Freitag, 28. Mai 2010

Wienerwald

Ich will meine Nicole aus Nohfelden zurück. Das war ein properes Mädel, Balsam auf unsere Kalte-Krieg-Neurosen. Sie vermittelte uns eine Utopie. Ihre Hintermänner hatten den Zeitgeist eingeschlürft, und das nachrüstungsgebeutelte Kern-Europa ließ sie auch noch demonstrativ gewinnen.
Die Neue ist ein 19jähriges Hühnchen ohne gesellschaftlich relevante Mission. Erzeugt im sozialdarwinistischen Mastbetrieb, gibt es an allen medialen Fronten als Authentizität verkleidete Allgemeinplätze von sich und behauptet auch noch, der Hype sei ja gar nicht so gemeint gewesen. Gack, gack, gack. So sinnentleert wie kopflos, ein maschinell erzeugter Snack zum Mitnehmen und lustvollen Zerlegen. So authentisch und individualistisch wie Wienerwald. Im Hintergrund stapeln derweil die Reptilien und Harpyien die Geldscheine zu handlichen Bündeln und züngeln und keckern und blecken die Zahnkronen. Ein Land in der Gewalt von Grinsern und Gutgelaunten.
Singen kann die Neue offenbar auch nicht, was mir aber egal ist, weil mich als Gitarrenästheten Gesang noch nie interessiert hat. Nicole, ja, die hatte eine Gitarre, und die war weiß und unschuldig, und sie benutzte dieselben Griffe wie die Leiterin unserer katholischen Jugendgruppe in der Jugendmesse.