Donnerstag, 15. Dezember 2011

Test-Tube Conceived

Musste auch dringend mal wieder durchgehört werden. Macht mich ganz sentimental. Das letzte Studioalbum von Herrn Calvert. 1986 erschienen. Zwei Jahre später war der Mann leider mausetot.
Ich halte Robert Calvert bekanntlich für einen der aufgewecktesten Rockmusik-Dichter des Atomzeitalters und des Kalten Krieges und für einen, der aus persönlichen Ambivalenzen große poetische Spannung generierte. Sein Interesse an Technologie und ihren Möglichkeiten befeuert auch die Kessel von Test-Tube Conceived, zugleich werden (Natur-) Wissenschaft und Weißkittel böse angegangen. Retortenwesen, Gen-Technologie, Tierversuche, Computerkriminalität, Psi-Experimente, Allmachtsphantasien – alles wird verhandelt. Mal treibt der Drang zur Ironie Calvert an, mal die Lust am L’art pour l’art, mal ist er engagiert und völlig frei von Humor. Beim Thema Tierversuche sind Spott oder Humor auch nicht unbedingt angesagt („Save Them“).
Ich mochte das Album damals nicht so sehr. War mehr so ein Pflichtkauf. Ich stand Mitte der Achtziger eher auf fetttriefenden Power-Rock, Metal sogar, also war mir Calverts Soundsoße zu dünn. Bis auf etwas schartigen Radau war die Platte quälend minimalistisch, skelettiert, steril, wavig, technoid, zu hingehaucht.
Heute erscheint gerade diese Zurückgenommenheit natürlich völlig konsequent. Man kommt sich vor wie in einem weißgekachelten, neonbeleuchteten Vivisektionsraum, während man einem hochkonzentrierten Pathologen beim Rumschnippeln zuschaut. Die asketischen, hallenden Synthie-Sounds, die aufgerauhte Stimme, die Langsamkeit und der gezielte Einsatz von Effekten machen aus Test-Tube Conceived ein gespenstisches Album mit sehr klaren, sehr poetischen Botschaften. Eine etwas aufwendigere Produktion, die aus Budgetgründen gestrichen werden musste, hätte der Platte dennoch gut getan.
Später im selben Jahr interpretierte Calvert zusammen mit der Begleitband Maximum Effect einige der Stücke live, und die Mitschnitte zeigen die fülligere, aggressive Seite dieser Technologiekritik. Eine neue Solo-Platte, die von Brian Eno produziert werden sollte, war in Planung, knackige Demo-Aufnahmen lagen vor. Und mit Hawkwind stand Calvert auch wieder in Verhandlungen. Mittendrin in diesem hoffnungsvollen Treiben haute es ihn 1988 um. Verdammt schade, denn das hätte spannend werden können.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen