Montag, 30. November 2009

Robert Holdstock RIP

Robert Holdstock ist gestorben. Mit schlaffen 61 und an den wahrscheinlich vermeidbaren Folgen einer Bakterieninfektion.
Er war umtriebig, auch unter Pseudonym, aber im Zentrum seines Schaffens steht unverrückbar die Ryhope Wood-Serie. Eine wirklich sehr eigenartige Angelegenheit zwischen Fantasy, Schauerphantastik und C.G. Jung, die in den späteren Bänden etwas auszufasern drohte. Genauso wie die verwandte Merlin Codex-Trilogie. Dennoch kommt der erste Band von 1984, Mythago Wood (Mythenwald), nach wie vor einem Gongschlag gleich und bedeutete mir persönlich damals viel. Geschichten über die Genese von Geschichten, Mythologeme als sich verselbständigende Symbole, die Wirklichkeit unter der Wirklichkeit. Holdstock schuf neue Archetypen, indem er die alten zu einem Kuraufenthalt im gespenstischen Ryhope Wood zwang. Und dann wird der Leser auf nahezu hypnotische Weise hineingelockt in den Geisterwald, der zugleich das kollektive Unterbewusste ist und voller mythischer Echos vom Anbeginn der Zeit, und spiralförmig immer tiefer und tiefer ins Unvorstellbare gesogen. Nicht ganz geheuer und definitiv staunenswert.

Samstag, 21. November 2009

Durchschnitt

Jetzt ist es raus: Wir sind ein durchschnittlicher, mediokrer, systemstabilisierender Allerweltshaushalt, staatshörige Mustertrottel und brave Statistikbürger.
Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sich schon wieder der Mikrozensus zwecks Umfrage angekündigt hat. Das letzte Mal haben unsere Daten offenbar derartige Begeisterung bei den Statistikern ausgelöst, dass sie ihren Befrager noch mal herschicken.

Donnerstag, 19. November 2009

Zwiebelbaguette

Der verschlafene Plus um die Ecke wurde zu Netto. Zwei Wochen Umbaupause, Neueröffnung heute. 10% Rabatt auf alles. Als leidenschaftlicher Konsument habe ich diesem Datum entgegengefiebert und nach dem Aufwachen mal den Kundschafter gemacht, wohlwissend, dass heute allerhand Menschen in den einst so meditativen Laden strömen werden.
Ist nicht ganz so schlimm, aber mit dem Einkaufswagen hat man tatsächlich Probleme, an den Konsum- und Sparwütigen slalomtechnisch vorbeizuwedeln, denn in allen Gängen und an allen Ecken stehen die Billigheimer herum, studieren die Preise und rechnen in Gedanken 10% ab. Nix mehr mit Meditieren, man muss auf Gegenverkehr achten, den es früher nie gab. Wegen des größeren Warenangebots ist es zudem enger als früher. Mehr Regale, höhere Regale, Regalschluchten, in die niemals die Sonne scheint. Und beim Umkurven derselben brettert man garantiert in eine Oma mit Rollator, eine Großfamilie mit Migrationshintergrund oder einen WDR-Redakteur. Also parke ich den Wagen in einem lauschigen, unentdeckten Eckchen, wo er niemanden behindert, und mache mich zu Fuß an die Aufgabe, Übersicht über die neuen Standorte der Produkte zu gewinnen. Ziel ist die Erstellung einer Mind Map, damit ich schon beim nächsten Einkauf nicht gar so hilflos herumirre.
Die Produktpalette ist größtenteils die gleiche, jedoch mit mehr Variationen und einigen signifikanten Änderungen. Viel mehr Auswahl an Maggi-Kochstudio-Tüten! Ab jetzt auch wieder Getränkekästen! Ein Pfandautomat! Frische Backwaren in Frischhaltefächern!
Unglaublicherweise thront dort ganz oben ein frisches Zwiebelbaguette, das letzte seiner Art. Ich merke erst bei diesem Anblick, wie sehr ich Zwiebelbaguette vermisst habe. Zwiebelbaguette. Paradiesisch. Um diese neue Backwarenauslage hat sich seltsamerweise eine Traube Hostessen in schwarzen Kostümen und mit Klemmbrettern versammelt, offenbar eine Abordnung aus der Netto-Zentrale, die den Eröffnungstag analysiert. Als ich nach dem letzten Zwiebelbaguette greife, schaltet sich eine blonde Hostess ein und informiert mich, dass es sich um Zwiebelbaguette handelt. Ich stutze, sage freundlich danke und dass das ja dran stünde und ich mir demzufolge dessen absolut bewusst sei. Außerdem sehe ich ja die geilen kleinen Röstzwiebeln durch die Kruste schimmern. Ja, eindeutig Zwiebelbaguette. Ich blicke sie finster an, um klarzustellen, dass dies nun mein Zwiebelbaguette ist, komme, was da wolle. Wer weiß, vielleicht will die Tussi das Zwiebelbaguette ja für sich selbst. Sie meint zur Erklärung, manche würden nicht auf Anhieb verstehen, dass es sich um ein Zwiebelbaguette und nicht um ein normales Baguette handelt – das läge nämlich hier drüben -, und man wolle ja nicht, dass der Kunde gleich am ersten Tag Grund zur Beschwerde hätte. Ich atme erleichert durch und entspanne die geballte Faust in der Jackentasche.
Eigentlich wollte ich heute bloß mal kundschaften, aber der Wagen ist in Nullkommanichts voll. An der Kasse scannt die Fachkraft die Brechbohnendose aus Versehen zweimal ein und gerät angesichts der neuen Software in Panik, aber zum Glück ist „Frau Baum“ da, offenbar Chefin der Hostessentraube und nebenberuflich Softwarespezialistin, denn sie kommt sofort aus ihrer Warteposition im Eingangsbereich angerauscht und bereinigt das Problem auf dem Touchscreen.
Kann ein Kundschafter zufriedener sein?
So, und jetzt zu dir, mein geiles Zwiebelbaguette …

Freitag, 13. November 2009

In meinem Außenspiegel wohnt eine Spinne

Schon seit dem Frühjahr ist der Außenspiegel auf der Fahrerseite architektonischer Mittelpunkt eines Spinnennetzes, das sich sowohl davor wie auch dahinter und darüber und darunter erstreckt. Man kann das Ding so oft wegmachen, wie man will, kurz darauf ist es wieder da. Die Erbauerin indes hielt sich stets bedeckt.
Nun habe ich sie kennengelernt. Auf der A1 kurz vor der Ausfahrt Nettersheim. Sie wohnt in dem Schlitz zwischen dem Spiegel und dem ihn umgebenden Gehäuse und kam heraus, um womöglich wieder ein Netz zu bauen. Bei 150 km/h. Natürlich bekam das Spinnentier nun ein Problem mit dem Fahrtwind. Schlacker, schlacker, zappel, zappel in hoher Frequenz. Würde kein Mensch überstehen, sowas. Ich machte mir ernsthaft Sorgen, denn es sah so aus, als würde sie jeden Moment weggeweht und dem gerade überholten Lastwagen direkt in den Kühlergrill fliegen. Ich fuhr etwas langsamer, aber es half nicht viel. Schließlich machte sie sich schlackernd und zappelnd ganz langsam und unter größten Gegenwind-Anstrengungen auf den Weg zurück zum Schlitz und ins sichere Gehäuse. Es war nicht viel los auf der Straße, und ich konnte es mir erlauben, sie bang zu beobachten und hysterisch anzufeuern. Schließlich fanden ihre Beinchen Griff und sie brachte auch den Rest des Körpers zurück ins sichere, stabile Dunkel.
Ich weiß gar nicht, wo sie seinerzeit aufgesprungen ist, ob sie eine Kölner Spinne oder eine Dorfspinne ist. Sie selbst betrachtet sich vermutlich als kosmopolitische Spinne mit exklusivem Hochgeschwindigkeits-Penthouse.

Donnerstag, 12. November 2009

Kommt Herbst, kommt TÜV

Es ist mal wieder TÜV-Zeit. Immer im Herbst, wenn man ohnehin schon depressiv ist. Wir erinnern uns: Vor zwei Jahren kam die skandalöse Nachricht von regelrecht fatalem Rostfraß an den hinteren Rahmenträgern, und das bei einem eigentlich guten, gepflegten Auto. Die Kfz-Mechaniker vom zuständigen Autohaus meinten „Also, normal ist das nicht“ und veranschlagten mal eben 2000 € Reparatur. Wir fuhren das Auto in eine andere Werkstatt, und der Russe dort stellte nach durchgeführter Reparatur und erfolgreicher TÜV-Abnahme etwas mehr als 350 € in Rechnung. Diesmal ging es also direkt zum Russen. Ja, der Rostfraß ist seitdem weitergegangen, was der gute Mann zum Anlass nahm, sich mit Herzblut der Sache anzunehmen. Ein paar Euro mehr als vor zwei Jahren, mag schon sein, aber es ist gut, wenn man auf die Frage „Hält das denn jetzt noch zwei Jahre?“ eine Antwort bekommt wie „Ach, määhhrr, viel määähhhrrr!!“
Er trübte das Vergnügen allerdings durch die Feststellung, die Kupplung sei nicht mehr die allerjüngste. Wieviel er ihr noch gibt? 50.000 Kilometer, sagt er. Angesichts meiner Fahrleistung entspricht das also auch „viel määhhrr“ als zwei Jahren. Na, dann sehen wir uns vorerst mal in zwei Jahren wieder.

Samstag, 7. November 2009

Kompliziert

Ich neige nicht zu Beschwerden. Die Dinge sind meistens kompliziert, die Leute können nichts dafür und tun es auch selten aus böser Absicht. Manchmal ist jedoch ein Hinweis nötig. Wenn zum Beispiel der neue Briefträger bei solchen Sendungen, die zu groß für den Briefschlitz sind (Maxi-Briefe, Päckchen), grundsätzlich Benachrichtigungskarten einwirft, statt zu klingeln. Ich habe diese Person noch nie zu Gesicht bekommen, weil sie eben niemals klingelt, sondern stets heimlich vor der Haustür Karten ausfüllt. Man hat gar keine Chance auf eine ordnungsgemäße Zustellung, was mich umso furioser macht, da ich täglich den Sprint zur Haustür trainiere und inzwischen bei deutlich unter zehn Sekunden angelangt bin, ohne auch nur angestrengt zu wirken. Der Atem geht flach, das Haupthaar sitzt, die Unterschrift ist stets lesbar. Da bin ich nicht wenig stolz drauf.
Nun allerdings darf ich schlimmstenfalls alle zwei Tage meinen Arbeitsrhythmus unterbrechen, zur Postfiliale in den WDR-Arkaden juckeln und mich anstellen, um die Sendung abzuholen. Für die notorisch späte Auslieferungszeit und die Tatsache, dass die Sendungen nicht zur nächstgelegenen Filiale gebracht werden, sondern mitten in die Innenstadt, mache ich die Zustellperson nicht verantwortlich, denn daran sind vermutlich Dienst- und Routenpläne und interne Dinge schuld.
Also habe ich mich wegen dieser Zustelltaktik online beschwert und den Sachverhalt geschildert. Kurz darauf erhalte ich ein Schreiben von DHL, in dem man sich entschuldigt und Besserung verspricht. „Die relevanten Organisationseinheiten (sind) involviert.“
DHL? Ich sprach nicht von unserem Paketboten, sondern vom Briefträger. Unser derzeit zuständiger DHL-Mann ist der beste und netteste DHL-Mann auf der Welt, ein Ausbund an Kompetenz, Schnelligkeit und Freundlichkeit, einer, mit dem man durch Dick und Dünn geht. Ich bin entsetzt. Wehe, ihr Torfnasen gebt dem eins auf den Deckel!
Also schnell eine Mail an die unpersönliche Adresse auf dem Briefbogen und noch mal den Sachverhalt geschildert. Es geht um den Briefzusteller, nicht um meinen heiligen DHL-Kumpel!
Wie gesagt, die Dinge sind meistens kompliziert.

Montag, 2. November 2009

WFA

O je, wie peinlich. Ich habe einen der beiden diesjährigen World Fantasy Award-Gewinner hier schon seit fast einem Jahr herumliegen, ganz unten im Stapel "Bitte begutachten", aber ich kam nicht dazu. Na ja, manchmal wirkt der WFA wie ein Arschtritt.
Nachtrag zehn Tage später: Wird in Deutschland kein Aas interessieren. Mich übrigens auch nicht so brennend ...