Ich bin ja bekanntermaßen nicht so der Weihnachtsmarkt-Enthusiast. Bin nicht mit denen sozialisiert worden, denn zu meiner Zeit gab es sie schlicht noch nicht. Der erste Weihnachtsmarkt im heimischen Trier dürfte so Mitte der Achtziger stattgefunden haben. Da war ich schon fast zwanzig und nicht mehr ganz so kulleräugig. Über die Jahre hat sich der W-Markt vom Trierer Hauptmarkt bis auf den Domfreihof ausgedehnt. Irgendwann hatte dann jedes Kaff in der Region seinen W-Markt.
Das Hauptmotiv für die Existenz von Weihnachtsmärkten, Glühwein, ist mir auch stets ein Rätsel geblieben. Kriege ich die Scheißerei von, außerdem klingt der vielbeschworene Aufwärmeffekt schnell ab und verwandelt sich in einen Kälteeffekt. Dem kann nur entgegengewirkt werden durch noch mehr Glühwein. Eine sehr durchsichtige Strategie der Profitmaximierung.
Als eminent brauchbar hingegen erwies sich auf den ersten Trierer Weihnachtsmärkten die Thüringer Bratwurst. Der Stand befand sich stets am Rand, man musste gar nicht tief rein ins Gewühl. Der Standort wie auch der Preis blieben bis heute stabil, was man so hört. Seit diesem – ich nenne es beim Namen – kulinarischen Hochgenuss, nach dieser Initiation in die Freuden der Zum-Mitnehmen-Gourmetbraterei wurde auf anderen Weihnachtsmärkten, hauptsächlich im Rheinland, stets zuerst Ausschau gehalten nach den Bratwurstständen und nach dieser speziellen Thüringer Bratwurst. Sie ist lang und dünn und wird in der Mitte geknickt, um ins Brötchen zu passen. Viele Bratwurststände kokettieren mit „Thüringer Bratwurst“, aber ein Blick aufs Rost zeigt, dass es meist nur gewöhnliche Bratwürste sind, die in keinster Weise mit der Gewürzexplosion der echten konkurrieren können.
Wichtig dabei ist: Diese Wurst gehört ausschließlich auf den Weihnachtsmarkt. Sie zu anderen Jahreszeiten irgendwo ausfindig zu machen und dann inflationär in sich reinzuschaufeln, würde die Atmo zerstören und den Moment des Genusses sabotieren. Nein, nur einmal im Jahr und für begrenzte Zeit. Insofern ist der Weihnachtsmarktbesuch doch zur Pflicht geworden.
Die Gattin bevorzugte dieses Jahr den kleinen Markt im puppigen Brühl, wo sie palettenweise Lebkuchen in hübschen Dosen abgriff. Echten Nürnberger Lebkuchen, nicht so ein Pseudo-Zeug. Ich schaute mich derweil etwas um, roch mich durch die Gastronomie-Buden und darf die frohe Botschaft verkünden: In Brühl gibt es sie, die echte Thüringer. Es ist, wenn man von der Innenstadt her kommt, die zweite Wurstbude des Marktes, die auf der linken Seite, gleich gegenüber dem Kinderkarussell. Was für eine Wiederschmeckensfreude! Ich aß gleich zwei davon, denn diese Saison komme ich hier nicht mehr vorbei. Eine dritte hätte eventuell noch gepasst. Ich bin ganz reuig.
Brühl ist überhaupt recht lieblich. Man verzichtet dort auf Musikberieselung vom Band und verfügt stattdessen über eine zappelige, freudig erregte Live-Combo, die Weihnachtslieder im authentischen Swing-Modus abdudelt, sowie über einen einsamen, falsch, aber wacker spielenden Trompetenjungen. Er steht ein paar Schritte abseits der Lebenden Krippe, wo die Darsteller tapfer dauerlächeln. Vermutlich haben sie dreizehn Schichten Fleece unter den pseudo-antiken Gewändern. Sie wirken jedenfalls alle ziemlich rundlich. Könnten natürlich auch Thüringer Bratwürste oder Dampfnudeln dran schuld sein. Die vorbeiflanierenden Kinder bleiben stehen und zuppeln manisch an Esel, Schaf und Lämmchen herum. Den Viechern ist es egal; sie haben dickes Fell. Ausgerechnet die Hauptfigur, das Kind in der Krippe, ist jedoch eine Puppe. Meiner Meinung nach eine falsche Rücksichtnahme.
Auf dem Weg zum Bahnhof, während die Bratwurst heimelig im Magen quellt, kann man dann noch das illuminierte Schloss von Clemens August bewundern, als sei es eine fette Vision vor dem Sternenzelt. Nett.