Ich weiß nicht mehr genau, wann das war, entweder kurz vor dem Abitur oder unmittelbar danach. Rund um 1985/86. Mein Schulkumpel Volker und ich trafen uns, angetrieben von unserem Musikenthusiasmus, zu Sessions. Volker kam aus dem Melodic Rock und wandelte sich zum Freund des innovativen Pop Marke Philip Boa & The Voodoo Club, später zum deftigen Punk (EA80). Er hatte einen jüngeren Bruder, der Heavy Metal bevorzugte und eine Riesenplattensammlung besaß, der Volker ebenso teilhaftig wurde. Ich wiederum kam aus dem Progressive Rock, dem Post-Punk und Psychedelia/Space Rock und schrieb, scheiße ja, Gedichte. Schlechte Gedichte, möchte ich hinzufügen. Für eine gewisse Bandbreite war also gesorgt, und damals in Volkers Jugendzimmer konnten wir blassen Blindschleichen die Dinge wunderbar analysieren und herrlich klugscheißen. Nur wie man selbst Musik machte, davon hatten wir keine Ahnung. Dem sollte abgeholfen werden. Volker war der Kopf, der Theoretiker, derjenige, der sich mit Noten und Musiktheorie auseinandersetzte. Er kaufte sich ein Keyboard und studierte es regelrecht. Sein Vater war damals Hallenwart der Turnhalle des Trierer Post-Sport-Vereins, und unser Übungsraum war somit schnell gefunden. Ein Raum mit großartiger Akustik. Ich brachte meine Mandoline mit, Volker war völlig verblüfft, wie schnell und melodiegeil ich auf dem Ding war, obwohl ich zu Hause im Verein bestenfalls Mittelmaß darstellte. Volker aktivierte neben dem Keyboard noch seine Akustikgitarre, und wir bauten mir ein improvisiertes Schlagzeug, das aus einigen professionellen Trommeln bestand und ansonsten aus Büchsen, Konservendosen und leeren Waschmittelgroßpackungen („Dash“). Die Drumsticks waren große, massive Bleistifte, Touristensouvenirs aus irgendeinem Bayernurlaub mit den Eltern, die ziemlich gut zu gebrauchen waren als Trommelstöcke. Und dann improvisierten wir, und Volker nahm unser Geschepper auf Band auf. Manchmal sang er meine oder eigene Texte. Er war kein guter Sänger. Ich selbst traute mich das nicht mal. Es ging eine Zeitlang, bis irgendwer keinen Bock mehr hatte, im Zweifelsfall ich. Vermutlich deshalb, weil die Post-Sport-Turnhalle selten von Groupies frequentiert wurde. Volker hingegen blieb mit Feuer bei der Sache, ersetzte das Keyboard irgendwann durch eine Bassgitarre und studierte nun dieses Instrument. Als ich es mal spielen durfte, war er überrascht, welch schnelle Läufe ich darauf absolvieren konnte, obwohl ich gar nicht wusste, was ich da spielte. Dilettantismus in seiner reinsten Form.
Volker ließ die Provinz dann hinter sich, wurde punkig und ging nach Hamburg ins Schanzenviertel, wo auch schon sein Bruder war. Regelmäßig kehrte er zurück und berichtete von seinen Ambitionen und neuen Kumpels, mit denen er jetzt Musik mit linken Inhalten machte. Ich erinnere mich an einen Songtitel von ihm: „Wolfgang-Schäuble-Blues“. Ja, Schäuble war nämlich schon mal Innenminister. Volker und sein Kumpel hätten eine Art frühes Drum’n’ Bass-Polit-Projekt am Start, berichtete er, und er hätte dem Kumpel, Schlagzeuger, mal unsere Sessions von damals vorgespielt, woraufhin der Kumpel hellauf begeistert gewesen sei von meinem Schlagzeugspiel auf all den Dosen und Büchsen. Es fielen Worte wie „geniale Spontaneität“ und „Jazzrock“. Ich wurde also von Hamburger Kunst- und Stilwilligen zu Kunst erklärt und musste dabei peinlich berührt lächeln. „Volker, ich hatte doch keine Ahnung, was ich da tat.“ Nichtsdestotrotz trommele ich noch heute manchmal beim Fernsehgucken auf der Bettkante einen Rhythmus und finde, dass ich ihn ganz gut halten kann. Vermutlich bin ich ein nie kultiviertes Naturtalent, das zu schnell den Bock verlor. Volker und sein Hamburger Kumpel jedenfalls nannten sich bald darauf Waldorf & Statler und brachten es mit ihrer No-Style-Schrulligkeit zu gewisser Szene-Aufmerksamkeit sowie einer Split-Single zusammen mit Kante, einer aufstrebenden Band der Hamburger Schule, die sogar eine mittelgroße Nummer wurde. Hörten sich für mich immer ein bisschen nach Sonic Youth an.
Volker ließ die Provinz dann hinter sich, wurde punkig und ging nach Hamburg ins Schanzenviertel, wo auch schon sein Bruder war. Regelmäßig kehrte er zurück und berichtete von seinen Ambitionen und neuen Kumpels, mit denen er jetzt Musik mit linken Inhalten machte. Ich erinnere mich an einen Songtitel von ihm: „Wolfgang-Schäuble-Blues“. Ja, Schäuble war nämlich schon mal Innenminister. Volker und sein Kumpel hätten eine Art frühes Drum’n’ Bass-Polit-Projekt am Start, berichtete er, und er hätte dem Kumpel, Schlagzeuger, mal unsere Sessions von damals vorgespielt, woraufhin der Kumpel hellauf begeistert gewesen sei von meinem Schlagzeugspiel auf all den Dosen und Büchsen. Es fielen Worte wie „geniale Spontaneität“ und „Jazzrock“. Ich wurde also von Hamburger Kunst- und Stilwilligen zu Kunst erklärt und musste dabei peinlich berührt lächeln. „Volker, ich hatte doch keine Ahnung, was ich da tat.“ Nichtsdestotrotz trommele ich noch heute manchmal beim Fernsehgucken auf der Bettkante einen Rhythmus und finde, dass ich ihn ganz gut halten kann. Vermutlich bin ich ein nie kultiviertes Naturtalent, das zu schnell den Bock verlor. Volker und sein Hamburger Kumpel jedenfalls nannten sich bald darauf Waldorf & Statler und brachten es mit ihrer No-Style-Schrulligkeit zu gewisser Szene-Aufmerksamkeit sowie einer Split-Single zusammen mit Kante, einer aufstrebenden Band der Hamburger Schule, die sogar eine mittelgroße Nummer wurde. Hörten sich für mich immer ein bisschen nach Sonic Youth an.
Tja, Volker antwortet heutzutage irgendwie nicht mehr auf Zudringlichkeiten alter Trierer Kollegen. Will ich ihm nicht verübeln, dennoch ist es schade. Sobald man in die Retrospektive fiele (und das machen Kerle unseres Alters unablässig), gäbe es wirklich einiges zu lachen.
"Und wir tanzten bis zum Ende zum Herzschlag der besten Musik - das war vor Jahren." (Fehlfarben)
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