David Hockney hält seine Ansprache kurz. Tatsächlich sind alle Ansprachen nach fünfzehn Minuten durch. Das gab’s noch nie! Danach strömen die versammelten Massen in die buchstäblich große Ausstellung „A Bigger Picture“. Darin versammelt sind Landschaftsbilder sowie einschlägige Videoinstallationen des britischen (und lange Zeit wahlkalifornischen) Nationalheiligtums – inzwischen ein kleiner, gebückt gehender Opa wie der aus Pixars Up. (Danke an Frau K. für den Hinweis.)
Es ist eine Landschaftsmalerei, wie ich sie überhaupt noch nie gesehen habe. Yorkshire ist grell und magnetisch, fast wie ein anderer Planet und doch eindeutig von hier. Das Land glüht in eigenartiger Symmetrie. Es gibt Baumstümpfe, die aussehen wie Figuren aus der Muppets-Show. Derselbe Standpunkt zu unterschiedlichen Tages- oder Jahreszeiten eröffnet ein völlig anderes Motiv, eine komplett andere Interpretation. Oft ist das riesengroß am Stück, dann wieder wird eine ganze Landschaft zerlegt in Einzelteile und durcheinander gehängt.
Bei Hockney geht es zumeist um die Perspektive, wie mich fachkundige Menschen zwischenzeitlich aufklären, und die ebenso eklatante wie subtile Erweiterung derselben. Als äußerst gerissen erweist sich die Videokunst der Multifokus-Filme: Der Künstler lässt ein Auto im Schneckentempo über eine einsame Landstraße in einer Waldgegend fahren und rüstet den Wagen mit neun Kameras aus, die alle leicht zueinander verschoben sind. Zusammenmontiert ergibt das eine gigantische, gestochen scharfe HD-Videowand aus neun Bildschirmen, die ein Gesamtpanorama ergeben, wobei die Einzelteile jedoch durch die abweichenden Kamerapositionen nicht genau zusammenpassen und das, was ein einziges Bild sein sollte, auf verblüffende Weise zerlegt wird. Und das gleich an vier Wänden, viermal auf derselben Straße, im Frühling, im Sommer, im Herbst und im dicksten Winter. Dieser Raum der Ausstellung ist eine spektakuläre Meditation.
Zudem hat bei Naturwanderer Hockney der Skizzenblock ausgedient und wurde durch das iPad und die App „Brushes“ ersetzt. Die auf fünfzehnfache iPad-Größe aufgezogene Gemäldeserie „Yosemite“ lässt einen vor Ehrfurcht schier erschauern, während die zahllosen grellen Yorkshire-Idyllen aus dem Rechner so wirklich und authentisch sind, dass der Betrachter da schwer wieder rausfindet.
Landschaft, nix als Landschaft. Der kleine Naturfreund muss da unbedingt hin, um seine eigenen Beobachtungen in Wald und Flur mit denen des Künstlers abzugleichen. Kann er echt was lernen.
Sehr, sehr viele Leute bei der Eröffnung, die Promi-Dichte war aber eher mau. War mir egal bei dieser Art Kunst, hatte keine Augen für Promis. Im Vorbeigehen registriert wurden nichtsdestotrotz der Bruder von Heinz-Rudolf Kunze, die dickste Frau der Welt, das Mädchen mit dem steifen Hals, das Kind mit den blinkenden Elektroschuhen, der-Mann-den-sie-Storch-nennen sowie der legendäre Blonde-Koreaner-mit-der-Strickmütze.