Widmen wir uns heute mal einem Album, das meines Erachtens zu den Top Ten der Hawks gezählt werden muss und mit dem das neue Album Onward gewisse Ähnlichkeiten aufweist. Es ist der 92er-Output Electric Tepee.
Die Band hatte zuvor drei Mitglieder verloren, und die Kerntruppe entschied sich, keine neuen Leute einzuspannen, sondern es mal eine Zeitlang als Trio zu versuchen. Brock, Davey, Chadwick, sonst nix. Die Verschlankung war jedoch nur rein äußerlicher Natur. Der Sound ist breiter und barocker denn je. Der neo-proggige Ansatz wird beibehalten, ebenso die synthie-symphonischen, multidimensionalen Klangräume. Es erfolgt jedoch eine stärkere Hinwendung zu den damals gerade angesagten Strömungen Techno, Ambient und Trance, und vermischt wird das mit einem beinahe Strawinsky-haften Drang zu schief liegenden Harmonien und expressionistischem Drama. Aber das alles wäre nichts ohne den gejammten, von fixen Basslinien nach vorne getriebenen Möbiusschleifen-Hardrock, der Highlights am laufenden Band ausstößt. Dazwischen das technoide, trancige Füllmaterial, das seine Talsohle recht früh auf den überflüssigen Tracks 5 und 6 erreicht, sich dann mit „Snake Dance“ langsam herausarbeitet, ehe es sich sprunghaft in die zweite Albumhälfte katapultiert, die ein einziger Klangfarbenrausch ist. Es fällt wirklich schwer, hier einen favorisierten Track zu definieren. Ist es einer der Rocker, vielleicht das kauzige „Secret Agent“, das liebreizend straighte „Right to Decide“, das traurige „Sadness Runs Deep“ oder das unglaublich aufgebretzelte Remake von „Mirror of Illusion“ (1970) unter dem Titel „Mask of the Morning“? Oder ist es doch einer der Ambient-Tracks, etwa das hochdramatische „Don’t Understand“ mit seinem niedrigfrequenten Blubbergerüst und den Geräusch-Samples oder das entspannte, meisterliche „Going to Hawaii“? Unmöglich zu sagen.
Obwohl Electric Tepee die üblichen düsteren, apokalyptisch anmutenden Soundscapes zeigt, gerät das Album doch ungewohnt licht. Das hat auch damit zu tun, dass Dave Brock seine Rhythmusgitarre in einen fast gitarrenpoppigen Obertonbereich hinein platziert und sie ziemlich weit vom Metal entfernt. Das Dumpfe, Schwere fehlt diesem Album fast vollkommen, was wiederum zur schamanischen Mutter-Erde-Ästhetik, den Worldmusic-Anteilen und der Cover Art passt.
Electric Tepee ist eine echte außerweltliche Erfahrung.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen