Dienstag, 1. Juni 2010

Den Xenon Codex neu aufgeblättert

Gestern kam der neuaufgelegte Xenon Codex aus London an. Die Platte erschien ursprünglich in dem Monat, in dem ich mein Studium aufnahm: April 1988. Das schweißt schon irgendwie zusammen.
Das Remastering war ein voller Erfolg, das Album bollert und tuckert schön schwer, aber das ändert im Prinzip nichts daran, dass die Platte fragmentiert wirkt. Es musste damals schnell gehen mit dem Ding, weil das Management drängelte. Manche Stücke sind aus dem Ärmel geschüttelte Jams, die im Studio mit Effektschichten überklebt wurden. Eine Neuentdeckung lohnt der Eröffnungstrack „The War I Survived“ mit seiner Vonnegut-inspirierten Lyrik von Roger Neville-Smith. Der Begleittext spricht von einem der besten Opener irgendeines Hawks-Albums, und bei der Art, wie einen der Song förmlich überfällt, mag man beinahe zustimmen. Herzallerliebst, wie in diesem tumultös-straighten Gedröhne auch noch Blues- und Southern-Rock-Phrasierungen untergebracht werden. Meine Favoriten waren jedoch stets das meditative „Wastelands of Sleep“, das eine gewisse Ähnlichkeit zu dem noch besseren „Green Finned Demon“ von 1984 aufweist, sowie „Heads“ mit seinem wissenschaftskritischen Text, seiner stoischen Basslinie und seinem veritablen Spannungsaufbau in Sachen Sound. Harvey Bainbridge erforscht in seiner Keyboard-Burg symphonische Klangräume, wird an einer Stelle („Lost Chronicles“) sogar mächtig konzertan, allerdings auch ein bisschen zu geschmäcklerisch und mainstreamig für meinen Rocker-Geschmack. Alan Daveys „Sword of the East“ ist Hawkwind auf dem Höhepunkt der Melodic-Rock-Qualitäten und enorm gut inszeniert. Kein Rumpf, wie so oft, sondern richtig ausformulierter Fantasy-Hardrock inklusive Samples von schnaubenden und wiehernden Pferden. Vermisst hingegen wird ein Beitrag Huw Lloyd-Langtons, der in dieser Hinsicht in den 80ern die besten Songs ablieferte. „E.M.C.“ ist ein einfacher, nach vorn drängender Jam voller Kraft und voller verdrehter Samples, der belegt, warum die Hawks als Techno-Vorläufer gewertet werden, auch wenn dieses Stück im Prinzip eher Rock ist. Der schlussendliche Jam „Good Evening“ wäre verzichtbar, wenn nicht gegen Ende eines der schönsten Soundscapes der gesamten Hawks-Historie zu finden wäre: ein melancholisches E-Gitarren-Thema wird von Maschinengewehrfeuer begleitet. Das meine ich mit fragmentiert: Ein solch phantastisches Element hätte sinnvoll in einen besseren Song eingebunden werden müssen.
Ein leidiges Thema ist immer noch das stumpfe Trommeln von Danny Thompson, wobei man nicht so genau weiß, ob er es damals nicht besser konnte oder ob Dave Brock ihn dazu anhielt. Das käme weniger blöd rüber, wenn die Snare trockener knallen würde und nicht mit so viel dumpfem Hall. Das Album erschien im April 1988, und bereits im Dezember saß Richard Chadwick an den Drums. Die fünf Bonus-Live-Stücke aus diesem Monat zeigen zwar keine völlig andere Band, aber eine wesentlich druckvollere und härtere.
Trotz allem: ein Album zum Drinspazierengehen.

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