Hab immer noch Restmoleküle des Messdieners in mir. Karfreitag ist was Besonderes, dräuender Endpunkt eines nicht ganz unspannenden Prozesses. Karneval, Fastenzeit, Kreuzwegandachten. Zwischendurch wurde es Frühling. Die Knospen sprossen, die Hormone zuckten. Dann das „Klappern“ der Jugend während der Karwoche. Richtiggehend durchstrukturiert, eminent wichtig und wichtigtuerisch. Am Ende gab’s Eier als Honorar. Dann das mit Purpur verhängte Kruzifix. Ernst, dunkel, pathetisch, aber in gebannter Erwartung von etwas Geheimnisvollem. Man wusste ja, wie die Story ausgeht, aber gerade die jährliche Wiederholung machte den Reiz aus. Der autoritäre Priester wurde noch frommer und unausstehlicher. Einfach ducken und durch. Bloß nicht lächeln, keinesfalls furzen vorm Altar. Der nettere Priester wurde ernst und in sich gekehrt. Besser nicht ansprechen mit etwas Banalem. Damals am Altar in verteilten Rollen die Johannes-Passion gelesen. Der (nettere) Priester war Jesus, ein Freund von mir (ist heute Priester) las den epischen Text, ich gab alle anderen Figuren. Sehr wichtig: den bedeutsamen Pilatus-Satz „Was ist Wahrheit?“ richtig zu betonen.
Was ist Wahrheit?
oder
Was ist Wahrheit?
oder
Was ist Wahrheit?
keinesfalls jedoch:
Was ist Wahrheit?
Die jährlich wiederkehrende Diskussion über den Karfreitag als unbedingten Ruhetag ist mir heutzutage mächtig schnuppe. Ruhetag war es früher eigentlich auch nicht, war sogar eher stressig. Was sich allerdings keinesfalls ändern darf, ist das inflationäre Versenden von Jesus-Filmen im Fernsehen.
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