Samstag, 13. August 2011

Skript für eine Narrenträne (oder so)

Gerade online noch mal Script For A Jester’s Tear von Marillion durchgehört und als unfreiwillig komisch verworfen. Mehr als einmal schmerzhaft das Gesicht verzogen. Nee, die kommt mir als CD oder Download nicht ins Haus.
Nach wie vor bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass ich der Erste in der kreisfreien Stadt und dem drumherum liegenden Landkreis war, der 1983 dieses Debütalbum kaufte. Ich sah die LP in der Plattenabteilung des Kaufhof einsam herumstehen und fühlte mich angesprochen sowohl von dem tolkienesken Bandnamen wie auch dem überladenen Cover. Der kleine Entdecker war wieder mal auf Pirsch.
Als Rock-Anfänger war mir das schon ein bisschen rätselhaft. Zweifellos aktueller Frühachtziger-Sound, aber mit „epischen“, nahezu rezitatorischen Zügen, die auf etwas Älteres zurückverwiesen. Diese langen Stücke und ihre melodramatische Inszenierung, die aufwendigen Keyboards mit Klassik-Kuschel-Faktor, die Dynamikschwankungen, der expressive Gesang, die stetige Aufforderung seitens des Sängers, in seinen pathetischen Texten zwingend etwas künstlerisch Hochwertiges sehen zu müssen.
Erst zwei, drei Monate später las ich einen ersten kleinen Artikel über diese Newcomer-Band in der Zeitschrift „Musik-Szene“. Darin wurde Frontmann Fish nahe an ein Peter-Gabriel-Plagiat herangerückt und zitiert mit einer ganzen Latte von Einflüssen, die ich fortan mithilfe meiner Zeitungsjob-Geldquelle brav abarbeitete. Obwohl Fish darauf bestand, „moderne“ Musik zu machen und auch auf New Wave und Post-Wave zu rekurrieren, wurde seine Band von den musikjournalistischen Spaßbremsen doch eher angegangen als Retro-Truppe, als käsige Renaissance des überwunden geglaubten Progressive Rock. Mir fiel dann irgendwann auch die eklatante Abhängigkeit von Gabriel auf, mehr aber noch die von Peter Hammill. Der Anfang von Script … etwa ist Hammill circa anno 1973. Ich kaufte mir schließlich noch das Nachfolgealbum Fugazi, danach war Schluss. Während die Marillion-Alben an eine Mitschülerin verkauft wurden (fünf Mark das Stück), begann eine Liaison mit dem originalen, authentischen ProgRock der Siebziger, die letztlich in eine intensivere Liebesaffäre mit dem Hardrock und dem Psycho mündete. Der Marillion-Durchbruch, der Airplay-Hit „Kayleigh“, traf mich bereits mit verächtlich hochgezogener Oberlippe an.
Ich musste beim aktuellen Durchlauf des Debütalbums einige Songs echt abkürzen, denn die bedeutungsschwangere Amateur-Lyrik, das wichtigtuerische Gejammer, das instrumentale Herumgeschlacker und die Keyboard-Flokatis waren kaum zu ertragen. Manchmal ist es nicht förderlich, in die eigene Biographie abzutauchen.