Montag, 28. September 2009

Vorhänge zuziehen

Ich habe gerade die Vorhänge zugezogen, denn ich fühle mich belästigt. Das eingerüstete Haus nebenan bekommt neue Fenster. Ungefähr sieben Meter von meinem Arbeitsplatz entfernt, genau auf Augenhöhe, steht eine junge, schlanke, dunkelhaarige Fensterbauerin mit zurückgebundenen Haaren, bequemem Tanktop und kurzer Cargohose in der Fensteröffnung, reißt die alten Rahmen heraus und baut neue ein. Dabei streckt sie sich und reckt sie sich und tänzelt auf dem Fensterbrett umher, den Hammer locker schwingend in der Hand, während ein leichter Schweißfilm ihre Haut überzieht … Wie gesagt, ich fühle mich belästigt.

Dunkle Seite der Macht

Während im ZDF die Siegesrede von Dr. Guido Westerwelle ausgestrahlt wird, enttarnt sich auf PRO7 gerade Kanzler Palpatine als Sith-Lord und beginnt damit, böse zu keckern. Ich denke nicht, dass das ein Zufall ist.

Samstag, 26. September 2009

Beim Sex im Baum fast gefressen worden

Die rolligen Eichhörnchen sollten besser auf sich acht geben. Eben kam ein riesengroßer Greifvogel an, schnappte sich ganz oben in der Baumkrone eins und wollte es davontragen. Das Hörnchen wehrte sich wie bekloppt, der Vogel ließ es fallen, schnappte es sich erneut und stürzte mit der zappelnden Beute zwischen den Ästen hindurch lautstark ab. Beide landeten im Hof nebenan, das Eichhörnchen flitzte offenbar wenig oder gar nicht verletzt durchs Laub und in den Schutz eines Rosenbusches, während der Raubvogel ihm hinterherhüpfte, es aber nicht mehr erwischte. Er hob ab und flatterte zwischen den Häusern davon. Das Hörnchen sitzt vermutlich mit pochendem Herzchen immer noch im Busch und versteht die Welt nicht mehr: ein Scheißhabicht mitten in der Stadt!
Ich selbst habe Raubvögel in Aktion zwar schon auf dem Land gesehen, aber aus einer gewissen Entfernung und nie so nah. Spontan wusste ich nicht, wem ich beistehen sollte, denn ich mag sowohl den Großstadt-Habicht wie auch das City-Eichhörnchen. Mutter Natur ist nun mal ein unauflösbares Dilemma.

Sex auf dem Baum

Ich habe mich letztes Jahr schon gefragt, wie all diese Kastanien auf unseren Balkon gelangen. Dabei stehen die Bäume doch relativ weit entfernt. Nun ist das Rätsel gelöst. Es sind rollige Eichhörnchen, die hemmungslos in den Baumkronen herumpimpern, was mit allerhand erotisch aufgeladenen Jagdszenen und orgiastischem Schnalzen und Piepen einhergeht. Die Viecher stehen so unter Druck, dass sie mit ihrem Geflitze und Gestrampel die Kastanien nicht nur von den Ästen schütteln, sondern sie regelrecht aus dem Blattwerk herausschleudern. Solange die kleinen Ficker da oben aktiv sind, muss ich mit Fahrradhelm rauchen gehen.

Donnerstag, 24. September 2009

The Great Annihilator

Selbstverständlich kannte ich diese Band um 1990 herum und kaufte einige ihrer Platten. Aber so richtig zündete der Funke damals nicht. Es war nämlich die Zeit, als wir farbige Converse Chucks trugen und Leichtfüßigkeit signalisierten. Wir freuten uns gerade an uns selbst und an der Welt, sprangen herum, beschlabberten und belaberten uns, analysierten weniger die Dinge als vielmehr uns selbst, schrieben zwischen dem Beschlabbern und Belabern insgeheim vielleicht sogar Gedichte. Der Soundtrack dazu war eher so was wie Lemonheads oder Firehose, bei manchen auch Prefab Sprout, die Farben Gelb und Grün und vielleicht Rot, irgendwie blumig jedenfalls, und die Gothics verachteten wir sowieso. Und die Swans waren in diesem lichten Zusammenhang einfach zu schwer, zu mythisch, zu kunstsinnig.
Das hochgelobte Album The Great Annihilator ließ ich damals aus, und ich habe damit bis heute kein Problem. Passte nicht recht in die Zeit. Jetzt aber – alt, verbittert und gnadenlos der Schwerkraft ausgeliefert – blickt der Mensch zurück zu den gewichtigen Schwänen und was sie einem durch die Zeit mitzuteilen haben. Rosenkranz-Litaneien aus der Maschinenhalle des Teufels, 24 Schichten Geräusch/Harmonie/Geräusch/Harmonie, sakral und technoid und garantiert ohne einen einzigen gregorianischen Choral oder sonstigen geschmäcklerischen Gruftie-Mainstream-Scheiß. Auch die Metal-Gitarren sind untergründig und gezähmt, die Rhythmen kaum berechenbar, der Bass schwer und schleppend, wie sich überhaupt vieles im Untergrund abspielt und selbst Michael Gira seinen teilnahmslosen Sprechgesang meistens von den Soundschichten überlagern lässt. Jarboe fährt den notorischen Elfencharakter ihres Gesangs zurück und klingt mehr wie ein trotziges Punk-Kind, außer wenn sie die sphärische Begleitstimme zu Giras dunklem Murmeln liefert. Glockenschläge, monotones Gestampfe in Klangkathedralen und brummige Gebete von Reverend Gira, die vom schattigen Altar herwehen und die man nur halb versteht. Wie gut, dass die Texte im Booklet stehen. Sie bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Altem Testament und Dark Fantasy und geilen mich, ich geb’s zu, poetisch auf. Transzendierung der schweren Welt und Selbstauflösung im Klang. Heilig und profan, dämonisch und rein. The Great Annihilator ist ein mystisches Monument, an dem man sich von Zeit zu Zeit zur spirituellen Reinigung ordentlich schubbeln sollte.

Mittwoch, 23. September 2009

Wahlkämpfer II

Über Nacht waren sie wieder aktiv. Jetzt hängen hier auch Lale und Cem. Lale fällt gleich auf, taktisch gut gemacht. An Zebrastreifen und vor Ampeln und in Winkeln, die sie gleich aus mehreren Fahrtrichtungen erkennbar machen. Die FDP hat da leichtsinnigerweise noch Platz gelassen für die Winkelexperten der SPD. Cem hingegen ist ein bisschen hoch gehängt worden und steckt beinahe schon im unteren Blattwerk. Vielleicht Absicht, Grün zu Grün sozusagen. Rettet die Bäume, wählt Cem. Auch wenn ihr ihn kaum seht, aber ich versichere euch: Er ist da, der Cem. Da oben in den Baumkronen. Dabei ist Cem ja gar kein Kölner. Der Direktkandidat in unserem Wahlkreis ist eigentlich Volker, den ich bislang noch kaum gesehen habe. Vermutlich positioniert man ihn eher an den Schwulen-Treffpunkten weiter Richtung Innenstadt.
Wenn es nach psychologischer Wirkung geht, nach Einfluss von Plakatwerbung auf das Unterbewusstsein, dann ist das durchaus bedenklich. Dr. Guidos Reptilienausdruck verfolgt mich von der Haustür bis zum Bäcker bis zur Post bis zum Supermarkt bis in den Schlaf. Heute Nacht habe ich geträumt, wie er von einem Wahlplakat herabstieg, sich starren Blicks umschaute, mit gespaltener Zunge die Luft schmeckte, mich fixierte und als „kleinen Mann“ verlachte und die Herausgabe meiner Geldbörse forderte. Und ich hatte gerade erst Bargeld gezogen. Scheiße. Als ich weiterging, sah ich Cem unbequem über den Bürgersteig robben, in einem Tarnanzug aus Laub, und Korken in die Auspuffrohre von Autos stecken. Zwei Häuser weiter blieb ich erneut stehen und beobachtete in einem hellerleuchteten Souterrain-Wohnzimmer Frank-Walter, wie er vor dem Spiegel die Spitzen-BHs seiner Gattin anprobierte.

Dienstag, 22. September 2009

Wahlkämpfer

Das ganze Viertel ist mit FDP zugekleistert. Mal hat jemand Guido ein blaues Auge gemalt, mal eine Clownsnase, mal das obligatorische Adolf-Bärtchen, dann wieder wurde im Spruch Arbeit muss sich wieder lohnen das Wort „Arbeit“ mit dem Wort „Geld“ überklebt. Der FDP-Wahlkreiskandidat namens Hoyer hingegen wurde so hoch an den Laternenmasten aufgehängt (seine Plakate, nicht er selbst, Gott bewahre!), dass er noch ziemlich porenrein herablächelt.
Um diese gelbe Übermacht zu brechen, kutschiert neuerdings die MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) ihren Wahlkampftross durchs Viertel. Vorwärts zur Weltrevolution. Nie wieder Krieg! Nie wieder Banken! Nie wieder FDP! Dass man das noch erleben darf. Rote Fahnen wehen, und aus den Lautsprechern schallen Klänge, die man zuletzt bei der Truppenparade auf dem Roten Platz 1957 gehört hat. Die Kompositionen zur Errettung der Weltarbeiterschaft werden jedoch von einem Hupkonzert begleitet, denn die Scheißkommunisten fahren scheißlangsam und blockieren den ganzen Verkehr. Selbst die Leute aus der örtlichen Geschäfts- und Beratungsstelle der Linken treten auf den Bürgersteig, um mitzulachen.
Die Grünen lehnen sich derweil hinter herabgelassenen Kunstholz-Rollos entspannt zurück, denn sie wissen, dass sie hier ohnehin 25% und mehr einfahren.
Frank-Walters jüngster Werbecoup in der Prisma, der TV-Beilage der Tageszeitung, wurde sabotiert. Die Rückseite reklamiert Frank-Walter ganz allein für sich („Unser Land kann mehr“), aber die Herstellung hat in die Mitte des Heftchens den Werbeprospekt eines Textilversands heften lassen, der ein größeres Format besitzt und über die Rückseite herausragt. Über Frank-Walters staatstragender Proklamation liest man erstmal:„Jetzt testen. 2 Nahtlos-BHs zum Preis von 1.“ Ich vermute, der Typ in der Prisma-Herstellung kommt von der FDP. Kommunisten haben nicht so viel Humor.

Dienstag, 15. September 2009

Gratis Kaffee

Ein Jahr nach dem Abkacken der Lehman-Brüder und ihrer Brut war es mal wieder an der Zeit, im persönlichen Gespräch die eigenen Groschen zu analysieren und sie der neuen Situation anzupassen. Außerdem bekommt man gratis Kaffee. Hätte ich mehr Kohle anzulegen, bekäme ich vielleicht auch noch einen zweiten Kaffee. Zur wohlbekannten Beraterin stößt diesmal eine zweite, jüngere Dame. Sie trägt ein Namensschild. In der kleinen Filiale trägt sonst niemand ein Namensschild. Sie stammt nicht von hier, das merkt man. Warum sie an dem wenig brisanten Gespräch teilnimmt, wird mir nicht mitgeteilt. Mich beschleicht die Vermutung, dass sie sich aus den höheren Stockwerken der ziemlich hohen Bankzentrale nach unten begab und im Firmen-BMW rübergedüst kam in den äußersten Westen der Republik, um hier mal einigen der kleinen Investmentberatern auf die Fingerlein zu schauen. Neue Sitten, strafferes Regime. Sie ist supernett, nicht wenig attraktiv in ihrem Business-Damenanzug mit Halstuch und hat diesen merkwürdig starren Blick, unter dem die wohlbekannte Beraterin neben ihr ein wenig nervös wirkt. Und sie schreibt dauernd irgendwas mit, obwohl ich gar nichts gesagt habe. Bin ich hier mitten in einer Prüfungssituation gelandet, ohne dass ich selbst der Prüfling bin? Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, jedoch spielen die beiden auf entzückende Weise „Team“. Nur wegen mir, wie reizvoll!
Als die wohlbekannte Beraterin zwischendurch mal den Raum verlässt, meint die andere, sie hätte gehört, ich arbeite für Verlage. Eine Freundin von ihr hat einen Fantasy-Roman geschrieben. Sie flitzt nun ebenfalls mit wehendem Halstuch raus und kommt mit einem Werbe-Flyer des Buchs zurück. Sie hätte immer welche von denen dabei, meint sie. Kleinverlag, bemerke ich. Generische Fantasy mit Pseudo-Comic-Cover. Ich schaue offenbar zu skeptisch drein, rümpfe eventuell sogar die Nase, das ist nach all den Jahren voller Bockmist ein schwer zu kontrollierender Reflex. Also erklärt sie mir, die Freundin hätte eine Menge tolle Bewertungen auf Amazon bekommen. Ich verzichte darauf, ihr mitzuteilen, dass ich auf Amazon ausschließlich schlechte Bewertungen lese, weil die guten meistens ohnehin von Familienmitgliedern stammen. Die Bemerkung, dass „neunzig Prozent aller Manuskripte sowieso für die Tonne sind“, wollte ich auch gar nicht anbringen, aber sie rutscht mir dennoch heraus. Sie nickt wissend, schaut aber etwas starrer als zuvor. Darf ich den Flyer mitnehmen?, frage ich und trinke meinen Gratis-Kaffee aus. Ein paar Tage später krame ich den Flyer heraus, schaue im Netz nach und stelle fest, dass die Autorin natürlich aus der Finanzbranche stammt. Auch dort wird also von magischen Welten geträumt. Kein Wunder. Und ich lese eine schlechte Rezension auf Amazon, die allerhand sprachliche Katastrophen aufzählt, bei denen selbst dem trockensten alten Buchstabenverdreher die Hämorrhoiden rot anschwellen. Nachdem sie wieder abgeschwollen sind, nicke ich wissend und denke bei mir: Macht ihr mit den Firmen-BMWs und den adretten Halstüchern mal euer Finanzzeug und legt unsere Groschen vernünftig an, die Bücher machen derweil weiter die Autoren und wir. Diese Welten sollten sich nicht so mir nichts, dir nichts berühren.

Donnerstag, 10. September 2009

Wahl-O-Mat, neuer Durchgang (puh!)

Eine Zeitlang war ich doch irritiert.
Ich bin großgeworden in einem bäuerlich-kleinbürgerlichen Umfeld, hatte eine idyllische Kindheit auf dem Bauernhof, auf dem Heuboden mit meinen Cousinen, war Messdiener, Klapperjunge, strebsamer Gymnasiast, mein Großvater war CDU-Bürgermeister und bekam von Bernhard Vogel die Ehrennadel des Landes Rheinland-Pfalz verliehen. Ich habe voller Elan unser Land im Schlamm verteidigt und hatte eine staatstragende Affäre mit meinem G3-Sturmgewehr.
Und dieser elende Wahl-O-Mat weist mich der DKP zu!
Dabei habe ich gar nichts Schlimmes gemacht, außer den Fragenkatalog im Sinne einer halbwegs liberalen mitteleuropäischen Gesinnung ehrlich zu beantworten. Solche Fragen, für die ich bzw. meine Gesinnung sich nicht zuständig fühlten, habe ich übersprungen oder mit „neutral“ beantwortet. Wie zum Teufel konnte ich bei den Kommunisten landen?
Ein neuer Durchgang hat mich nun jedoch beruhigt. Nix mehr DKP. Wieder auf heimischem Terrain. Allerdings rät mir das Ding nach wie vor heftig davon ab, CDU/CSU zu wählen.
Fragen zu Themen, von denen ich ohnehin keine Ahnung habe, wurden mit „neutral“ bewertet, auch solche, bei denen es um das Große Füllhorn für alle geht. Wer das alles nämlich bezahlen soll, weiß ich nicht wirklich. Außerdem wurde der GENAUE Wortlaut der Frage beachtet. Zum Beispiel, ob die Bundeswehr „sofort“ aus Afghanistan abgezogen werden soll. „Sofort“ geht ja allein deshalb schon nicht, weil sie mit all dem Material mindestens drei Wochen zur Rückreise benötigen würde. Ha! Fangfrage! Also stimmte ich der Forderung NICHT ZU, obwohl es mir schwerfiel. Nun bin ich wieder da, wo ich hingehöre, mit leicht schmerzverzerrtem Gesicht. Aber hat irgendwer behauptet, Demokratie sei schmerzfrei?

Mittwoch, 9. September 2009

Wahl-O-Mat

Tja, hmm, laut Wahl-O-Mat soll ich am 27.9. die DKP wählen. Schnarch. Eins soll ich auf keinen Fall wählen, wenn mir das Land am Herzen liegt: CDU/CSU.
Ist ja noch ein bisschen Zeit, ich denke drüber nach ...

Dienstag, 1. September 2009

Bla-Molekül

Vor unvorstellbar langer Zeit entstand in einer heißen, schlammigen Pfütze das erste Bla-Molekül. Es freute sich seiner Existenz und brachte die Pfütze heiter zum Blubbern. Da kauerte sich ein eben erst vom Affen abgespaltener, haariger Zweibeiner neben der Pfütze nieder, weil ihm ein Säbelzahntiger den Weg zum nächsten klaren Bach versperrte, und trank. Eine Kreatur mit Potenzial, dachte das Bla-Molekül und sprang über. Tatsächlich fand es bei seiner Wanderung durch den haarigen Körper im pfirsichgroßen Gehirn des Zweibeiners die Anfänge eines Sprachzentrums (obwohl damals noch niemand es so nannte). Als der Zweibeiner in seine Höhle zurückkehrte, begann er unablässig zu grunzen. Seine Höhlengenossen waren mächtig beeindruckt, wählten ihn spontan zum Sprecher der Höhle und erfanden das Funkmikrofon. Fängt gut an, dachte sich das Bla-Molekül, mal sehen, wie das mit der Evolution so weitergeht.
Aber es dauerte Hunderttausende von Jahren, bis die evolutionäre Verquickung von Bla-Molekül und haarigem Zweibeiner (der jetzt nicht mehr ganz so haarig war und Anzüge trug) endlich Erfolg hatte und eine neue Spezies erzeugte, die sich vom ex-haarigen Zweibeiner abspaltete, wie der sich einst vom Affen abgespalten hatte. Diese Spezies steht oder sitzt mit Vorliebe in Fernsehstudios und nutzt ihr hochmodifiziertes Sprachzentrum, um sogenannte Wahlergebnisse zu kommentieren. Andere Höhlenbewohner in Anzügen halten ihnen dabei Funkmikrofone ins Gesicht, was im Allgemeinen als Startsignal gewertet wird, jetzt mit dem Bla zu beginnen und möglichst so bald nicht wieder damit aufzuhören. Diese Spezies nennt sich „Inhalte!“, abgeleitet von ihrem Lieblingsbegriff, den ihnen das Bla-Molekül ständig zu äußern vorschreibt. Eine lateinische Bezeichnung für sie muss erst noch gefunden werden. Ihre opponierenden Untergattungen werden bezeichnet als „der Althaus“, „der Pofalla“, „der Hubertus Heil“ oder „Schöner Niebel“. Kennzeichnend für diese Gattungen und ihre gesamte Spezies ist die völlige Dominanz des Bla-Moleküls über das Sprachzentrum und die neuronalen Verknüpfungen des Zweibeiner-Gehirns. Das Bla-Molekül kommt seiner evolutionären Funktion nach: Es produziert Bla. Dieser Alleinherrschaftsanspruch des Bla-Moleküls hat in der Spezies der „Inhalte!“ derartig umfassende Züge angenommen, dass sie nicht nur das eigene Bla möglichst in die Länge ziehen muss, auch wenn die Funkmikrofone schon weggezogen oder ausgeschaltet wurden, nein, es wird auch das Bla der Gegenseite aufgesaugt und parasitär in eigenes Bla umgewandelt. Andere Funktionen, etwa der Bewegungsapparat, sind verkümmert. Die Hände liegen stets gefaltet und regungslos auf dem Tisch, nach der Sendung werden die Vertreter der neuen Spezies in ihren Stühlen oder stehend herausgetragen und in sogenannten "Parteigremien" zwischengelagert.
Unter Evolutionsforschern gilt diese neue Spezies bereits jetzt als so hochmodifiziert und spezialisiert, dass ihr Aussterben nur eine Frage der Zeit ist. Wenn ihre letzten Vertreter erschöpft vom ganzen Bla neben einem heißen Tümpel zu Boden sinken, absterben und versteinern, wird das Bla-Molekül in die Pfütze wechseln, zu blubbern anfangen und sich denken: Och, war ganz okay.