Sonntag, 22. Juli 2012

GG-W-113 bzw. MIL-W-3818B


Dieser Uhrentyp datiert aus den frühen 60ern und ist eine Modifikation der ursprünglichen A-11 (s.u.). Sie wurde später zur sogenannten „Vietnam-Uhr“. Das Gehäuse der Vietnam-Uhr war dann meist aus olivgrünem Plastik und das ganze Ding als Wegwerfprodukt gedacht. Form und Material inspirierten ab den frühen Achtzigern u.a. Swatch, und aus der ehedem puristischen Gestaltung wurde ein Pop-Inferno.
Die Version aus den 60ern hörte auf die Bezeichnung GG-W-113 (die Air-Force-Version) oder MIL-W-3818B (die Army-Version) und bestand noch aus Metall. Der äußere Minutenring der A-11 wurde ersetzt durch einen inneren Ring mit 24-h-Angaben. Auf die Indices kamen Leuchtmarkierungen. Sie war einen Hauch kleiner als die A-11 und natürlich auch mit Handaufzug. Das Zeiteisen auf dem Foto ist wiederum ein Nachbau mit modernerem, sehr präzisem Gangwerk und Luminova-Leuchtmasse statt des damals üblichen (radioaktiven) Radium oder Tritium. Die eingestanzten Seriennummern auf dem Boden behaupten, dieses spezielle Exemplar sei von 1971. Ist natürlich Fake, aber als Illusion ganz hübsch. Die Version mit schwarzer PVD-Beschichtung kommt gut an einem helleren Durchziehband.

Sonntag, 15. Juli 2012

Pixar - 25 Years of Animation

Natürlich rennt mal wieder diese Frau durch die Ausstellung in der Bundeskunsthalle und befindet allenthalben, das sei ja hier für Kinder gar nicht geeignet. Sie möchte für ihren Nachwuchs nicht bloß Bilder und 3D-Objekte in Schaukästen, sondern auch Spielekonsolen und ähnliche Rappelkisten. Wobei ihr Nachwuchs allerdings erst kniehoch ist und sowieso eher ein Fall für Bauklötze als für Spielekonsolen. Da ist es mal wieder, das generelle Missverständnis, dass eine Ausstellung über Animationskunst doch gleichbedeutend sein müsste mit einem Spielplatz, einem Streichelzoo oder einem Besuch bei Toys R Us. Tatsächlich kommt die Ausstellung gerade aus dem Museum of Modern Art in New York und lässt nicht den geringsten Zweifel daran, dass es sich um Kunst handelt. Tatsächlich wirken hier so ziemlich alle Künste zusammen. 
Um das klar zu machen, werden anhand der diversen Pixar-Werke die Fertigungsprozesse separiert und durchgenommen und zugleich die Entwicklung der Computeranimation verdeutlicht. „25 Years of Animation“. Was es nicht gibt, sind Ausschnitte aus den Filmen selbst, denn, so das Argument, die kennt ohnehin jeder. Lediglich die frühen Kurzfilme ab 1984 werden auf Monitoren gezeigt, weil sie die technische Evolution veranschaulichen. Komplettheitsfanatikern und Traditionalisten sei gesagt, dass es wirklich nur um Pixar geht und inhaltliche wie formale Referenzen zu Vorreitern und Inspirationsquellen ausbleiben. Aber hätte man das auch noch berücksichtigen wollen, wäre der Rahmen gesprengt worden. Denn es wird sehr ausführlich und in zahllosen Exponaten auf die Schaffensprozesse eingegangen. Ich persönlich habe einen Narren gefressen am Color Scripting, der Phase nach den Storyboards, in der der Film in betont einfachen Farbsequenzen vorgefertigt wird. Durch die Simplizität und den Verzicht auf Details wird das Wesentliche einer Sequenz herausgestellt, wobei der Stil mittendrin geändert werden kann, um andere Aspekte zu betonen. Fügt man dies zu großen Wandpanelen zusammen, kommt ein überdimensionaler Comic heraus, der dem bekannten Film vage ähnelt und vor dem man ziemlich baff herumsteht. 
Dazu Vorstudien en masse, Recherchearbeiten, die an sich schon Kunst darstellen (etwa Korallen, Rifflandschaften, Kiemenstudien, Raumschiffdesigns, Müllplanetengemälde etc. pp.) sowie 3D-Güsse oder -Prints von Figuren und Objekten aus den Filmen, in nüchternem Grau erstarrt zu Bewegungs- oder Charakterstudien. 
Überall gibt es diese mordsmäßige, experimentelle Akribie zu bestaunen, die letztlich nur dazu dient, den Stil eines Films zu finden. Danach verschwinden diese unzähligen Objekte, die oft grandioser sind als das Endprodukt, in irgendeinem Lager. Es ist absolut angemessen, sie jetzt mal auszustellen. Zwei tolle Spektakel hat die Ausstellung auch zu bieten: ein drolliges Toy Story-Zoetrope sowie ein „Artscape“, bei dem all die Vorarbeiten zu weitläufigen 3D-Panoramen zusammengeschaltet und dann animiert werden, inklusive Sounddesign. 
Drei Stunden Aufenthalt, richtige Enthusiasten sollten da locker zwei Tage einplanen. 
Es bleibt, die persönlichen Pixar-Top-Five herunterzuzählen: 
5. Ratatouille 
4. The Incredibles 
3. Wall-E 
2. Oben 
1. Toy Story 3

Donnerstag, 12. Juli 2012

Intelligenzspiel

Die Gattin war nicht davon abzubringen, der Katze bei Tchibo dieses „Intelligenzspiel“ zu kaufen. Hölzerne Scheibe mit Vertiefungen, in die Leckereien rein sollen. Auf die Löcher werden dann hölzerne Kugeln platziert, welche die Katze im Bestreben, ans Futter zu kommen, spielerisch wegkicken soll. 
Meine generelle Skepsis diesem Objekt gegenüber wurde bestätigt. Die Katze ist zu intelligent für das „Intelligenzspiel“. Was soll man auch blöd irgendwelche bescheuerten Kugeln herumschubsen, wenn man sich einfach nur vor den Kühlschrank setzen und drauflos brüllen muss, um etwas zu fressen zu bekommen?

Mittwoch, 11. Juli 2012

Mitschnittdienst

Ich habe mich mal an den Mitschnittdienst des SWR gewandt, um einer verschollenen Doku-Film-Perle aus dem Jahr 1987 auf die Spur zu kommen. Es ist nämlich durchaus unwahrscheinlich, dass dieses Monument des Dokumentarfilms irgendwo noch mal zur Ausstrahlung gelangt. Ich besaß jahrelang einen VHS-Mitschnitt in bescheidener Bildqualität (geschuldet unserem damals schlechten terrestrischen TV-Empfang), aber das Band ging verschütt. Und das ist ein untragbarer Zustand. 
Nun heißt es abwarten, ob der Film im Archiv des SWR (damals hieß er noch SWF) auffindbar ist und wie viel eine Überspielung auf DVD wohl kostet. Die Herrschaften benötigen angesichts zahlreicher Anfragen etwas Zeit dafür und erstellen das Angebot dann individuell. Ich würde den Film nur zu gern unter den Stichworten „Biographisches“ und „Historische Dokumente“ im heimischen Archiv ablegen. 
Zwei Wege heißt der Film, ist eine 45minütige SWF-Doku etwa im Stil der späteren ZDF-Sendereihe 37 Grad und lief 1987 im Dritten. Es geht um zwei Burschen eines Trierer Abiturjahrgangs 1986, die unterschiedliche Entscheidungen getroffen haben, was die unmittelbare Zeit danach angeht: Einer will zum Bund, der andere macht Zivildienst. Beide gaben in Vorbesprechungen an, ihre Entscheidung begründen zu können. Das Filmteam begleitet sie etwa ein Dreivierteljahr lang und sucht sie episodenhaft bei ihren jeweiligen Tätigkeiten heim, um vor Ort zu erforschen, wie es ihnen mit ihrer Entscheidung ergeht. 
Es war noch Kalter Krieg, das Thema „Landesverteidigung“ zog einen kaum überbrückbaren Graben mitten durch unsere heimelige bundesdeutsche Binnengesellschaft. Es war zeitgeschichtlich höchst relevant. Heute kannste damit die Enkel zu Tode langweilen. 
Der Wehrpflichtige aus dem Film, nennen wir ihn mal P. – einfach deshalb, weil es zutrifft –, war unser Schreibstubenhengst. Weil er ein Quartal über mir war, also bereits im Juli 1986 eingezogen wurde und ich im Oktober, bekam ich den Besuch des Filmteams während seiner Grundausbildung im Hunsrück noch nicht mit: Während dieses Sommers ging ich noch dem nach-abituriellen Müßiggang nach. Und das war auch gut so. Aber der zweite Besuch der Filmfritzen (Einsatzkompanie in der Eifel mitten im kältesten Winter der Welt) traf dann auch mich an. Während einer Staatsbürgerkunde-Szene im Lehrsaal bin ich für zwei Sekunden im Bild. Profil, Nahaufnahme, keine Sprechrolle. Womöglich reizte dieser zauselbärtige, nickelbebrillte Freak den Kameramann: Er, der Freak, sah eher aus wie einer dieser gefürchteten Grünen und nicht wie ein Landesverteidiger. Ich kann den Kameramann und den Cutter verstehen. Es blieb allerdings mein bisher einziger TV-Auftritt. Und das ist auch gut so. 
Den Mitschnitt gab ich zu Hause bei meinem Vater in Auftrag, während wir Soldaten die Erstausstrahlung des Films nach Dienst auf den Stuben verfolgten. Ich erinnere mich an allerhand Gejohle und daran, dass, als vor der Kamera Ps Freundin zu seiner Wehrdienst-Entscheidung befragt wurde, jemand „Boah, was für Hupen!“ brüllte. 
P. war, wie gesagt, der Schreibstubenhengst unseres Zuges und kam kaum jemals an die frische Luft. Er legte meistens in der trockenen, warmen Schreibstube Akten ab, schaute aus dem Fenster, schlurfte in seinem unnachahmlichen Schlurf-Stil über die Gänge und beteiligte sich nebenher an einem Aufsatzwettbewerb des Bundespräsidenten mit der Aufgabenstellung „Warum mein Zugführer mein Vorbild ist“. Seine Stiefel musste er auch nie putzen, denn die wurden drinnen nun mal sehr viel weniger dreckig als unsere draußen. Ja, und eine Zwei-Mann-Stube hatte er ebenso. Wir hingegen wohnten immer zu sechst. 
Als das Filmteam anrückte, war es ein wenig enttäuscht von Ps derzeitigen Lebensumständen. Es wollte natürlich ein bisschen zünftige Action filmen. Also wurde dem Fernsehzuschauer gegenüber kackfrech die Illusion von Gefreitem P. als Kampfschwein erzeugt. Man kommandierte den notorischen Innendienstler zu einem Mobilen Fernmeldetrupp ab und schickte ihn und ein paar ausgewiesene Kriegernaturen in die Botanik. P. wurde dorthin gefahren, der Rest marschierte. Da baute das Außenteam dann in klirrender Kälte sein Equipment auf, warf einen Generator an, stöpselte ein paar Stecker in die Vermittlungsstelle – und wurde mittendrin vom Feind überrascht. Alarm! Unter aufstiebendem Schnee sprang Gefreiter P. unter die weiße Grasnarbe und organisierte die Gegenwehr! Es ist eine der anrührendsten Action-Szenen der Filmgeschichte. 
Es gab dann noch die erwähnte Szene im Lehrsaal, mit dem sanftmütigen Major als Star am Referentenpult. Dem Zuschauer sollte ein bisschen politische Bildung seiner Soldaten suggeriert werden. Als die Filmtypen endlich weg waren, übernahm der Zugführer das Pult, und es ging wieder um unser Lieblingsthema: Panzererkennung. Und Gefreiter P. schlurfte indes auf seine Schreibstube zurück, denn mit Panzern hatte er es nicht so. 
Das wirklich Großartige an dem Film mit dem Titel Zwei Wege ist jedoch, dass er absolut tendenziös ist. Während Gefreiter P. unter offensichtlichem Einsatz seines etwas schlurfigen Lebens das Vaterland verteidigt, verzögert sich andernorts der Antritt des Zivildienstes, und der Zivildienstkandidat hängt nur rum. Und hängt rum. Und hängt rum. Kopfhörer auf, eine bizarre Batikdecke an der Wand sowie Zappa und sonstige Tour-Poster. Gefreiter P. rödelt, und sein Antagonist döst. Und döst. Und döst. Irgendwann dann, potzblitz, sehen wir ihn auf seiner Zivildienststelle beim Roten Kreuz. Er trägt so ein Hilfssanitäter-Leibchen, und seine Hauptbeschäftigung scheint darin zu bestehen, irgendwelche Notizen auf einem Klemmbrett zu machen. Derweil bibbert Gefreiter P. unter der Grasnarbe, während der Pulverdampf übers Gelände weht, Schüsse peitschen und Befehle gebrüllt werden. 
Ich bin jedoch nicht der Auffassung, dass der Film damals absichtlich tendenziös geriet. Es lief nur einfach etwas schief beim Casting der beiden Helden. P. war zwar ein Schlurfer, redete langsam, aß langsam, hatte etwas provozierend Dröges an sich, aber er war nun mal verhältnismäßig eloquent und konnte seine staatstragende Mission adäquat vermitteln: Das System, in dem man lebt, zu verteidigen helfen. Wehrpflicht ist gut, denn sie wirkt dem Staat-im-Staate entgegen. Bla, bla. Auch Ps Eltern und seine Freundin – die mit den Hupen – wurden befragt und äußerten sich in zusammenhängenden Sätzen überwiegend pro Bundeswehr und Landesverteidigung. Ps Gegenüber hingegen bewegte sich rhetorisch meist unterhalb der Artikulationsebene, brummte, während er da auf seinem Bett lag, irgendwas von „Friedfertigkeit“ und sonst eigentlich nix. Und das auch noch so hölzern, dass man ihn vom Bettpfosten kaum unterscheiden konnte. Seine alten Eltern, befragt nach ihrer Meinung, verwiesen auf die schlimmen Erfahrungen des WKII und zuckten ansonsten mit den Schultern. Dazu kam natürlich die eklatante Verzögerung beim Auffinden und Antreten der Zivildienststelle, die jene fatalen Gegenschnitte erzeugte, bei denen der Krieger voll die Action hat und der Zivi mit Zappa chillt. Was für ein Faulenzer! 
Der Autor des Films hatte sich nun mal bereits im Frühjahr 1986 für diese beiden Typen entschieden und musste sie nun so akzeptieren, wie sie waren. Er hatte gar nicht vor, der Wehrpflicht das Wort zu reden, sondern hat versucht, seine Helden so authentisch wie möglich abzubilden. Dass er da zwei Gestalten erwischt hatte, mit deren zeitgeschichtlicher Relevanz es nicht sehr weit her war, ging ihm vermutlich erst im Laufe des folgenden Jahres auf. 
Diese wunderliche Doku mit dem einzigen TV-Auftritt des Hüters dieses Weblogs zeigt, völlig unabsichtlich natürlich, die unendlich banale Seite damals heißumkämpfter Deutungshoheiten. Ein kleines Stück abgebildetes – und manipuliertes – Leben. Und natürlich eine Realsatire, die unbedingt archiviert werden muss. Mach hinne, Mitschnittdienst.

Montag, 9. Juli 2012

Electric Tepee

Widmen wir uns heute mal einem Album, das meines Erachtens zu den Top Ten der Hawks gezählt werden muss und mit dem das neue Album Onward gewisse Ähnlichkeiten aufweist. Es ist der 92er-Output Electric Tepee
Die Band hatte zuvor drei Mitglieder verloren, und die Kerntruppe entschied sich, keine neuen Leute einzuspannen, sondern es mal eine Zeitlang als Trio zu versuchen. Brock, Davey, Chadwick, sonst nix. Die Verschlankung war jedoch nur rein äußerlicher Natur. Der Sound ist breiter und barocker denn je. Der neo-proggige Ansatz wird beibehalten, ebenso die synthie-symphonischen, multidimensionalen Klangräume. Es erfolgt jedoch eine stärkere Hinwendung zu den damals gerade angesagten Strömungen Techno, Ambient und Trance, und vermischt wird das mit einem beinahe Strawinsky-haften Drang zu schief liegenden Harmonien und expressionistischem Drama. Aber das alles wäre nichts ohne den gejammten, von fixen Basslinien nach vorne getriebenen Möbiusschleifen-Hardrock, der Highlights am laufenden Band ausstößt. Dazwischen das technoide, trancige Füllmaterial, das seine Talsohle recht früh auf den überflüssigen Tracks 5 und 6 erreicht, sich dann mit „Snake Dance“ langsam herausarbeitet, ehe es sich sprunghaft in die zweite Albumhälfte katapultiert, die ein einziger Klangfarbenrausch ist. Es fällt wirklich schwer, hier einen favorisierten Track zu definieren. Ist es einer der Rocker, vielleicht das kauzige „Secret Agent“, das liebreizend straighte „Right to Decide“, das traurige „Sadness Runs Deep“ oder das unglaublich aufgebretzelte Remake von „Mirror of Illusion“ (1970) unter dem Titel „Mask of the Morning“? Oder ist es doch einer der Ambient-Tracks, etwa das hochdramatische „Don’t Understand“ mit seinem niedrigfrequenten Blubbergerüst und den Geräusch-Samples oder das entspannte, meisterliche „Going to Hawaii“? Unmöglich zu sagen. 
Obwohl Electric Tepee die üblichen düsteren, apokalyptisch anmutenden Soundscapes zeigt, gerät das Album doch ungewohnt licht. Das hat auch damit zu tun, dass Dave Brock seine Rhythmusgitarre in einen fast gitarrenpoppigen Obertonbereich hinein platziert und sie ziemlich weit vom Metal entfernt. Das Dumpfe, Schwere fehlt diesem Album fast vollkommen, was wiederum zur schamanischen Mutter-Erde-Ästhetik, den Worldmusic-Anteilen und der Cover Art passt. 
Electric Tepee ist eine echte außerweltliche Erfahrung.

Samstag, 7. Juli 2012

Beton

Har, har. Die Linke kritisiert die Pixar-Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn als Disney-Konzernwerbung. Im Zuge der Anime-Ausstellung letztes Jahr war erstaunlicherweise nichts dergleichen zu vernehmen, obwohl auch die nichts anderes war als Konzernwerbung für Ghibli und Disney. 
Das ist mal wieder ein schönes Beispiel für den marxistischen Kunstbegriff: Jede Kunst muss auf politischen Gehalt überprüft und – eventuell – abgelehnt werden. Ob es den Leuten Freude bereitet, ist dabei irrelevant. Die Leute müssen vor ihrem eigenen Amüsement beschützt und in revolutionäre Bahnen gelenkt werden. Ich plädiere dafür, die Linken-Geschäftsstelle in Köln-Süd mit fetzigem sozialistischen Realismus auszumalen und einen rosaroten nackten Beton-Lenin mit Knollennase auf den Bürgersteig zu stellen, der im revolutionären Gestus auf die Eingangstür weist. Vielleicht kriegen die dann auch mal ein bisschen Publikum.

Mittwoch, 4. Juli 2012

Außengastronomie

Holla, unerwartet lebhaft gestern in der Außengastronomie auf dem Veedel-Bürgersteig. Eine Unzahl an Müttern mit Kindern und Kinderwagen. Statistisches Mittel: 3,4 Kinder pro Mutter. Irgendwo war wohl ein Nest. Internationaler Krabbelgruppen-Kongress oder so was. Sie flanierten im Rudel durchs Veedel, einige nutzten auch die Außengastronomie. Als wollten sie einen durch das geballte Aufkommen unter Druck setzen. Seht her, unser Leben hat einen Inhalt, eures hat keins. Besorgt euch auch euren Lebensinhalt. Der krabbelt dann den ganzen Tag lang den Leuten zwischen den Füßen herum, stellt sich neben einen Tisch und stiert die Gäste penetrant beim Essen an, rennt ständig vor die Autos und Radfahrer auf der Straße und bringt die Bedienung mit dem Tablett nicht nur einmal, sondern gleich dreimal zu Fall. 
Nun, das Aufkommen sorgte für ziemliche Verzögerung bei den Bestellungen, und das Essen kam einfach nicht. Wir hatten Kohldampf und hätten beinahe den kleinen Thilo gegessen und eine Mutter ihres Lebensinhalts beraubt. Thilo war ein echtes Prachtstück an Lebensinhalt. Uns erwuchs jedoch Konkurrenz in Gestalt eines offenbar ziemlich hungrigen Hundes, der unter einem Stehtisch angeleint war und sich immer in Angriffsposition duckte und in Vorfreude die Schnauze leckte, wenn der herumflitzende Thilo ihm zu nahe kam. Das Essen erschien dann irgendwann doch, Thilo stand die halbe Zeit neben mir, starrte mich an und blies mir ins Gesicht, ehe er wieder in Richtung Hund abzischte. 
Ich weiß nicht, wie’s ausging, weil wir dann doch irgendwann zahlten und uns satt, aber gewohnt lebensinhaltsleer vom Acker machten. Aber ich vermute, Thilo hat’s überlebt, denn sonst hätte heute Morgen irgendwas in der Zeitung gestanden.

Montag, 2. Juli 2012

Wurstigkeit

Neulich mal auf Arte (wo sonst?) den vierstündigen französischen TV-Verfilmungsversuch von Auf der Suche nach der verlorenen Zeit anzuschauen versucht. Man ist ja ambitioniert. Nach einer Dreiviertelstunde völlig erschöpft aufgegeben. Der Held war eine Hanswurst sondergleichen, gespielt von einem Hanswurst-Darsteller von selten gekannter Wurstigkeit. Allein der Gang! Und erst das Hütchen! Und diese gekräuselten Lippen beim Schmunzeln! Argh. Es gibt Leute, die müssen gehasst werden. Lasst ihn zwischen den Buchdeckeln, gebt ihm nicht auch noch ein Gesicht und einen Gang. Ein wehleidiger, läppischer, komplett lebensunfähiger Möchtegern-Flachleger und wichtigtuerischer Nichtsnutz, verachtenswert in seiner egozentrischen, parasitären Lebensart, mit grotesker, quasi-inzestuöser Oma-Bindung und pubertären Pulp-Phantasien. Hätte sich heutzutage bestimmt gut als Blogger gemacht. 
Ich weiß, ich habe selbst Literatur studiert. Das muss so. Das war damals so. Und natürlich konnte auch nur ein solcher Vollspachtel zu den Ansichten gelangen, zu denen er gelangt. Die dann Weltliteratur wurden. Aber vier Stunden freiwillig dieser Wurst bei der Bettlägerigkeit zusehen? Nee, Arte, geh fott! 
Dann die DVD von Blade Runner reingeschoben und mit nicht geringer Verblüffung festgestellt, dass Replikant Roy Batty allen Ernstes der exakte Gegenentwurf zu dem französischen Würstchen ist. Als hätte der Arte-Quark irgendwas im Unterbewusstsein dazu veranlasst, genau diesen Film einzulegen, um dieser Verbindung nun endlich auf die Spur zu kommen. Gelobt sei Arte.