Gestern Abend waren Piet Klocke und Frl. Angelika Kleinknecht (aka Simone Sonnenschein) in der Comedia. Neues Programm „Das Leben ist schön – gefälligst!“.
Klockes Strategie ist schnell erklärt, zugleich sehr kompliziert, und sie verlangt vom Künstler eine extremistische Bühnendarbietung. Er weist uns hin auf die Diskrepanz zwischen gesprochener Sprache und kognitiven Prozessen. Schneller denken, als sprechen möglich ist. Klocke führt die Tragik vor, die sich aus diesem Umstand ergibt. Rigoros. Es ist ein Verzweifeln an der Unzulänglichkeit der Welt, sehr gern auch an sich selbst, an der eigenen rhetorischen Ausstattung und an der fatalerweise selbstgewählten Rolle des „Dozenten“. Jemand, der zu schnell denkt und dabei auch noch überaus fahrig und generell sehr verwirrt ist und zudem grotesk lang und schmal, merkwürdige Garderobe trägt und eine wirre Frisur hat, sollte nicht vor Publikum treten. Das kann nur schief gehen.
Glücklicherweise tut Piet Klocke genau das. Weswegen bei seinen tragikomischen Auftritten das Publikum stets prustend und keuchend in den Rängen hängt und schlussendlich die Veranstaltung fix und fertig verlässt.
Es gibt da kein Vertun: Piet Klocke gehört zum Besten, was das Kabarett zu bieten hat. Er aktualisiert ältere, tragikomische Formen des Scheiterns an Welt und Sprache und taktet sie gnadenlos hoch. Seine erschütternde, aber in sich logische Komplettverdrehtheit und seine groteske Übererregtheit lassen einen ziemlich fassungslos zurück. Das ist pure Katharsis. Da kriegt man Atemnot.
Am stärksten erinnert er sprachstrategisch wie phänotypisch wohl an Karl Valentin, einen der größten deutschen Kabarettisten. Alfred Kerr schrieb seinerzeit über den Münchner: „Alle lachen. Manche schreien. Woraus besteht er? Aus drei Dingen: aus Körperspaß, aus geistigem Spaß und aus glanzvoller Geistlosigkeit“. Er könnte es heute beinahe genauso über Piet Klocke schreiben.
Als seine Liesl Karlstadt fungiert Simone Sonnenschein mit schüchternem Kleinmädchen-Charme und in grotesk unbeholfener Girlie-Kleidung. Stets nur flüsternd und mimisch aktiv, voll von abrupt hervorbrechenden, dadaistischen Weltverbesserer-Ideen („Windenergie!“), die sie Klocke ins Ohr flüstert, damit dieser sie hinausposaunt – um sich dann stammelnd darüber lustig zu machen und die kleine Naive genussvoll runterzuputzen. Aber Frl. Kleinknecht hat enormes anarchisches Potenzial: Während Klocke in der Pause unter der Dusche war, hat sie ihm die Klamotten geklaut und tritt nun ebenso wortgewaltig wie verwirrt als er auf. Zum Schreien. Klocke kommt fast zu früh zurück – in Bademantel und mit Waschbürste –, um zornig seine Garderobe einzufordern. Solche faustdicken Überraschungen, die unbedarften, etwas gelangweilt wirkenden „Basteleien“ nebenher (ein Phallus aus einem Handtuch), kleine poetische Einschübe und nicht zuletzt die blitzsauberen Saxophon-Aktivitäten der studierten Musikerin Simone Sonnenschein machen einen Fräulein-Kleinknecht-Fanclub mehr als überfällig.