Freitag, 12. August 2011

Breitschwert und Biest


Frühjahr 1982. Ich hatte gerade diesen Aushilfsjob bei der Zeitung bekommen. 40 Mark in der Woche, 160 im Monat. Damals als Taschengeld nicht zu verachten.
Zuvor hatte ich es mir immer zweimal überlegt, ob ich mir eine Platte kaufen sollte oder nicht. Musste schließlich dafür sparen. Das war nun vorbei. Die Hälfte des wöchentlichen Salärs wurde ab sofort in eine LP investiert. Eine Neuerscheinung kostete damals so 16,99 bis 17,99 DM. Im Fall von „Nice Price“-Produkten (7,99-9,99) konnten es auch schon mal zwei Platten werden. Es öffneten sich auf einmal neue Horizonte.
Ich wollte mich verändern, erweitern. Rockiger werden, weg vom Pop meiner Epoche und mich aufmachen in die märchenhaften, unbekannten Lande jenseits des täglichen Airplay-Horizonts. Da gab es so unendlich viel Material, das die Altvorderen uns hinterlassen hatten. Die erste Platte vom neuen Geld musste unbedingt zelebriert werden. Die Wahl fiel auf die legendäre, mythophile, flötenfetischistische, offenbar auch ein bisschen exzentrische Hardrock-Band Jethro Tull und ihr brandaktuelles Album The Broadsword and the Beast. Selbstverständlich zog mich auch das Fantasy-Cover an. Wahrscheinlich war es sogar der wichtigste Kaufanreiz.
Wenn ich die Platte heute mal wieder durchhöre, überläuft mich immer noch derselbe Schauer wie damals. Eine LP zum Entdecken, und exakt das richtige Album für den mythophilen Rock-Novizen. Ein Gefühl der Dankbarkeit durchrieselt mich.
Eine Inszenierung zwischen modern und klassisch-archaisch, voll von folkigem Hardrock, losgelassener Flöte und schönen Gitarren- und Mandolinenfiguren, düster dräuenden Fantasy-Metaphern, süffisanten Kalter-Krieg-Botschaften, poetischer Inbrunst mit Edda-Touch, mittelschweren Riffs und balladesker Schönheit. Selbst die hymnischen Stücke sind nicht klebrig, sondern zielen in melancholische Weiten (etwa: „Slow Marching Band“). Für Tull-Verhältnisse relativ neu waren die tuckernden Synths und Keyboard-Fanfaren, der geschmeidige Pop-Anteil, aber das wusste ich damals selbstverständlich noch nicht. Nach heutigen Maßstäben klingt das Album nur in wenigen Momenten nach käsigen Achtzigern (etwa: „Flying Colours“); der Rest ist zeitlos und gänsehauttechnisch nach wie vor groß. Danach wurde Woche für Woche der gesamte Tull-Backkatalog angeschafft. Und herrje, was gab es da alles zu entdecken!
Das persönliche Broadsword-Highlight heißt immer noch „Clasp“.