Freitag, 3. Juli 2009

The Chronicle of the Black Sword

Die Moorcock-Vertonung von 1985 ist neu raus. Sie war endlos lang nur sehr teuer gebraucht zu haben – oder irgendwo als heimlicher MP3 für das Diebesgesindel.
Ich fand seit geraumer Zeit, dass dieses Album doch sehr gealtert ist und mitunter unangenehm käsigen Mittachtziger-Metal anbietet. Eigentlich war ich schon damals leicht enttäuscht, denn als Epos reichte es nicht an die epochale Hawks/Moorcock-Kooperation Warrior on the Edge of Time von 1975 heran, was vielleicht auch an der Abwesenheit des exzentrischen Rezitators Moorcock selbst lag. Er hatte zu Black Sword lediglich einen einsamen Songtext beigesteuert, allerdings einen schönen Bardentext. Ich mochte außerdem das stumpfe Schlagzeug von Danny Thompson nicht. Da hätte man den Job genauso gut von einer Techno-Stampfmaschine erledigen lassen können. An Techno dachte 1985 noch keiner so richtig, andererseits war es damals üblich, alles möglichst steril klingen zu lassen. Thompsons Spiel muss also als Tribut an die Epoche gelten. Mir gefiel auch nicht die allzu simpel gestrickte Jerry-Cornelius-Hymne „Needle Gun“, mit der die Band unverschämt Quo-like klang und sich keinen Gefallen tat.
Die ein Jahr später erschienene Live-Auswertung Live Chronicles entschädigte jedoch für so manches. Noch barocker und härter/düsterer im Sound, weiterer epischer Bogen, nicht so ökonomisch, und Moorcock war als Märchenonkel mit auf der Bühne. Obwohl die Erstausgabe der Doppel-LP aufgrund eines Copyright-Konflikts seiner Rezitationen beraubt worden war. Auf dem VHS-Video zur Show war er jedoch zu sehen und zu hören. Heute ist er auch in Neuauflagen des Live-Albums wieder integriert. Cherry Red Records hat dafür gesorgt.
Nun wurde also auch das Black Sword-Studioalbum nachgereicht, mit draufgepackten Bonustracks und neu abgemischt. Es bekommt mehr Volumen, mehr Bass, mehr schwermetallische Rhythmusgitarre, die Effekte und Sonics gehen tiefer ins Hirn, Alan Daveys Bass ist ungeheuer lebendig, die Echolot-Geräusche in „Sea King“ hallen mindestens drei Sekunden länger nach als früher. Die Bonustracks sind von 1984, beinhalten die komplette EP Earth Ritual und zeigen einen Unterschied. Die Gitarren sind da noch verzerrter, fast punkig, während sie sich auf den härteren Black Sword-Sachen eindeutig an Metal orientieren. Obwohl die Band damals plötzlich durch Heavy-Metal-Gazetten geisterte (und ehrfurchtsvoll besprochen wurde) und noch heute einige das Album als „Metal-Schlacht“ empfinden, ist es eher verspielter, hochtechnisierter Hardrock mit Ambient-Ruhezonen, balladeskem Geschwebe, Schichten um Schichten an Effekten sowie einem leitmotivischen, an- und abschwellenden Brummen, das eventuell den Chaosfürsten Arioch symbolisieren soll. Es ist das Geräusch, mit dem die Platte beginnt und das danach immer wiederkehrt, wie eine metallische Riesengrille auf Brautschau, um am Ende in einer exzellenten Prä-Techno-Percussion-Soundscape-Schlangengrube mit dem Geschehen zu verschmelzen und sich zu winden wie ein verwundeter Drache. Ausgerechnet auf dem Bonustrack „Arioch“, einer ziemlich verschollenen, instrumentalen Single-B-Seite von damals, fehlt das Brummen indes.
Beim erneuten Hören überrascht, wie viel Material auf einer soliden Blues-Hardrock-Basis steht. Die erträglichen Passagen von "Needle Gun" könnten ein Southern-Rock-Gitarren-Jam sein, und am Ende von "Sleep of a Thousand Tears" würde es nicht verwundern, wenn Huw Lloyd-Langton plötzlich die Slide-Gitarre rausholt. "Zarozinia" verursacht hingegen einfach nur durch seine Schlichtheit Gänsehaut. Dave Brock versucht sich einige Male als Shouter, glücklicherweise hat er aber keine Hodenprobleme. Überhaupt ist das Album im Vergleich zu anderen Moorcock-Adaptionen von Grunz-Metallern oder eiergequetschten Jodlern eine ziemliche Wohltat.
Es bleibt allerdings ein Rätsel, weshalb das banale „Needle Gun“ es auf das Album schaffte, obwohl es thematisch gar nicht im Kosmos des Schwarzen Schwerts angesiedelt ist, aber die von Gitarrist Lloyd-Langton gefertigten, melancholischen Melodic-Rock-Stücke „Moonglum“ und „Dreaming City“ dem späteren Live-Album vorbehalten blieben, wo sie bis heute ihren einzigen Auftritt haben. Diese Songs hätten schon das Studioalbum enorm aufgewertet.
Das alles ist gewiss nicht das größte Songwriting der Welt, blinkt etwas zu sehr im neongrellen Achtziger-Schick, bietet aber nach wie vor ein brodelndes Soundgewitter aus dem Multiversum, in dem Chaos und Ordnung sich bekriegen. Schönes Artwork von John Coulthart. Ich bin froh, das Ding auch als großformatige LP zu besitzen. Am besten ist das Werk im Zusammenhang mit Live Chronicles zu goutieren, denn das Nachfolgealbum erweitert den Kosmos in jeder Hinsicht. Außerdem tanzte darauf der Weltenbauer dann auch selbst mit.
Unter den Bonustracks befindet sich mit „Green Finned Demon“ (von der 84er-EP) eines der hypnotischsten Stücke der kompletten Hawks-Geschichte. Es gab die Songs dieser EP in digitalisierter Form zwar auch schon auf dem Sampler Mighty Hawkwind Classics, aber als Bonustracks von Black Sword befinden sie sich stärker in ihrem natürlichen Fantasy-Umfeld.