn Leute, die Weinflaschen derart kühlen, lesen definitiv keine Romane von James Herbert.
Als wir wieder unten vor der Tür waren, kam ein aufgedunsener Freak angeschlurft und fragte: „Haste mal ne Zarette? Schbin psüschisch krank.“ Wie schön, dass es das auch noch gibt.
Heute am Tag des offenen Denkmals haben wir mal die Gelegenheit ergriffen, dort raufzusteigen und uns das Viertel und unser Haus von oben anzuschauen. Zuvor gab es die ellenlange Führung eines jungen, netten, aber detailverliebten Gemeindeoberen, der die Geduld einiger Teilnehmer etwas strapazierte, bevor es dann endlich an die versprochene Turmbesteigung und den Marsch über die Hühnerleitern des Gewölbes ging.
Als noch spektakulärer empfunden wurde von uns der Besuch dieses Hauses in der benachbarten Straße, eines Gründerzeithauses, dessen vermodertes Dachgeschoss unlängst von einem Architekten ausgebaut, saniert und auf den neuesten Stand gebracht wurde. Auf den allerneuesten Stand. Es entstand im Treppenhaus eine Besucherschlange, da immer nur eine bestimmte Zahl von Leuten hinein durfte, und alle, die von oben herunterkamen, murmelten „Boah!“ oder „Meine Fresse!“ oder versicherten einem, dass das Warten sich lohne. Tja, das stimmte. Studentenbuden haben wir ja in all den Jahren genug gesehen, aber diesmal war die hippe, moderne Geldaristokratie dran, und wir bekamen auf einen Schlag die Jahresdosis Sozialneid verpasst. 280qm bewohnte Fläche mit modernster Ausstattung, ein Spielfeld für Designer, Accessoire-Süchtige, Möbelverrücker und Schöner wohnen-Chefredakteusen. Wir werden diese Wohnung gewiss noch in diversen Fernsehfilmen zu sehen bekommen, weil RTL sie ganz bestimmt bald für Dreharbeiten anmietet, um dem Publikum die Illusion zu verkaufen, in Deutschland würde selbstverständlich derart gewohnt. Was ich bislang noch nicht wusste, weil ich mir nie Gedanken darüber gemacht habe: Es gibt spezielle Weinkühlschränke, die einem Weinregal nachempfunden sind und hundert oder mehr Flaschen immer auf der exakt einstellbaren Temperatur halten. 15 Grad, sagte die Digitalanzeige. Allein diese Stromkosten sind pure Dekadenz. Außerdem gibt es offenbar Mitbürger, die drei riesige Flachbildschirme (zweimal LCD, einmal Plasma) über ihre Bude verteilen und die Designerbadewanne freistehend neben das Doppelbett stellen. Und die Hochterrassen unterhalten, die andernorts als Parklandschaften durchgehen. Verräterisches Detail: Im lückenlos befüllten Bücherregal, das sich eine komplette Hochwand bis in die zweite Wohnetage hocharbeitet, entdeckte ich ein Exemplar von James Herberts Die Ratten und wusste sofort, dass dieses Regal mittels gedankenlos erstandener Flohmarktkisten bestückt worden war – reines Accessoire, denn Leute, die Weinflaschen derart kühlen, lesen definitiv keine Romane von James Herbert.
Als wir wieder unten vor der Tür waren, kam ein aufgedunsener Freak angeschlurft und fragte: „Haste mal ne Zarette? Schbin psüschisch krank.“ Wie schön, dass es das auch noch gibt.