Samstag, 23. Oktober 2010

Zweimal die Ministerpräsidentin und Bundesratspräsidentin berührt, ohne von Bodyguards zu Boden geworfen worden zu sein

Nun ja, „berührt“ ist vielleicht etwas übertrieben. „Gestreift in der Menge“ trifft es besser, und das mehr so zufällig. Und Bodyguards hatte sie eigentlich auch keine dabei, nur so was wie Referentinnen im Schlepptau, den OB und eine Fotografin mit Metall durch die Backe. Anlass war die Neueröffnung des großen Kölner Museumsbaus Rautenstrauch-Joest/Schnütgen (Kulturquartier am Neumarkt). Riesendings. Völkerkunde und Mittelalter. 1600 geladene Gäste, alle Offiziellen mächtig stolz nach fünfzehn Jahren Planungs- und Bauzeit. Ministerpräsidentin auch. Irrsins-Catering vom Feinsten. Es gab kein Getränk, das es nicht gab. Ich war eine Viertelstunde vor Beginn schon ziemlich angeschickert. Zusätzlich gab es Häppchen, Fingerfood und später so was wie Currywurst in einer Schale aus Brot. Die obligatorisch anwesende Kunstmuse – sie hatte diesmal einen goldenen Hasenhut mit Weihnachtsherzchen auf dem roten Wallehaar – sprach mit uns. Ein bisschen wirr, aber das muss so. Der internationale Glamour hielt sich allerdings in Grenzen. Ich sah Rupert Neudeck; beim Thema Völkerkunde ist der Mann sicher irgendwie erwartbar. Ansonsten eher lokale Größen, Politik und obere Zehntausend sowie ein echter Beduine und schwarzafrikanische Schamanen im mitteleuropäischen Zwirn, die mittendrin mal angesichts eines Totempfahls zu Gesängen anhoben. Alle lauschten interessiert, es hätte jedoch auch das gesungene Telefonbuch ihres Heimatdorfs sein können. Der riesenhafte indonesische Reisspeicher im riesenhaften Foyer war von extra eingeflogenen indonesischen Reisspeicheraufbauern aufgebaut worden, die so etwas als Einzige auf der Welt noch beherrschen. (Woraufhin das Kölner Arbeitsamt anfragte, warum indonesische „Dachdecker“ eingeflogen würden, wenn doch genügend Kölner Dachdecker arbeitslos seien. Tss.)
Sehr hübsch geworden, alles, sehr modern und haptisch. Beim Marsch aus der spärlich-punktuell beleuchteten Bekleidungs-Abteilung in die gleißend helle Jenseits- und Begräbnisriten-Abteilung durchschreitet man ein von der Decke bis zum Boden hängendes Kunstfaserfäden-Labyrinth und kommt sich vor wie in einem mystischen Nebel. Als Erstes danach erblickt man eine bunte Kuh mit erhobenem Schwanz (was bei uns zu Hause bedeutete, dass sie gleich strullt), wobei ich mich belehren lassen musste, dass dies ein Stier und zugleich ein Sarg sei. Weiter hinten tolle Buddhas, hinduistische Tempelpforten und ein mächtiger Penis. Kicher. Vor allem bei den Sachen aus Bali und weiter östlich wird einem auch endgültig klar, woraus sich die sprudelnde Phantasie etwa eines Herr Myazaki so speist. Im neu eingerichteten „Junior-Museum“ sind moderne Kinderzimmer verschiedener Kulturen eingerichtet, und im japanischen hängen bezeichnenderweise Bilder aus Mein Nachbar Totoro. Bezüge, Bezüge.
Das Museum Schnütgen, dessen traditionelle Räume in der romanischen Kirche St. Cäcilien durch den Neu-/Anbau angemessen erweitert wurden, ist eine Perle mittelalterlich-frühneuzeitlicher Sakralkunst. Weltberühmt. Mir taten allerdings irgendwann die Beine weh.
Die 1600 geladenen Gäste verflüchtigten sich dann am späten Abend so langsam, nicht wenige von ihnen leicht schwankend und zu laut redend. Ab heute stehen die beiden Museen jedermann zur Verfügung.