Eines der ewigen Lieblingsalben. Es bildet zusammen mit dem Vorgänger Book of Invasions und dem Nachfolger The Man Who Built America die Irland-Amerika-Trilogie der Horslips. Auf allen drei Covern findet sich eine mysteriöse Schale oder Scheibe, vermutlich spätantikes oder mittelalterliches keltisches Handwerk, welche die Platten visuell als zusammengehörig kennzeichnet. Auf dem Aliens-Cover wird sie auf die Gesichter der Bandmitglieder projiziert.
Das erste Album ist thematisch angesiedelt in der mythischen Vergangenheit der Grünen Insel und findet für den Celtic Rock die endgültige Form. Niemals zuvor und niemals danach wurden feenzarte und pfeilschnelle Keltenklänge so überzeugend in Rockmusik überführt wie auf Book of Invasions von 1976. Für mich persönlich steckt das Album noch etwas zu sehr im verkünstelten Progressive Rock fest, und es ist mir ungeachtet der Brillanz einzelner Songs eine Spur zu ambitioniert. Aliens von 1977 erzählt die Geschichte weiter und berichtet streiflichtartig von den irischen Amerika-Auswanderungswellen ab dem 19. Jahrhundert. The Man Who Built America macht genau da weiter und schildert die Schicksale derjenigen, die in den USA heimisch wurden – inklusive natürlich des obligatorischen irischen Heimwehs. Dieses Album sollte auch dazu dienen, der Band den amerikanischen Markt zu erschließen, weswegen die Produktion zu glatt und zu mächtig zugleich ausfiel. Auch hier gilt: tolle Songs, aber insgesamt zu viel Mainstream und durchaus auch in Süßlichkeit umkippende Melancholie.
Aliens dokumentiert ein Zwischenstadium zwischen verschnörkelt und mainstreamig. Die Platte erinnert sich sehr wohl an das mythische, nebelverhangene Irland und an die Notlagen, die zur Emigration ganzer Landstriche führten, weist aber auch schon die geschäftige Urbanität NYCs auf. Nachdem das Nebelhorn des New Yorker Hafens uns begrüßt hat, geht Aliens sofort in den Rock-Modus und scheppert uns grundsolide Riffs um die Ohren, sowie knochentrockene, hämmernde Drums, einen pluckernden Bass, wimmernde Keyboards und eine vielgestaltige E-Gitarre. Die Songs sind recht kurz, und in den wenigsten Fällen kommt es zu den typischen Übergängen einer „progressiven“ Rock-Suite mit mehreren Sätzen, einem Coda und all solchem Zeug – wie es noch auf Book of Invasions der Fall war. Die vielzähligen Klangfarben der traditionellen keltischen Instrumente werden nur noch zur Untermalung von Songs genutzt, die ansonsten von klassischen Rock-Strukturen und einer doppelten E-Gitarre geprägt sind. Nichtsdestotrotz finden ständig folkloristische Motive und Figuren Verwendung, die meist im Hintergrund operieren und den Rocksongs eine Tiefendimension geben. Auffällig ist ebenso die allgegenwärtige, an Jethro Tull angelehnte Querflöte, wohingegen Geige, Tin Whistle, Harmonika, Mandoline auf Soundtupfer reduziert werden. Das hat einigen eingefleischten Folk-Fans nicht gefallen, aber genau dieses Aufbrechen des Althergebrachten und ein bisschen Vernebelten zugunsten eines knackigen, modernen Hardrock-Sounds macht Aliens aus. So kommt es nämlich, dass die herzzerreißende Traurigkeit, die dem wahren Iren innewohnt, kollidiert mit rumpelndem, vor Melodiefreude überschäumendem Powerrock. Das alles kulminiert bereits auf Track vier im besten Celtic-Rock-Song, der mir je unterkam: „Sure The Boy Was Green“.
Aber das ganze Album läuft rund und hat keinen, überhaupt keinen Ausfall. Selbst das etwas pathetische Instrumentalstück „Exiles“ bringt gestandene Kerle zum Heulen. „Come Summer“, im Grunde seines Wesens eigentlich eine Ballade, pluckert überraschend rockig daher, während beim todtraurigen „Ghosts“ wieder die Tränen fließen. „Stowaway“ hört sich an wie ein Chris-de-Burgh-Song, bevor Chris de Burgh dran war – ungezähmt nämlich. Und dann sind da natürlich ein halbes Dutzend nach vorne getrommelter, riffiger Rocker wie „Second Avenue“ oder „A Lifetime To Pay“, das gegen Ende kaum mehr aufhören will und es dann bedauerlicherweise doch tut.
Wunderbare 38 Minuten und einer der seltenen Fälle, in denen der Mittelteil einer Trilogie der beste ist.