Dienstag, 27. März 2012

Fast Food, Slow Food

In der neuen, hippen, nachhaltig wirtschaftenden Burger-Braterei wartet man abends fast eine Stunde auf seine Bestellung. Im Stehen. Wir bewegen uns hier also in einem schönen Spannungsfeld zwischen Fast Food (Anspruch) und Slow Food (Wirklichkeit). Man sollte hingehen, bevor man Hunger bekommt. Der wird sich während des Wartens dann garantiert einstellen. Ein Klapphocker könnte auch eine gute Investition sein. 
Hip und rustikal, schöne Location, sie schuften am Grill wie die Irren und nennen einen zwanghaft beim Vornamen. Könnte sich, bei derartigen Wartezeiten und gelegentlichem Sardinenbüchsen-Charme, als Kontaktbörse etablieren. Die Kundschaft besteht allerdings aus älteren, beleibten Ich-esse-ausschließlich-Fleisch-Typen und schlanken, MP3-berieselten Szenehühnchen mit Storchenbeinen („ein Veggie-Burger ohne Zwiebeln und Soße“). Und die geben traditionell keine schönen Paare ab. 
Die Fritten sind ausgezeichnet, der Burger ist, wie so’n Ami-Burger außerhalb der Ketten nun mal ist: robust. Aber auch nicht so spektakulär, dass man jetzt mit seinem Klapphocker dauernd hinrennen und den halben Abend da verbringen müsste.

Samstag, 24. März 2012

Annamateur & Außensaiter: "Screamshots"

Die Bühne ist dunkel, zu hören ist ein musikalisches Brodeln, ein psychedelisches oder free-jazziges Sequencer-Brummen und Grollen, aus dem Geräusche werden, Wortfetzen gar und schließlich die Schöpfungsgeschichte: „Am Anfang – wabba dong! Wabba dabba dong!“ 
Nachdem dieses programmatische Intro verklungen ist und der Overhead-Projektor eingeschaltet, haben wir es zu tun mit einer recht beleibten Grundschullehrerin, die sich von Frau Knüppelkuh eigentlich nur durch ihre wirre Lockenpracht unterscheidet. Verblüfftes Gelächter im Publikum, ein bisschen unsicher auch. Keiner weiß, was kommt. Geborgen fühlt man sich keinesfalls, denn die Lehrerin brüllt: „Ruhe! Ich warte so lange, bis auch der Letzte sich beruhigt hat!“ Es folgt eine Lektion in Malen nach Zahlen auf dem Overhead, eine Farbe steht zur Verfügung: schwarz. Die gestrengte Lehrerin zeigt beim Ausmalen eines Quadrats unerwartete Einblicke in ihre emotionale Verfassung und unterstützt jeden Strich durch orgasmisches Stöhnen. „Nicht über den Rand malen!“ Und natürlich: „Wenn ich schimpfen muss, tut das mir mehr weh als euch!“ 
Nach und nach löst sich die furchteinflößend komische Lehrerin-Persona auf und artikuliert sich in Gesten, Texten und Liedern als gewaltiger, wogender Neurosenstrang, in dem so ziemlich jede neumodische Neurose verkabelt wurde. Der Abend wird zu einem absurden Überblick über die Epoche des Ritalin, und die Lyrik springt mit besonderer Leidenschaft im Spannungsfeld zwischen Konformität und Unangepasstheit herum. So sieht das offenbar aus, wenn Menschen unter Anpassungsdruck und ständiger ADHS-Angst auseinanderbrechen. 
Annamateur, das ist die Jazz-Chanteuse Anna Maria Scholz, und als die Außensaiter fungieren ihre beiden „Purzel“, Samuel Halscheidt an der Gitarre und Christoph Schenker an Cello und Bass. Alles Leute, die das, was sie tun, gelernt haben. Das merkt man. Allein Halscheidts und Schenkers musikalisches Duett ungefähr in der Mitte des Programms ist den ganzen Abend schon wert. Was da an Tempo, Dynamik und motivischen Assoziationen auf einen niederkracht, ist gewaltig. Fast ein bisschen King Crimson mit Bluegrass-Spritzern.
Aber im Zentrum steht natürlich die Wuchtbrumme. Frau Scholz weiß ihre Gewichtigkeit zu absurdesten Effekten einzusetzen, tanzt manisch, wischt mit Ganzkörpereinsatz den Boden, als zöge sie Bahnen im Schwimmbad, und zieht sogar (fast) blank. Sie macht sich für uns zum Narren und provoziert peinlich berührtes Gelächter. Normalerweise schauen wir da weg und gehen weiter, aber hier haben wir ja dafür bezahlt. Dann aber schleudert sie uns fast übergangslos in Sphären tragischer Melancholie, Schönheit und assoziativer Lyrik, ehe sie als Zugabe André Rieu als Sportpalast-Event inszeniert und uns allen die Spucke wegbleibt.
Annamateur & Außensaiter rangieren bisher unter „ewiger Geheimtipp“. Die Comedia war bei weitem nicht ausverkauft. Das muss sich ganz dringend ändern.

Freitag, 23. März 2012

Luftanhalten zwecklos

2012 wird in die Annalen eingehen als das „Jahr der Wampe“. Mir wächst da ein beachtliches Exemplar, wie ich feststelle, und es lässt sich durch Luftanhalten nicht mehr gänzlich kaschieren. Man(n) sollte sich also daran gewöhnen und wieder frei atmen, statt aus purer Eitelkeit mit Sauerstoffmangel im Hirn durch die Gegend zu rennen.
Das Profil vorm Ganzkörperspiegel ist jedenfalls nicht mehr ganz meins. Seit neulich haben sich laut Waage drei Kilo hinzugesellt, und die wurden mitnichten in sexy Muskelmasse investiert. Beruhigend ist immerhin, dass die Wampe noch recht fest und stramm ist. Beim Draufklatschen mit der flachen Hand schwabbelt sie nur unmerklich nach. Ein Bierglas kann man auch noch nicht draufstellen. Das wurde vorm Spiegel getestet, und das Glas zerschmetterte auf den Badezimmerfliesen. Zum Glück war es leer.
Aus ästhetischen Gründen verzichte ich an dieser Stelle auf Nacktfotos.

Dienstag, 20. März 2012

Gartenpflege

O Zeichen, o Wunder! Die polnischen Hausmeistergehilfenjungs haben draußen „Gartenpflege“ betrieben und das Laub von vier Jahrhunderten gefegt und gerecht. Und das Allerbeste: Sie haben es nicht in die Mülltonne gestopft (die war ohnehin voll), sondern in Säcken abtransportiert. Sie haben sogar die Treppe zur Souterrain-Wohnung gefegt, was dem Mieter dort endlich wieder den Zugang zu seinen Räumen ermöglicht. Er schlief bisher abwechselnd entweder in der Mülltonne oder unter den Fahrrädern bei den Eichhörnchen, weil das Laub ihm den Weg in seine vier Wände versperrte. Selbst fegen wollte er offenbar nicht, denn „Gartenpflege“ ist ja in den Nebenkosten enthalten. Recht so. Ein Mann muss Prinzipien haben. 
Sie haben zudem den ans Mäuerchen angelehnten Weihnachtsbaum von 1817 entsorgt, die Hanf-Plantage gegossen, die irgendwer hinter den Fahrradständern angelegt hat, ausgiebig den Redwood-Baum bewundert, der seit circa 1420 unbemerkt da wächst, das Schilfgras gestutzt, den Pferdekadaver entsorgt, die Eingänge zu den Erdmännchentunneln freigelegt und die Bewohner gefüttert. 
Ich fürchte nur, dass der Posten „Gartenpflege“ in der NK-Abrechnung nun, da tatsächlich mal „Gartenpflege“ betrieben wurde, um 300% erhöht wird, obwohl das, was die polnischen Jungs da gerade getan haben, streng genommen im Posten „Hausmeisterdienste“ enthalten sein müsste. Vermutlich wird es verteilt, und „Gartenpflege“ und „Hausmeisterdienste“ werden um jeweils 150% angehoben.

Freitag, 16. März 2012

Geleistetes

Heute Abend kehrt die Gattin zurück von ihrer Fahrt ins Blaue. Und was haben die Katze und ich in dieser Zeit geleistet? Haben wir etwas vorzuweisen? 
Wir haben morgens durchgelüftet, haben die Kaffeemaschine entkalkt, den ollen Oleander aus dem Keller auf den Balkon geschleppt, ziemlich viel gegähnt, das Katzenklo vollgeschissen (Katze) und sauber gemacht (ich), uns gegenseitig mit mittelmäßig leckerer Wurst gefüttert, uns den Bauch von der Frühlingssonne bescheinen lassen und uns ansonsten etwas vorgejammert. Es wird langsam Zeit, dass wieder Action in die Bude kommt.

Montag, 12. März 2012

Verstört

Ich tapse wie ein verstörter Schrat durch die Wohnung und finde mich kaum noch zurecht. Alles Jammern hilft nichts: Ich bin allein. Die Gattin ist auf eine ihrer berühmt-berüchtigten Städte-Querstrich-Kulturreisen gegangen. Sie ist in den Osten gefahren, an eigentümliche Orte mit Namen wie Erfurt oder Weimar. Offensichtlich gibt es da draußen in der Ödnis Städte. Nun ja, die Gattin wird sicher mit fotografischen Belegen ihrer Existenz zurückkehren.  
Jetzt schleichen also die Katze und ich irritiert hier in der Bude herum, schnüffeln in den Ecken, geben Protestlaute von uns und klagen über das grausame Los, auf uns selbst zurückgeworfen zu sein. Die Katze begreift es schneller als ich und geht pennen. Ich kann aber nicht schlafen. Ich knibbele nervös den Putz von der Wand, gehe dauerduschen oder spreche empört mit dem gerahmten Gattinnen-Foto auf der Küchenfensterbank. Und dann entschließe ich mich, aus Protest all die Sachen zu kochen, die die Gattin nicht gern isst. Zwiebeln, Krabben, Pilze, Schweinehälften und Saumagen ...

Samstag, 10. März 2012

Facebook weiß alles

Die personalisierte Werbung auf der Facebook-Startseite ist längst ein wichtiger Lebensbegleiter. Ich habe mein Geburtsjahr gar nicht angegeben, aber Zuckerberg, der skrupelloseste Lutscher unter allen Nerds, weiß offenbar doch einiges über mich und schaltet die Werbung in folgender Reihenfolge:
„Mach mit! Online-Umfrage für 40-49jährige kahlköpfige Männer“ 
„Tigerkrallenextrakt (Ersatzmittel). Weck den Tiger in dir und mache die Tigerin glücklich!“ 
„Panzerschlacht von Tobruk! Sei der Kommandant!“ 
„Der diskrete Einmalkatheter für Männer: kompakt, praktisch, überall anwendbar“ 
„Sargmodell 'Bonaparte' oder doch Urne 'Benedikt'?“

Freitag, 9. März 2012

Kühlschrankfunde

Hm, habe im Gefrierfach gerade ein Eishörnchen aus dem Jahr 1870 gefunden. Weiß gar nicht mehr, wo ich das gekauft habe. Könnte im Elsass gewesen sein. 
Auffälliger finde ich weiter oben im Kühlfach den Heringssalat von 1631. Das weiß ich noch genau. Ich kaufte ihn während der Belagerung Magdeburgs von einer Marketenderin, aber dann kam der Befehl zum Sturmangriff, und in dem ganzen Trubel habe ich ihn offensichtlich vergessen. Wenn ich daran denke, dass es uns zwei Wochen später so dreckig ging, dass wir uns von Menschenfleisch ernähren mussten und die ganze Zeit über dieser leckere Heringssalat ganz unten in meinem Marschgepäck lag ... Aber die anderen hätten ihn mir bestimmt sowieso weggenommen, wenn sie’s gewusst hätten. Nee, das waren keine netten Typen.

Dienstag, 6. März 2012

Der Dings

Es steht jetzt fest, die Indizien sind eindeutig: Der Dings wohnt direkt neben uns. 
Der Dings ist Fernsehstar. Talkshows, Kochshows, und Deutschlands bedeutendste Samstagabendshow wird er auch bald moderieren, wie es heißt. Als ich ihn beim Quarzen auf dem Balkon das erste Mal ins Nachbarhaus gehen sah, rief ich aus: „Potzblitz, das ist doch der Dings!“ Er hatte dauernd diese Wollmütze auf, aber täuschen konnte er mich nicht. Zuerst dachte ich, der Dings kenne irgendwen in dem Haus. Schwiegervater, Rechtsanwalt, Visagistin. Aber der Dings kommt und geht ständig. Auf dem Hinterhof steigt er immer in einen dicken schwarzen Schlitten. Mal wird er chauffiert, mal fährt er selbst. Einmal klappt er, am offenen Kofferraum stehend, sein Handy auf und telefoniert: Er hat sogar die Stimme vom Dings. Im Herbst haben sie einen Carport in den Hinterhof gebaut, und unter dem steht jetzt dauernd das Auto vom Dings, während sich oben drauf die Eichhörnchen jagen. Ab und an bringt er auch einen Jungen mit, der rein altersmäßig zu dem Kind passt, das der Dings aus der verflossenen Beziehung mit Frau Tralala aus dem Fernsehen hat. Weiß man ja aus der Yellow Press. 
Es wohnt auch eine schlanke Brünette in dem Haus, die ich gelegentlich an den großen Fenstern nach hinten raus sehe. Die Brünette hat einen kleinen schwarzen Flitzer im Hinterhof stehen, mit dem sie ab und an wegdüst. Neulich jedoch stieg die Brünette in den dicken schwarzen Schlitten vom Dings und düste mit dem weg. Dieses Zusammenhangs hatte es noch bedurft: Ich googelte zum ersten Mal im Leben den Dings und schaute mir Celebrity-Fotos von ihm und seiner Ehefrau an. Und selbstverständlich handelt es sich bei der Frau auf den Fotos um die Brünette mit dem schwarzen Flitzer. 
Aus den vorgefundenen Indizien ist also zu schließen: Der baldige Moderator der bedeutendsten deutschen Fernsehshow wohnt hinter den großen Fenstern, die direkt in unsere Küche schauen. Und da er auch Kochshows macht, schlägt er wahrscheinlich jeden Abend die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er sieht, was ich da zurechtbrutzle. Ich fühle mich in meiner Privatsphäre empfindlich gestört, wir brauchen dringend Gardinen.

Donnerstag, 1. März 2012

Retro

Bin momentan in kribbeliger Retro-Thriller-Laune. Nach der professionellen Lektüre eines ausgeklinkten Nazi-Jäger-Thrillers, der ein gewisses populäres US-Autorenduo endgültig als Satiriker enttarnt, sowie dem Anschauen des wunderbar altmodischen Films Eine offene Rechnung wurde nun eine ganze Schütte relevanter Nazi-Jäger-Filme sowie „Bekämpft die Nazis!“-Kriegsthriller geordert. Filme, die mich in jüngeren Jahren echt erschreckt haben, oder bombastische Großproduktionen, die das Augenfutter der Kindheit waren. Der Marathon-Mann ist jedoch nicht darunter, weil er vor kurzem erst wieder im Fernsehen lief und ich ihn auswendig vorsagen kann. 
Man sieht sich beizeiten nebenan im Filmblog.