Montag, 13. Juli 2009

Es existiert!

Es ist eine Legende, ein seit Generationen kursierendes Gerücht in Fachkreisen, begleitet von einem ehrfurchtsvollen Flüstern: das schlechteste Buch der Welt.
Man vermutet, dass es irgendwo dort draußen existiert, irgendwo zwischen all den Papierbergen und all den vielen bunten Buchdeckeln. Sein Papier stammt von einem verfluchten Baum, unter dem die Druiden im ersten Jahrhundert vor Christus Menschenopfer darbrachten – so heißt es in den Legenden über das schlechteste Buch der Welt. Das geschlagene Holz lag Jahrzehnte am Waldrand neben einem verfluchten Dorf, Unmengen schwarzer Katzen sprangen über den Stamm, die Dorfhexe verführte alle Männer des Orts auf eben diesem Holz zum Ehebruch, und man munkelte, des nachts wären Stöhnen und Schmerzensschreie aus dem gefällten Baumstamm zu vernehmen und seine Rinde hätte die Konsistenz von Schweine- oder vielleicht auch Menschenhaut. Und dann, so sagt man, wurde das Holz zu Papier verarbeitet, um darauf das allerschlechteste Buch der Welt drucken zu können. Die Tinte, so heißt es, sei aus den Exkrementen des Dunklen Gottes Bro’th gewonnen worden und die Tintenhersteller seien während der Herstellung wahnsinnig geworden.
Jeder wollte es finden. Seit jeher. Generationen von Gutachtern rissen die Pakete auf, die sie von ihren Verlagsauftraggebern erhielten, und durchwühlten sie, ob das schlechteste Buch der Welt vielleicht enthalten sei. Sie wussten, sie würden es sofort erkennen, wenn sie es erstmal in Händen hielten. Sie waren wie Kinder, die die Packung Kellogg’s Smacks aufreißen, sich durch die gezuckerten Krümel wühlen, um das darin enthaltene Gadget zu finden und mit einem Freudenschrei ans Tageslicht zu befördern.
Voller Stolz darf ich verkünden, dass ich soeben das schlechteste Buch der Welt entdeckt habe. Es war in einem Paket mit anderen Büchern, aber ich wusste sofort, dass hier etwas Besonderes meiner harrt. Das wirklich allerschlechteste Buch der Welt. Das Gerücht ist wahr! Es existiert!
Es ist so unglaublich schlecht, so irrwitzig blöde und unfassbar dämlich, so eklatant untalentiert, so monumental inkompetent, so komplett gescheitert, stilistisch so absolut dement und inhaltlich so irre scheiße, kurzum: so abgrundtief böse, dass man sofort begeistert herumspringen möchte. Eine papiergewordene Talsohle. Ein Kreislaufkollaps zwischen Buchdeckeln. Ein Bandsalat in Buchstaben. Ein spirituelles Minuszeichen.
Es versteht sich von selbst, dass ich hier weder Autor noch Titel nennen kann, denn das ist streng geheim und nur für interne Zwecke bestimmt. Ich werde die Preziose in einem abschließbaren Aktenkoffer und mit Sicherheitskette ums Handgelenk persönlich nach München ins Lektorat zurückbringen und zugegen sein, wenn sie in ein okkultes unterirdisches Geheimlabor verfrachtet wird, um sie genauestens zu untersuchen. Nach intensiven Forschungen und zu gegebener Zeit wird dann zur Pressekonferenz geladen: Das schlechteste Buch der Welt ist gefunden!

Frage: Herr Reitersmann, wie haben Sie das schlechteste Buch der Welt identifiziert?
Antwort: Nun, Herr Schnork-Büttenweiler, das Cover war verhältnismäßig unverdächtig, aber die Tinte roch faulig und das Papier war fahl und grobporig in seiner Konsistenz. Außerdem wuchsen Haare daraus. Dazu katastrophale Syntax und mehr als wunderliche Inhalte.
F: Das war doch bestimmt abenteuerlich. Hatte diese Entdeckung Folgen für Ihre unmittelbare Umgebung?
A: Die Katze hatte Darmblubbern und pinkelte auf die Küchentheke. Ich selbst musste zwei Tage lang ununterbrochen lachen, außerdem ging mir ständig ein abgewandeltes Zitat von Orson Welles durch den Kopf: Heutzutage möchte jeder Bücher schreiben, sogar mein saublöder Cousin Willi.
F: Wissen Sie denn etwas über den Autor?
A: Das sollte Ihnen vielleicht besser der Verlag beantworten. Nach meinen Informationen ist er ein amerikanischer Pastor.

1 Kommentar:

  1. (Hier ich schon wieder.) Das schlechteste mir bekannte Buch töte ich seit mehreren Jahren, beginnend mit der Deponierung unter einer undichten Stelle in der Dachkammer, die seitdem das Tröpfeln verweigert. Mittlerweile liegt es in geschätzt fünfzig Fragmenten über den Spitzboden verteilt und weigert sich, endlich zu vermodern. Seit kurzem sind es ein paar Stücke weniger, vielleicht haben die Dachdecker einige Seiten für Reparaturarbeiten verwendet. Welchen Rang es wohl auf der Weltschlechtestenliste einnimmt? Vermutlich ist auch sie streng geheim.

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