Alles redet mal wieder über James Bond. Kaum einer weiß: Einige Verfolgungsjagden von Skyfall wurden bei uns im Keller gedreht. Nachdem das Team abgezogen und die Absperrung wieder aufgehoben war, fand ich beim Wäscherunterbringen die hier:
Montag, 29. Oktober 2012
Sonntag, 28. Oktober 2012
Messerschmitt
Die Messerschmitt-Edition stammt von der Pforzheimer Firma Aristo Vollmer. Offensichtlich gibt es einigen Bedarf an sentimentalen Fliegeruhren, die auf die deutsche Luftfahrtgeschichte hinweisen. Könnte mir vorstellen, dass sich die Produkte im Ausland besser verkaufen als bei uns. Keine Ahnung, wer zuerst da war, die Messerschmitt- oder Junkers-Uhren. Junkers preist die Zivilluftfahrt, während Messerschmitt eher den militärischen Teil abdeckt und die Zifferblätter mit dezenten Zeichnungen historischer deutscher Kampfflugzeuge versieht. Oft orientieren sich die Objekte an der klassischen, riesenhaften „Beobachteruhr“ von ca. 1939/40, gefertigt für zivile oder militärische Piloten, die in dunklen Kabinen saßen und alle relevanten Informationen auf einen Blick erkennen mussten. Getragen wurden diese Klöpse zumeist an sehr langen Bändern über der Fliegerkombi. Die Nachbauten wurden für den heutigen Geschmack verkleinert, die meisten von ihnen sind mir aber immer noch zu groß und auch zu teuer. Aber an der entzückenden, kleineren Quarz-Variante der Me-109 führte kein Weg vorbei. Die Uhr wirkt, ganz den damaligen aeronautischen Vorgaben entsprechend, sehr aufgeräumt und sachlich, zugleich aber expressiv.
Samstag, 27. Oktober 2012
Landschaft, nix als Landschaft
David Hockney hält seine Ansprache kurz. Tatsächlich sind alle Ansprachen nach fünfzehn Minuten durch. Das gab’s noch nie! Danach strömen die versammelten Massen in die buchstäblich große Ausstellung „A Bigger Picture“. Darin versammelt sind Landschaftsbilder sowie einschlägige Videoinstallationen des britischen (und lange Zeit wahlkalifornischen) Nationalheiligtums – inzwischen ein kleiner, gebückt gehender Opa wie der aus Pixars Up. (Danke an Frau K. für den Hinweis.)
Es ist eine Landschaftsmalerei, wie ich sie überhaupt noch nie gesehen habe. Yorkshire ist grell und magnetisch, fast wie ein anderer Planet und doch eindeutig von hier. Das Land glüht in eigenartiger Symmetrie. Es gibt Baumstümpfe, die aussehen wie Figuren aus der Muppets-Show. Derselbe Standpunkt zu unterschiedlichen Tages- oder Jahreszeiten eröffnet ein völlig anderes Motiv, eine komplett andere Interpretation. Oft ist das riesengroß am Stück, dann wieder wird eine ganze Landschaft zerlegt in Einzelteile und durcheinander gehängt.
Bei Hockney geht es zumeist um die Perspektive, wie mich fachkundige Menschen zwischenzeitlich aufklären, und die ebenso eklatante wie subtile Erweiterung derselben. Als äußerst gerissen erweist sich die Videokunst der Multifokus-Filme: Der Künstler lässt ein Auto im Schneckentempo über eine einsame Landstraße in einer Waldgegend fahren und rüstet den Wagen mit neun Kameras aus, die alle leicht zueinander verschoben sind. Zusammenmontiert ergibt das eine gigantische, gestochen scharfe HD-Videowand aus neun Bildschirmen, die ein Gesamtpanorama ergeben, wobei die Einzelteile jedoch durch die abweichenden Kamerapositionen nicht genau zusammenpassen und das, was ein einziges Bild sein sollte, auf verblüffende Weise zerlegt wird. Und das gleich an vier Wänden, viermal auf derselben Straße, im Frühling, im Sommer, im Herbst und im dicksten Winter. Dieser Raum der Ausstellung ist eine spektakuläre Meditation.
Zudem hat bei Naturwanderer Hockney der Skizzenblock ausgedient und wurde durch das iPad und die App „Brushes“ ersetzt. Die auf fünfzehnfache iPad-Größe aufgezogene Gemäldeserie „Yosemite“ lässt einen vor Ehrfurcht schier erschauern, während die zahllosen grellen Yorkshire-Idyllen aus dem Rechner so wirklich und authentisch sind, dass der Betrachter da schwer wieder rausfindet.
Landschaft, nix als Landschaft. Der kleine Naturfreund muss da unbedingt hin, um seine eigenen Beobachtungen in Wald und Flur mit denen des Künstlers abzugleichen. Kann er echt was lernen.
Sehr, sehr viele Leute bei der Eröffnung, die Promi-Dichte war aber eher mau. War mir egal bei dieser Art Kunst, hatte keine Augen für Promis. Im Vorbeigehen registriert wurden nichtsdestotrotz der Bruder von Heinz-Rudolf Kunze, die dickste Frau der Welt, das Mädchen mit dem steifen Hals, das Kind mit den blinkenden Elektroschuhen, der-Mann-den-sie-Storch-nennen sowie der legendäre Blonde-Koreaner-mit-der-Strickmütze.
Dienstag, 23. Oktober 2012
Entropie
Neulich ergab sich eine dieser seltenen Gelegenheiten, dass ich aus dem Haus musste. Beim Blick in den Schuhschrank dachte ich bei mir, ich könnte mal wieder diese schwarzen Halbschuhe anziehen. Aus Kunstleder oder so was und mit Gummisohle. Sind schon was älter, aber noch ziemlich in Ordnung. Richtige Witterung dafür. Müssen ja nicht immer Turnschuhe sein. Die Halbschuhe quietschen eigenartig auf dem Parkettboden, das Fußbett kommt mir nach dem ständigen Turnschuhtragen etwas hart vor, die Ferse locker im Sitz. War das schon immer so? Egal, muss jetzt gehen.
Nach drei, vier Schritten draußen vorm Haus beginne ich plötzlich zu wanken wie eine Landratte auf einem Schiffsdeck, hin und her, her und hin, und denke an einen plötzlich auftretenden motorischen oder neuronalen Schaden. Fühlt sich so das Ende an? Oder ist es gar ein Erdbeben in der Rheinischen Tiefebene, Stärke 9,5 auf der nach oben offenen Richterskala? Ich blicke irritiert nach unten in Erwartung von Rissen im Boden und klaffenden Erdspalten und glaube meinen Augen nicht zu trauen: Ich stehe sozusagen mit den bestrumpften Fußsohlen auf dem harten Boden der Einfahrt. An beiden Schuhen haben sich die Gummisohlen aufgelöst und in ein unidentifizierbares Gekrümel verwandelt. Ich blicke zurück, und hinter mir liegen ganze Fladen trockener, bröseliger Ex-Gummimasse wie eine Spur schwarzer Brosamen. Ist das ein Anschlag? Sabotage? Welche destruktive Macht hatte Zugriff auf den Schuhschrank? Will jemand, dass ich das Haus nicht mehr verlasse?
Nein, es ist bloß das Gesetz der Entropie. Die länger nicht mehr zum Einsatz gelangten Sohlen haben im Schuhschrank ohne meine Erlaubnis ihre molekulare Ordnung aufgegeben, und der kurze Druck, den die paar Schritte vorm Haus ausgeübt haben, genügte, um die Treter komplett in Informationskrümel aufzulösen und sie dem Universum in Gestalt der Einfahrt zurückzugeben. Ich stehe da wie ein Tropf, mir fehlen vor Verblüffung die Worte, und das Kunstleder-Oberteil der Schuhe ist jetzt mehr so eine Gamasche auf Knöchelhöhe. Beruhigend immerhin, dass das so kurz nach der Haustür passiert ist und nicht mitten in der Stadt. Hätte dann auf Socken in ein Schuhgeschäft gehen und auf die verwunderten Blicke hin sagen müssen: „Entropie. Brauche Schuhe.“
Samstag, 20. Oktober 2012
Genscher!
Genscher kommt ein bisschen später. Flieger ist gelandet, soviel ist klar, aber jetzt steckt der Wagen irgendwo im Stau. Im Foyer des Museums für Ostasiatische Kunst, wo sich die 750 geladenen Gäste eingefunden haben, wird es derweil zunehmend heißer und lauter und enger. T-Shirt hätte auch gereicht, denke ich bei mir, Hemd und Sakko wären nicht nötig gewesen. Kann man aber nicht machen bei einer solch gediegenen Veranstaltung. Es geht hier schließlich nicht um einen schlurfigen New Yorker Pop-Art-Künstler, zu dessen Ausstellungseröffnung sich die schrillen Musen mit ihren blöden Frisuren sammeln. Nein, hier ist die höhere Gesellschaft anwesend, um die starke deutsch-chinesische Achse zu feiern, die es traditionell in Köln gibt. Das „China-Jahr“ 2012 trägt der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Volksrepublik und Bundesrepublik vor vierzig Jahren Rechnung, ebenso der Begründung der Städtepartnerschaft Köln-Peking vor einem Vierteljahrhundert. Das hier ist also nicht nur Kultur, sondern hat eine diplomatische, außenpolitische Dimension. Da muss man schon ein klein wenig staatstragend aussehen und dreinschauen.
Das Palastmuseum Peking hat für die Ausstellung „Glanz der Kaiser von China“ nur für Köln knapp 200 Exponate aus der Verbotenen Stadt herausgerückt, speziell solche aus der Qing-Dynastie (ab 1644), die auch die starke Kooperation des chinesischen Kaiserhofs mit europäischen Jesuiten belegen.
Mit den Eröffnungsreden wird gewartet, bis Genscher da ist. Es wird wärmer und stickiger. Draußen im japanischen Garten, den man durch die Panoramafenster betrachten kann, flattern die Fledermäuse, mächtig irritiert von so viel noblem Volk. Ich mache mir derweil Sorgen um meinen Rücken, denn wir sitzen nun schon ziemlich lange auf diesen unbequemen Stühlen, und es kommen noch fünf Reden …
Dann entsteht Unruhe; er ist da: Genscher! Mit gelbem Pullunder! Applaus, obwohl er noch gar nichts gesagt oder getan hat. Der Bonus der lebenden Legende. Er wird ausgiebig begrüßt und redet dann diplomatisch und völlig frei von Völkerverständigung und Respekt vor der Kultur des anderen. Hätte man glatt erwarten können, aber Mannomann, das ist Genscher! Der war damals bei der Aufnahme besagter diplomatischer Beziehungen selbst mit dabei. Ich war da erst fünf und demzufolge nicht dabei.
Good Vibrations zwischen Deutschen und Chinesen, mächtig stolze Museumsdirektorin, nach vier weiteren Reden, einer davon auf Mandarin, geht es in die Ausstellung, wo die noble Gesellschaft am Eingang erst mal einen mächtigen Stau verursacht und sich die noblen Duftwässerchen ungünstig vermischen. Genscher wird von seiner Entourage durchs Gewühl nach vorn geschoben, einer der Fotografen schubst den Elder Statesman aus Versehen gegen mich.
Die Ausstellung selbst ist prächtig und exotisch und umfassend. Die unglaublich aufwendigen, nahezu fotorealistischen Kaiserporträts im zweiten großen Raum ziehen mich spontan am meisten an. Als säßen sie tatsächlich da, die Himmelssöhne. Aber man muss sich als Europäer bei diesen Exponaten konzentrieren, und dazu ist ein solcher Eröffnungsabend mit seinem Gewimmel nicht so ideal. Müsste man sicher noch mal hin, um in Ruhe zu gucken. Vorbeigeschlendert an Thronen, titanischen Hofmalereien, buddhistischen Religionsutensilien, Porzellan, zeremoniellen Waffen wie dem Schwert „Große Reinheit“ und der Muskete „Macht und Triumph“ und zurück im Foyer entdecke ich auf meinem Sakko eine Fluse von einem gelben Pullunder. Muss vorhin beim Anrempeln passiert sein. Genscher!
Freitag, 12. Oktober 2012
GG-W-113 Automatik
Ich bin ein Bewunderer der GG-W-113, denn sie traut sich etwas Ungeheuerliches: Sie zeigt die Uhrzeit an – und sonst rein gar nichts.
Dieses Exemplar verfügt über ein Automatik-Gangwerk. Ich hatte weiter unten, im Zusammenhang mit der A-11, gemutmaßt, dass Uhren mit Handaufzug den modernen, hippen Multitasking-Menschen heillos überfordern. Das war mehr so als Witz gemeint, es zeigt sich aber, dass es die blanke Wahrheit ist. Laut Herstellermitteilung entschloss man sich, die Produktion des GG-W-113-Vorgängermodells, desjenigen mit Handaufzug, einzustellen und auf eine Automatikversion auszuweichen, weil sich die Beschwerden häuften. Die Uhren kamen des Öfteren angeblich defekt beim Kunden an, standen still, waren nicht in Gang zu bringen und liefen höchstens für ein paar Sekunden, wenn man sie schüttelte (!). Also wurden sie entsprechend reklamiert.
Überprüfungen des Kundendiensts ergaben, dass die Uhren mitnichten defekt waren, wohl aber die Kunden. Sie hatten keine Erfahrung mit solchen Modellen und rafften nicht, dass man bei Handaufzug-Uhren selbst Hand anlegen muss. Dass sie einen kleinen, mechanisch-symbiotischen Charakter erworben hatten, der sich zuallererst der Mitarbeit seines Trägers versicherte. Wenn der Träger allerdings zu blöd ist, die Zeichen zu deuten, dann kann der kleine mechanische Geselle allein auch nicht viel tun und muss Trübsal blasen. Besser, wenn er dann so ein Milieu bleischwerer Ignoranz und Dumpfheit umgehend wieder verlässt.
Dass so ein kleiner Bursche sirrt und schwirrt und pluckert, bis die Sonne verglüht, wenn man ihn nur regelmäßig aufzieht, verstehen heutzutage nicht mehr alle. Und eine App, die das für einen erledigt, kann man auch nirgendwo downloaden.
Würde mich nicht wundern, wenn die Automatikversion auch einige Reklamationen erfährt. In ihrem Innern haben sich nämlich ganz eindeutig Teile gelöst – denn sie „rappelt beim Schütteln“. Vom Rotor, jenem schwingenden Metallteil innen drin, das die Feder durch seine kinetische Energie immer wieder neu aufzieht, wissen vermutlich auch nur die wenigsten.
Diese rein mechanische Uhr, hier an einem sogenannten James-Bond-Band, erweist sich übrigens in Sachen Ganggenauigkeit als Wunderding. So gut wie keine Abweichung. Qualität!
Diese rein mechanische Uhr, hier an einem sogenannten James-Bond-Band, erweist sich übrigens in Sachen Ganggenauigkeit als Wunderding. So gut wie keine Abweichung. Qualität!
Mittwoch, 10. Oktober 2012
Vernetzung
Schon toll, diese schöne neue Welt mit ihren Scan-Maschinen, Lieferservices, ihren Vernetzungen, ihrer Transparenz und lückenlosen Kommunikation. Amazon.de teilt mir von ganz allein mit, dass DHL meine Bestellung beim Nachbarn abgegeben hat und dass eine Benachrichtigungskarte mit dem Namen des betreffenden Nachbarn in meinem Briefkasten liegt. Es liegt jedoch keine Benachrichtigungskarte in meinem Briefkasten. Sie liegt nämlich im Kasten desjenigen Nachbarn, der die Ware tatsächlich bestellt und für den ich gestern das Paket angenommen habe.
Dienstag, 9. Oktober 2012
Herbst
Es wird Herbst und somit Zeit, die Platten der objektiv größten Rockband aller Zeiten herauszukramen und sie die Welt mit Bedeutung aufladen zu lassen. Und was muss als erstes in die Rotation? Natürlich das traurigste und trotzigste aller Ungeheuer ... Nur anklicken in gefestigtem emotionalen Zustand.
Sonntag, 7. Oktober 2012
Nachbar war im Fernsehen
Zum ersten Mal seit gefühlten dreißig Jahren wieder Wetten, dass …? geschaut. Nur die erste Stunde. Und auch nur deswegen, weil der neue Moderator im Haus nebenan wohnt und ich ihn täglich sehe, wie er kommt, geht, auf dem offenen Hinterhof in seinen Jaguar steigt oder von einem Chauffeur abgeholt wird, wie er telefoniert, sympathisch mit seinem Sohn spaßt oder wie er mit der Gattin Jogging-Runden durch den Park dreht. Spannend!
Wetten, dass …? war früher mal wichtigtuerische öffentlich-rechtliche Unterhaltung, konzipiert von einem notorischen RTL-Mann, der seine Kreise über das grenzländische Radio-Einzugsgebiet hinaus und in die große deutschsprachige Frühachtziger-Spießigkeit hinein erweitern wollte. Eurovisions-Fanfare! Und der sich als gesellschaftlicher Auftragnehmer verstand. Man denke nur an Böhms damaligen Spendenaufruf. Mittlerweile ist die Sendung allerdings nur noch redundante Spektakel-Grütze. Ich habe da offensichtlich einiges an Entwicklung verpasst und entsprechende Berichterstattung ignoriert.
Ich sah mir auch die fünfzig Minuten währende „Countdown“-Sendung an, welche die geneigten Massen auf die Neuauflage der Show und vor allem den Moderator einstimmen sollte. Man will ja wissen, wer da so nebenan wohnt, wenn die Gardinen schon immer zugezogen sind.
Und das war erhellend: die quälenden Klatsch-Lobhudeleien eines Senders, der es angeblich gut mit einem meint. Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde. Immerhin lernen wir, dass der Moderator damals in Südtirol lange in Armut lebte und Klassenbester war. Das ist eine wertvolle Information, die direkt verweist auf dieses topfitte Streber-Strahlemann-Mineralwasser-Image von heute, dieses „Ich habe mich zum Großereignis hochgearbeitet, fahre aber immer noch nach Südtirol zu Mama, und alle dort kennen mich als den netten Burschen von nebenan“. Alle Befragten in diesem Special werden nicht müde, zu betonen, welch eine eierlegende Wollmilchsau, welch fachliches und menschliches Mineralwasser-Multitalent, der neue Moderator doch sei. Und Millionen von Schwiegermüttern vor der Glotze verfluchen innerlich ihre Schwiegersöhne.
Die Sendung selbst ist dann nervöses, sprunghaftes Event-Gedöns, bei dem man dauernd auf Pannen lauert und verzweifelt versucht, Karl Lagerfelds Gedankengänge nachzuvollziehen. Bei dem freakigen Knaben, der die Bandansagen der Berliner S-Bahn auswendig gelernt hat, statt Blockflöte zu üben oder die Wilden Kerle zu lesen, schalten wir um. Genug gesehen.
Der Moderator kam spät in der Nacht nach Hause. Im eigenen Auto, nicht mit dem Chauffeur. Wird auf der After-Show-Party also nur Mineralwasser getrunken haben.
Freitag, 5. Oktober 2012
Wenn im Jahr 2052 ...
... dein Enkel aus dem Musikprogrammierunterricht nach Hause kommt und dich fragt „Opa, was ist denn eigentlich dieser komische Jazzrock?“, dann spielst du ihm aus der Cloud dieses Stückchen hier vor. Er sagt danach bestimmt: „Boah, diese Bassspur ist aber sauschwer zu programmieren. Die Drums sind ja die Hölle! Und diese Geige kriegt nicht mal unsere KI hin!“
Dann konfrontierst du ihn mit der Wahrheit, er starrt dich eine geschlagene Minute entgeistert an und sagt schließlich: „Wie, echt jetzt? Die haben das per Hand eingespielt? Bekloppt!“
Donnerstag, 4. Oktober 2012
Die Rache des Zebrafohlens
Heute Nacht musste ich der Gattin die Funktionsweise eines G3 erklären. Ich brauchte sie als Rückendeckung.
Wir befanden uns nämlich aus irgendeinem Grund an einem mächtigen, über die Ufer getretenen Fluss. Darin waren ganze Herden von Wasserbüffeln, Gnus und Zebras ersoffen, und die Kadaver dümpelten in Ufernähe. Im Wasser hatten sich riesenhafte Krokodile versammelt, die immer mal wieder an Land schossen, um sich unvorsichtige Flaneure und Safari-Touristen zu schnappen. Es gab zwei Möglichkeiten, dem zu entrinnen: entweder von Huftier-Kadaver zu Huftier-Kadaver hüpfen und so den Fluss überqueren (lebensgefährlich!) oder über einen schmalen Uferstreifen zwischen dem Wasser und einem hohen Zaun fliehen. Ein beachtlicher Marsch, denn der Zaun verhinderte, so weit man blicken konnte, eine Flucht ins Hinterland. Also auch hier: lebensgefährlich!
Ich fand zwei intakte G3. Sie stammten vom halb zerkauten Safari-Wachpersonal am Flussufer, dem ich nun auch leicht angeekelt die Magazintaschen abnahm. Denn ich wollte bei der Flucht über den Uferstreifen vorausgehen und angreifende Krokodile wegputzen, wie ein Mann das eben tut, während natürlich jemand den rückwärtigen Bereich zu sichern hatte. Also musste ich der Gattin beibringen, wie man das Sturmgewehr bedient. Ging nicht anders. Ich war sehr erstaunt, wie gut ich das noch drauf hatte. An Details unseres Marschs erinnere ich mich nur vage, aber ich weiß noch, dass die Gattin sich sehr talentiert zeigte und weit mehr Krokodile umnietete als ich. Fließende, elegante Bewegungen: Magazinwechsel, durchladen, entsichern, Abzug drücken. Sie vollführte sogar Feuerstöße, obwohl ich ihr davon abgeraten hatte. („Gewehr bricht bei so was gerne nach oben aus. Einzelfeuer reicht, wenn du zwischen die Augen zielst.“) Die reinste Action-Heldin. Sie hatte danach nur einen blauen Fleck an der Schulter, von den dauernden Rückstößen, während ich von dem ständigen Geballer halb taub war.
Vor zwei Tagen hatte ich beim TV-Zappen eine Tierdoku erwischt, in der Krokodile Gnus und ein niedliches Zebrafohlen massakrierten. Ich habe weitergeschaltet, weil mir das zu grausam war. Nun kehrte es zurück. Nachdem ich es der Gattin erzählt hatte, meinte sie, sie hätte im Traum das Zebrafohlen symbolisiert und sich einfach nur an den ruchlosen Reptilien gerächt.
Dienstag, 2. Oktober 2012
Uhrzeit
Nach der Uhrzeit auf dieser Seite stelle ich alle paar Tage meine jeweils in Benutzung befindliche Handaufzugs- oder Automatikuhr. Ich frage mich dabei ständig, wer der Typ auf dem Foto ist. Er sieht eigentlich ganz nett aus, aber das könnte täuschen. Tatsächlich könnte er da gerade die Weltuntergangsmaschine bedienen. Man weiß es nicht. Aber ich denke, solange er beim nächsten Seitenaufruf kein diabolisches Grinsen auf dem Gesicht hat, kalibriert er nur, und wir sind in Sicherheit.
Montag, 1. Oktober 2012
Throne und Mächte
Der Mann soll die Gattin abholen von einer Feier draußen im Llano Estacado, wo mitten in der Nacht nichts mehr fährt. Der Mann kennt sich im Llano Estacado nicht so gut aus, aber er denkt sich natürlich: „Wozu habe ich das Navi?“
Als der Mann die Straße runter im dunklen Auto sitzt, das Gerät eingestöpselt hat und die Adresse eingeben will, ist das Gerät allerdings tot wie ein Roland-Emmerich-Film. Was ist das jetzt? Zu spät, der Sache auf den Grund zu gehen. Mann beißt die Zähne zusammen und fährt einfach los in die ungefähre Richtung des Llano Estacado. Er war zwar nie Pfadfinder, dafür aber Messdiener und verfügt demzufolge über einen Draht zu den himmlischen Thronen und Mächten. Die Throne und Mächte sind jedoch offenbar ihrerseits gerade auf einer Feier und schütten sich mit Messwein zu, denn es zeigt sich, dass die allerwichtigste Autobahnauffahrt, der einzig sinnvolle Weg hinaus aus dieser urbanen Wirrnis und in Richtung Llano, schlichtweg zugenagelt ist und die Umleitungshinweise so scheiße und klitzeklein und dunkel sind, dass der Mann einfach geradeaus fahren muss, immer weiter hinein in die stockdunkle Walachei, und die liegt bekanntlich in der Gegenrichtung des Llano Estacado. In der Hoffnung, irgendwo auf einen Umleitungshinweis zu stoßen, fährt der Mann stur weiter bis fast nach Hoboken/New Jersey, ehe er sich am Brennholzstapel zum Wenden entschließt, um wieder die ungefähre Richtung des Llano einschlagen zu können.
Die himmlischen Throne und Mächte haben ihre Feier inzwischen beendet, und nicht alle von ihnen sind besoffen. Der Mann findet sich urplötzlich wieder auf genau dem richtigen Autobahnkreuz und wählt am Viehpferch die genau richtige Abfahrt. Im Himmel schauen ihm inzwischen die paar nüchtern gebliebenen Throne und Mächte zu und sind sich offenbar uneins. Die Pro-Fraktion lenkt ihn nach einigen staubigen Kilometern am Versammlungshaus der Quäker auf die exakt richtige Abfahrt und in Richtung des Llano Estacado. Es gibt hier offenbar nur eine Straße. Die Contra-Fraktion sorgt jetzt jedoch dafür, dass das lauschige Zielörtchen, dieses vornehmliche Kuhkaff, das sich um eine einsame Ranch herum gebildet hat, deutlich komplexer ausfällt als gedacht. Es ist eine gottverdammte Stadt, wer hätte das gedacht, so weit draußen im Llano? Der Mann gondelt eine Zeitlang verwirrt von nächtlicher Straße zu nächtlicher Straße, von Allee zu Allee, von Prachtboulevard zu Prachtboulevard, wird vom Saloon aus sogar beschossen. Er tangiert das verrufene Hafenviertel, wird von einer Gang gejagt, die scharf ist auf seinen Kleinwagen, wendet diverse Male und ringt bei der Seniorenresidenz kurz um Atem, ehe die Pro-Fraktion die Contra-Fraktion mit alten Nackfotos von Burt Reynolds ablenkt und den Mann und sein Auto exakt da, aber wirklich exakt da!, platziert, wo die beiden hin wollen. Der Zielpunkt, den der Mann auf seinem Navi eingegeben hätte, sofern es denn funktionieren würde, ist übrigens eine Kirche. Als er aussteigt, erschallt von hinter dem verschlossenen Kirchenportal ein einzelnes, aber mehrstimmiges „Hosianna!“.
Mann läutet am Haus mit der Feier und holt Gattin ab, nur unwesentlich zu spät: „Sorry, Navi ist tot.“ Rückweg kein Problem. Mann kennt den Llano Estacado ja jetzt.
Zurück in der Wohnung und unter hellem Licht, entdeckt der Mann unten am Navi einen ihm bislang gänzlich unbekannten Schalter mit „Off – On“. Der Schalter ist im Grunde widersinnig, denn wenn man das Gerät herunterfährt – also nicht bloß auf Stand-by –, dann ist es ganz aus. Warum also dann noch einen Schalter dafür anbringen? Und dieser Schalter stand natürlich auf „Off“, obwohl das zuvor noch nie der Fall gewesen war. Mann korrigiert sich: „Navi ist doch nicht tot.“
In Zukunft vertraut er doch lieber der Pro-Fraktion.
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