Dienstag, 6. März 2012

Der Dings

Es steht jetzt fest, die Indizien sind eindeutig: Der Dings wohnt direkt neben uns. 
Der Dings ist Fernsehstar. Talkshows, Kochshows, und Deutschlands bedeutendste Samstagabendshow wird er auch bald moderieren, wie es heißt. Als ich ihn beim Quarzen auf dem Balkon das erste Mal ins Nachbarhaus gehen sah, rief ich aus: „Potzblitz, das ist doch der Dings!“ Er hatte dauernd diese Wollmütze auf, aber täuschen konnte er mich nicht. Zuerst dachte ich, der Dings kenne irgendwen in dem Haus. Schwiegervater, Rechtsanwalt, Visagistin. Aber der Dings kommt und geht ständig. Auf dem Hinterhof steigt er immer in einen dicken schwarzen Schlitten. Mal wird er chauffiert, mal fährt er selbst. Einmal klappt er, am offenen Kofferraum stehend, sein Handy auf und telefoniert: Er hat sogar die Stimme vom Dings. Im Herbst haben sie einen Carport in den Hinterhof gebaut, und unter dem steht jetzt dauernd das Auto vom Dings, während sich oben drauf die Eichhörnchen jagen. Ab und an bringt er auch einen Jungen mit, der rein altersmäßig zu dem Kind passt, das der Dings aus der verflossenen Beziehung mit Frau Tralala aus dem Fernsehen hat. Weiß man ja aus der Yellow Press. 
Es wohnt auch eine schlanke Brünette in dem Haus, die ich gelegentlich an den großen Fenstern nach hinten raus sehe. Die Brünette hat einen kleinen schwarzen Flitzer im Hinterhof stehen, mit dem sie ab und an wegdüst. Neulich jedoch stieg die Brünette in den dicken schwarzen Schlitten vom Dings und düste mit dem weg. Dieses Zusammenhangs hatte es noch bedurft: Ich googelte zum ersten Mal im Leben den Dings und schaute mir Celebrity-Fotos von ihm und seiner Ehefrau an. Und selbstverständlich handelt es sich bei der Frau auf den Fotos um die Brünette mit dem schwarzen Flitzer. 
Aus den vorgefundenen Indizien ist also zu schließen: Der baldige Moderator der bedeutendsten deutschen Fernsehshow wohnt hinter den großen Fenstern, die direkt in unsere Küche schauen. Und da er auch Kochshows macht, schlägt er wahrscheinlich jeden Abend die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er sieht, was ich da zurechtbrutzle. Ich fühle mich in meiner Privatsphäre empfindlich gestört, wir brauchen dringend Gardinen.