Mittwoch, 24. Oktober 2007

Sprachstudien

Gestern abend lief im ZDF die „37 Grad“-Reportage. Es ging um Menschen, die „keine(n) abgekriegt“ haben und beziehungslos geblieben und zum Teil auch im Alter von Ende 20 oder Mitte 30 noch Jungfrau sind. Ich fand es lustig, wie einer der männlichen Porträtierten versuchte, sprachlich um den Begriff Masturbation herumzulavieren. Er sprach von „Hand an sich legen“ oder „Beschäftigung mit sich selbst“. Man kann so etwas natürlich auch anders ausdrücken, und es weckt den Ehrgeiz des Sprachforschers. Eine kleine Netz-Recherche brachte hinlänglich Bekanntes, aber durchaus auch Verblüffendes zutage, hier allein bezogen auf das männliche Geschlecht:
Fünf gegen Willi spielen; die Anakonda würgen; dem Arbeitslosen die Hand schütteln; Banane schälen; bommeln; den Beppo hetzen; den Säbel schleifen; die Wurst pellen; Ein-Mast-Segeln; am elften Finger ziehen; die Fleischpeitsche polieren; die Gurke rütteln; den Handpanzer fahren; Hansi auswringen; den Kaspar schneuzen; die Einhandflöte spielen; Solo auf der Teufelsklarinette; den Schimmel von der Palme schlagen; den Lurch würgen; Manuela; Mütze-Glatze spielen; die Pelle wemsen; die Pfeife ausklopfen; den Zyklop zum Weinen bringen; mit Frau Faust ausgehen; dem Außenminister die Hand schütteln; einen Termin bei Dr. Schlacker haben.

Freitag, 19. Oktober 2007

Käffchen

Gestern waren der kommende Bestseller-Autor Frank Jöricke und ich ein Käffchen trinken. Er hatte einen geschäftlichen Termin in Köln, und da trifft man sich doch gerne mal. Fahre zum Neumarkt, um zwischen schicken asiatischen Strichjungen und verruchten Bars den Friesenwall hochzuflanieren bis zum Gerling-Areal mit seinem „ornamentlosen Monumental-Klassizismus“ – und seinen geschniegelten Anzugträgern, die die Gegend dominieren. Man kommt sich, unrasiert und in Cord-Jeans-Jacke, beinahe schäbig vor. Und benötigt eine Dreiviertelstunde, um den ganzen Block zu umrunden. Es war gestern zum ersten Mal dieses Jahr richtig kalt, und um Gerling herum ist es im Allgemeinen noch kälter. Ich stand ein bisschen vor dem Treffpunkt herum und ließ mich von einem kleinen Hund, irgendsoein Rauhhaarpinscher, anbellen, den eine Autofahrerin in ihrem BMW zurückgelassen hatte. Ich bellte zurück, aber ganz leise, damit Passanten mich nicht für einen Vollidioten hielten. Das Bistro war eines, das echt italienische Kaffeekultur servierte: Ohne Milch im Gesöff stirbt man den sofortigen Herztod. Wir waren mehr oder weniger allein und konnten in Ruhe über gemeinsame Bekannte und die Dorftrottel lästern. Der Autor schnorrte eine Zigarette und spendierte dafür den Kaffee.
Er hatte zwei Tage zuvor seine erste Lesung in der Heimatstadt, und die Leute zeigten sich überrascht, dass er seinen Roman nicht bei einem Regionalverlag publizierte, sondern draußen in der großen weiten Welt – in Münster. Also, so die vorherrschende Meinung, muss das Buch etwas Besonderes sein, wenn welche außerhalb Triers es gut finden. Meine Lebensgefährtin nahm meine Abwesenheit zum Anlass, fraglichen Roman nun endlich mal von hinten bis vorne komplett zu lesen. Als ich zurückkehrte, quiekte sie noch vergnügt. Danach schauten wir gemeinsam „Frauentausch“ auf RTL 2 und diskutierten dumme Menschen aus.
So, das war mein Tag …

Donnerstag, 11. Oktober 2007

Gebührenfinanziert

Als Mitte September das Bundesverfassungsgericht die Begrenzung der TV-Gebühren durch die Länder für unzulässig erklärte, jubelte WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn in den Tagesthemen und tat beinahe so, als ginge aus seinem Hintern gerade die Sonne auf. Er gab das übliche Blabla von sich und machte seinen Verein für kontrollierte Blähungen zum bedeutsamen Bestandteil des planetaren Gefüges. Die öffentlich-rechtlichen Sender seien in ihrem Informations- und Bildungsauftrag gestärkt worden, während das dumpfe U-Fernsehen weiterhin den Privaten überlassen bliebe. Für die Zuschauer bedeutet dies natürlich baldige Gebührenerhöhungen, aber als Gegenleistung werden sie dafür von der ARD schlau gemacht.
Wie Herr Schönenborn sich diesen Bildungsauftrag vorstellt, konnte man soeben in „Pilawas großes Geschichtsquiz“ bewundern. Hier wurde jedes noch so niedrige Privatfernsehniveau mit einer imponierenden Mühelosigkeit unterschritten. Ein dummer Moderator befragt saudumme, möglicherweise sogar betrunkene Promis zu Skurrilitäten der Weltgeschichte, vorgestellt in Einspielfilmchen, in denen Wesen wie Mirja Boes oder Guido Cantz historische Figuren darstellen oder Blähbacken wie Nina Ruge geschichtliche Spekulationen zum Besten geben dürfen. Die letzte Ptolemäerin Kleopatra VII., die mit dem Rücken zur Wand für die Autonomie des letzten hellenistischen Königreichs kämpfte, wird von Mirja Boes verkörpert, einer Person, die in Discos auf Mallorca selbstreferentielle Lieder über Saufen und Ficken oder so was grölt. Zusammengestellt wurde dieses ganze Zeug von einer Redaktion, die von den öffentlich-rechtlich vorgeschriebenen siebeneinhalb Arbeitsstunden offenbar sechs mit Klebstoffschnüffeln verbringt. Der Rest ist ohnehin Mittagspause.
Natürlich ist das alles Etikettenschwindel. Es hat mit „Geschichte“ nichts zu tun, sondern ist dumpfes Entertainment von ganz unten, das nicht etwa bildet, sondern sich im Gegenteil die Ergebnisse der Pisa-Studie aneignet: Bloß nicht zu anspruchsvoll, sonst ist irgendwer möglicherweise überfordert und schaltet zu „Alarm für Cobra 11“.
Das Promi-Siegerteam, also dasjenige Paar, das am häufigsten aus Versehen die richtige Lösung gedrückt hat, kriegt aus unseren Gebühren 10.000 Euro, die dann einem Kinderhospiz gespendet werden. Warum überweist die ARD nicht gleich 10.000 Flocken, plus die stattlichen Produktionskosten dieser Prime-Time-Megascheiße, an die sterbenden Kinder und sendet stattdessen zwei Stunden Testbild? Also, ich hätte da durchaus Verständnis für.