Der Mann soll die Gattin abholen von einer Feier draußen im Llano Estacado, wo mitten in der Nacht nichts mehr fährt. Der Mann kennt sich im Llano Estacado nicht so gut aus, aber er denkt sich natürlich: „Wozu habe ich das Navi?“
Als der Mann die Straße runter im dunklen Auto sitzt, das Gerät eingestöpselt hat und die Adresse eingeben will, ist das Gerät allerdings tot wie ein Roland-Emmerich-Film. Was ist das jetzt? Zu spät, der Sache auf den Grund zu gehen. Mann beißt die Zähne zusammen und fährt einfach los in die ungefähre Richtung des Llano Estacado. Er war zwar nie Pfadfinder, dafür aber Messdiener und verfügt demzufolge über einen Draht zu den himmlischen Thronen und Mächten. Die Throne und Mächte sind jedoch offenbar ihrerseits gerade auf einer Feier und schütten sich mit Messwein zu, denn es zeigt sich, dass die allerwichtigste Autobahnauffahrt, der einzig sinnvolle Weg hinaus aus dieser urbanen Wirrnis und in Richtung Llano, schlichtweg zugenagelt ist und die Umleitungshinweise so scheiße und klitzeklein und dunkel sind, dass der Mann einfach geradeaus fahren muss, immer weiter hinein in die stockdunkle Walachei, und die liegt bekanntlich in der Gegenrichtung des Llano Estacado. In der Hoffnung, irgendwo auf einen Umleitungshinweis zu stoßen, fährt der Mann stur weiter bis fast nach Hoboken/New Jersey, ehe er sich am Brennholzstapel zum Wenden entschließt, um wieder die ungefähre Richtung des Llano einschlagen zu können.
Die himmlischen Throne und Mächte haben ihre Feier inzwischen beendet, und nicht alle von ihnen sind besoffen. Der Mann findet sich urplötzlich wieder auf genau dem richtigen Autobahnkreuz und wählt am Viehpferch die genau richtige Abfahrt. Im Himmel schauen ihm inzwischen die paar nüchtern gebliebenen Throne und Mächte zu und sind sich offenbar uneins. Die Pro-Fraktion lenkt ihn nach einigen staubigen Kilometern am Versammlungshaus der Quäker auf die exakt richtige Abfahrt und in Richtung des Llano Estacado. Es gibt hier offenbar nur eine Straße. Die Contra-Fraktion sorgt jetzt jedoch dafür, dass das lauschige Zielörtchen, dieses vornehmliche Kuhkaff, das sich um eine einsame Ranch herum gebildet hat, deutlich komplexer ausfällt als gedacht. Es ist eine gottverdammte Stadt, wer hätte das gedacht, so weit draußen im Llano? Der Mann gondelt eine Zeitlang verwirrt von nächtlicher Straße zu nächtlicher Straße, von Allee zu Allee, von Prachtboulevard zu Prachtboulevard, wird vom Saloon aus sogar beschossen. Er tangiert das verrufene Hafenviertel, wird von einer Gang gejagt, die scharf ist auf seinen Kleinwagen, wendet diverse Male und ringt bei der Seniorenresidenz kurz um Atem, ehe die Pro-Fraktion die Contra-Fraktion mit alten Nackfotos von Burt Reynolds ablenkt und den Mann und sein Auto exakt da, aber wirklich exakt da!, platziert, wo die beiden hin wollen. Der Zielpunkt, den der Mann auf seinem Navi eingegeben hätte, sofern es denn funktionieren würde, ist übrigens eine Kirche. Als er aussteigt, erschallt von hinter dem verschlossenen Kirchenportal ein einzelnes, aber mehrstimmiges „Hosianna!“.
Mann läutet am Haus mit der Feier und holt Gattin ab, nur unwesentlich zu spät: „Sorry, Navi ist tot.“ Rückweg kein Problem. Mann kennt den Llano Estacado ja jetzt.
Zurück in der Wohnung und unter hellem Licht, entdeckt der Mann unten am Navi einen ihm bislang gänzlich unbekannten Schalter mit „Off – On“. Der Schalter ist im Grunde widersinnig, denn wenn man das Gerät herunterfährt – also nicht bloß auf Stand-by –, dann ist es ganz aus. Warum also dann noch einen Schalter dafür anbringen? Und dieser Schalter stand natürlich auf „Off“, obwohl das zuvor noch nie der Fall gewesen war. Mann korrigiert sich: „Navi ist doch nicht tot.“
In Zukunft vertraut er doch lieber der Pro-Fraktion.