Samstag, 20. Dezember 2008

Wenn Blödheit auf Blödheit trifft

Ich steige also ein ins Auto, nur um mal zu überprüfen, ob die Batterie noch da ist. Wochenlanger Auto-Nichtgebrauch, niedrige Temperatur und so weiter. Alles in Ordnung, Zündung funktioniert, alles leuchtet. Mehr muss ich nicht wissen.
Ich will schon wieder aussteigen, als mir auffällt, dass im Ablagefach zwischen den Sitzen die alten Parkzettel, das Fensterwischschwämmchen und die uralte Mini-Packung hitzegehärteter Gummibärchen durcheinander geworfen wurden. Mein Blick wandert langsam zum Handschuhfach, und das kognitive Zentrum im Kopf bemerkt, dass das Fach offensteht. Dann gleiten die Äuglein zur Mittelkonsole und registrieren dort ein Loch, das vorher irgendwie nicht da war. Befand sich dort nicht mal dieses blöde Autoradio? Ja, ich glaube, da war es mal. Ist es jetzt allerdings nicht mehr, nur ein Loch. Hmm, wie das?
Ein intensiverer Blick offenbart keine Schäden. Im Handschuhfach fehlt nichts, die Anwohner-Parkerlaubnis ist noch da, die Halterung des mobilen Navi auch, die Gummibärchen ebenso. Ein Marsch ums Auto zeigt ebenfalls keine Schäden. Nirgendwo Einbruchspuren, nicht der kleinste Kratzer, kein Hinweis. Keine beschädigten Schlösser, keine aufgestemmten Holmen, keine durchstochenen Dichtungen, erst recht keine zerschlagenen Scheiben. Lediglich die Beifahrertür ist unverriegelt. Es dämmert mir: Ich alternde, hirnlose Kreatur habe sie beim letzten Mal nicht abgesperrt, möglicherweise aufgrund eines Missverständnisses. Die Lebensgefährtin hat sie nach dem Aussteigen mittels des Arretierungsknöpfchens verriegelt, ich dachte jedoch, sie hätte das nicht getan, ging ums Auto herum und schloss sie per Schlüssel ab – wobei ich sie in Wirklichkeit wieder aufschloss. So stand der Wagen wochenlang da. Kann ein einzelner Mensch so blöde sein? Yes he can.
Der südstädtische Junkie ist also möglicherweise schon vor zwei Wochen im Schatten der Pauluskirche die parkenden Autoreihen abgewandert und hat an den Türgriffen probiert. Bis er einen Wagen fand, der offen war. Meinen.
Nun ja, dieses spezielle Autoradio hat heute einen Zeitwert von etwa fünf Euro. Wenn`s hochkommt. Dafür gibt’s beim Hehler keinen Goldenen Schuss. Nicht mal in den dunklen Ecken des Flohmarkts, wo die Ukrainer abhängen. Ich habe das Radio seit 2003, als ich es mit dem Gebrauchtwagen drumherum kaufte, genau zweimal benutzt. Einmal zum Verkehrsfunkhören in einem argen Stau, ein anderes Mal schloss ich einen tragbaren CD-Player von Aldi mittels einer Spezialcassette an, die den Output des Players übers Cassettenfach an die Lautsprecher gibt. Die Qualität war scheiße, ich tat es danach nie wieder. Wenn ich es doch mal kurz einschaltete und Sender fand, bekam ich es stets mit diesen grauenerregenden Radio-DJs zu tun, diesen Gute-Laune-Arschgeigen, dem Schrecklichsten also, was dieser Höllenplanet zu bieten hat. Ich schaltete umgehend ab und lauschte lieber den Motorgeräuschen. Die Dachantenne ist dauerhaft eingefahren, weil sie während der Fahrt über meinem Kopf im Wind immer schlackert und quietscht.
Damit wäre bereits festgestellt: Das Radio hatte keine CD-Funktion und auch keinen entsprechenden Schacht. Von MP3 und solchem neumodischen Kram ganz zu schweigen. Das Radio war scheiße. Ich weiß nicht mal, welche Marke es überhaupt war. Bei Polizei und Versicherung müsste ich sagen: "Ich glaube, es war schwarz, könnte aber auch hellgrau gewesen sein, vielleicht war es auch neongrün. Ach ja, es machte Geräusche, wenn man es einschaltete. Ich glaube, man nennt sowas Populärmusik. Hilft Ihnen das weiter?""
Der Dieb hat also das nutzloseste, toteste Objekt unter der Sonne gestohlen, musste es womöglich durch die halbe Stadt schleppen und bekam von seinem Hehler 50 Cent in die Hand gedrückt. "Wir in Ukraine hören MP3 in Auto, Kumpel! Hier, du dir kaufen Lolli, Blödsack!"

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