Freitag, 29. April 2011

Ein schönes Fest

Als wackere Royalisten haben wir uns im English Shop für den heutigen Tag eingedeckt. Union Jack, Anis-Plätzchen, Tee, Schokotrunk von Cadbury. Für mich gibt’s Salt and Vinegar Chips. Lecker. Die Gemahlin trägt Hut und winkt mit dem Union Jack. Gesprochen wird heute nur Englisch. Eine originale Royalisten-Tasse aus der Staffordshire Pottery wurde bestellt, ist aber nicht pünktlich angekommen. Meine Schuld, war zu spät dran.
Schmucke Uniformen gibt’s zu sehen, allerhand Orden und Säbel. Super. Viele bizarre Hüte, die den Gesetzen der Physik spotten und vermutlich an die Köpfe genagelt worden sind. Die meisten Adligen haben abstehende Ohren, zu große Zähne und Putenhälse, aber das ist im Prinzip keine neue Erkenntnis. Die Bäume, die in der Kathedrale aufgestellt wurden, dienen als Austrittsmöglichkeit für inkontinente Mitglieder des House of Lords. Die Kameras schwenken derweil dezent weg. Einige der jungen blonden Adels-Chicks schauen etwas gequält drein, was daran liegen mag, dass längeres Sitzen mit goldenem Löffel im Arsch schmerzhaft ist. Und Menschenmassen können sie beeindruckend organisieren, die Briten. Sehr zivilgesellschaftlich und zugleich diszipliniert. Während alle Welt auf diesen bräsigen Balkonkuss wartet, fiebere ich dem Vorbeiflug der Ehrenformation der Royal Air Force entgegen. Ein Lancaster-Bomber, zwei Spitfires, danach zwei Eurofighter und zwei Tornados – während Kommentator Rolf Seelmann-Engerling von „Phantoms“ spricht. Keine Ahnung, der Typ.
Ein schönes Fest! Etwas nervig waren lediglich die ständigen Bild- und Tonsprünge in der ARD, die den ganzen bildgestalterischen Aufwand torpedierten. Die Gemahlin vermutet, dass im Ärmelkanal ein Fisch an der Leitung knabberte. Vermutlich ein sog. Sabotagefisch, den Anti-Royalisten vor Folkestone ausgesetzt haben.

Donnerstag, 28. April 2011

Wear your t-shirt with pride

Erfreulich. Das Bestellformular im Merchandise-Shop der Horslips funktioniert beim zweiten Versuch. Somit wird der Sommer nun aufgewertet durch ein T-Shirt der besten Celtic-Rock-Band, die je existierte.
Gerade in einem Zeitalter, in dem man unablässig von brusthaarrasiertem„Mittelalter“-Metal, weltanschaulich unerfreulichem Gothic-Gekröse, dem esoterischen Elfengeklimper verwirrter Rollenspieler und zahllosen Pseudo-Herr-der-Ringe-Soundtracks auf Myspace-Seiten malträtiert wird, ist ein freimütiges Bewerben dieser irischen Storyteller, Märchenhelden und Elfen-Rocker durchaus angebracht. Es gilt, ein Gefühl wiederherzustellen, einen anderweltlichen Schwebezustand, und auf der sommerlichen Männerbrust Zeugnis abzulegen von einem virtuos vorgetragenen, rustikal volksmusikalischen Eskapismus, dem nichtsdestotrotz eine historisch-sozialkritische Note innewohnt, die das Schweben gleichsam erdet.

Mittwoch, 27. April 2011

Vierteljahrhundert

Ha, es geht los! Murmelnd erheben sich die ersten Stimmen zum 25jährigen Abi-Jubiläum. Ein Vierteljahrhundert. Das ist ein Viertel eines Jahrhunderts. Alle sind jetzt dick, hässlich, laut und erfolglos sowohl im Spiel wie in der Liebe. Angepeilt ist ein herbstliches Treffen in Deutschlands ältester Stadt, die sich seitdem auch ein bisschen verändert hat. Ein bisschen, nicht viel. Am eklatantesten: Der Name der Schule wurde inzwischen zwangsgeändert, weil irgendwelche Aufrechten den ollen Feldmarschall und Reichspräsidenten nicht mehr zu dulden bereit waren. Wir Hindenburgianer sind also zum Aussterben verdonnert.
Es herrschte Kalter Krieg damals, die Frisuren waren schlimm, die Brillengestelle auch, und ich erlangte mit der Antwort „Dies ist eine Spore“ die zweitbeste mündliche Abiturnote des Jahrgangs. (Nur mündlich, nicht die Gesamtnote.) So richtig bemerkt hat das jedoch niemand. Auf der offiziellen Abi-Feier trug ich einen E-Gitarren-Anstecker und einen Hawkwind-Anstecker und war nicht rasiert. Herr Jöricke kam, vermutlich aus Pop-Gründen, in Bermuda-Shorts und Hawaii-Hemd. Der Schuldirektor echauffierte sich öffentlich über die „unverschämte“ und „infantile“ Abi-Zeitung. Danach gingen meine Eltern und ich in Brauns Fischrestaurant (selig) ordentlich spachteln. Mehr war nicht. Keine Glückwunschanzeige in der Zeitung, kein Auto, keine Weltreise. Dieser Scheiß wurde erst später erfunden, als man jungen Dingern so lange einredete, sie hätten gerade etwas unglaublich Tolles vollbracht, bis sie es selbst glaubten und peinliche Autoaufkleber auf ihre Abitur-Prämien-Autos pinnten.
Es folgte ein entzückend melancholischer, ein bisschen desorientierter Sommer, danach der Dienst bei den Starship Troopers („Reitersmann! Mobile Infanterie!“). Erst dann war der Staatsbürger fertig.

Dienstag, 26. April 2011

Osterspaziergang, nur leicht unscharf

Der diesjährige Osterspaziergang begann mit einem Frühstück im Park und durchmaß danach das Viertel Länge mal Breite mal Höhe. Mit dem erklärten Ziel, Örtlichkeiten zu entdecken, die bislang unentdeckt blieben, und Zusammenhänge herzustellen, wo bisher keine waren. Die Aktion erwies sich durchweg als Erfolg.
Der Spaziergang nahm seinen leicht experimentellen Charakter auch deswegen an, weil ich erstmals eine ungeschliffene 5-Euro-Sonnenbrille vom Drehständer einsetzte und auf die herkömmlichen Augengläser verzichtete. Der bemerkenswerte Effekt, dass das Augenlicht mit fortschreitendem Alter besser wird, hält weiter an, und es ist im städtischen Raum nicht mehr zwingend erforderlich, auf geschliffene Gläser zurückzugreifen. Nach hinten raus wird es etwas unscharf, jawohl, aber es wurde weder gegen Laternenpfähle oder vor Autokühler gerannt, noch war es nötig, den Finger in die Gürtelschlaufe der Gemahlin einzuhaken. Irgendwann werden sie ihn „den Adler“ nennen.

Freitag, 22. April 2011

Was ist Wahrheit?

Hab immer noch Restmoleküle des Messdieners in mir. Karfreitag ist was Besonderes, dräuender Endpunkt eines nicht ganz unspannenden Prozesses. Karneval, Fastenzeit, Kreuzwegandachten. Zwischendurch wurde es Frühling. Die Knospen sprossen, die Hormone zuckten. Dann das „Klappern“ der Jugend während der Karwoche. Richtiggehend durchstrukturiert, eminent wichtig und wichtigtuerisch. Am Ende gab’s Eier als Honorar. Dann das mit Purpur verhängte Kruzifix. Ernst, dunkel, pathetisch, aber in gebannter Erwartung von etwas Geheimnisvollem. Man wusste ja, wie die Story ausgeht, aber gerade die jährliche Wiederholung machte den Reiz aus. Der autoritäre Priester wurde noch frommer und unausstehlicher. Einfach ducken und durch. Bloß nicht lächeln, keinesfalls furzen vorm Altar. Der nettere Priester wurde ernst und in sich gekehrt. Besser nicht ansprechen mit etwas Banalem. Damals am Altar in verteilten Rollen die Johannes-Passion gelesen. Der (nettere) Priester war Jesus, ein Freund von mir (ist heute Priester) las den epischen Text, ich gab alle anderen Figuren. Sehr wichtig: den bedeutsamen Pilatus-Satz „Was ist Wahrheit?“ richtig zu betonen.
Was ist Wahrheit?
oder
Was ist Wahrheit?
oder
Was ist Wahrheit?
keinesfalls jedoch:
Was ist Wahrheit?
Die jährlich wiederkehrende Diskussion über den Karfreitag als unbedingten Ruhetag ist mir heutzutage mächtig schnuppe. Ruhetag war es früher eigentlich auch nicht, war sogar eher stressig. Was sich allerdings keinesfalls ändern darf, ist das inflationäre Versenden von Jesus-Filmen im Fernsehen.

Mittwoch, 20. April 2011

Unter schwarzer Flagge

Das am Rande des Rosenmontagszugs gefundene Entermesser aus gepresstem Schaumstoff ist ein voller Erfolg. Was soll man überteuertes Katzenspielzeug kaufen, wenn man über so etwas Geiles verfügt? Dreimal täglich wird ausgiebig auf Kaperfahrt im Dienste Ihrer Majestät gegangen, geentert und gefechtet. Die Katze macht den Errol Flynn, hechtet auf die Reling (Sofalehne), rennt hakenschlagend über Deck (Parkettboden), springt in die Wanten (Bücherregale), entert feindliche Schiffe (Küchentheke), ständig am Fighten und Fechten. „Nehmt dies, Sir Fitzwilliam, spanischer Spion!“ Allerdings hat Errol Flynn meines Wissens nie in gegnerische Klingen gebissen.

Dienstag, 19. April 2011

Distant Horizons

Es gilt, einen Eklat zu verarbeiten. Dieses Album von 1997 habe ich mir damals gar nicht erst gekauft. Ich war irgendwie anders drauf. Hatte keine Lust auf die Hawks. Ich wusste sehr wohl von der Existenz des Platte und hatte sie, wenn ich mich recht entsinne, im Virgin Mega Store auf dem Pariser Champs Elysees (!) sogar mal in der Hand, aber ich kaufte sie nicht. Unglaubliches und nach heutigen Maßstäben skandalöses Verhalten. Dann wurde das Ding auch schon wieder gestrichen und fortan zu Unsummen gehandelt. Erst viel später schnappte ich sie mir aus dem Internet, weil nirgendwo anders dranzukommen war, wenn man sich nicht ruinieren wollte.
Nun wurde sie neu herausgegeben von Cherry Red Records. Sie gilt als das schlechteste Komplett-Studio-Album der Band. Distant Horizons wurde vom Bandmanager und Besitzer der Plattenfirma publiziert, während die Band sich auf einer USA-Tour befand und von diesem Schritt selbst überrascht wurde, denn das Album befand sich noch im Rohbau. Der Sound ist dumpf und schartig, beinahe grungig, und fällt gegenüber anderen Publikationen ab, das Songmaterial zerbröselt und gerät uneinheitlich. Danach war das Tischtuch zwischen der Band und dem langjährigen Manager endgültig zerschnitten. Letzterer sahnte inzwischen ohnehin mit Chumbawamba ab.
Dennoch ist Distant Horizons einen kleinen audiophilen Trip wert. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bei den Hawks der Sound mindestens so wichtig ist wie der Song, gibt es auch hier Rauschhaftes zu hören. Bassist Alan Davey war zum ersten Mal ausgestiegen (er kam später wieder, um dann noch mal auszusteigen), und den Bass übernahm Sänger Ron Tree, der weitaus weniger flink spielte als Davey, dafür aber noch schwerer und massiver. Zudem hatte Dave Brock sich der Mitarbeit eines weiteren Gitarristen versichert, Jerry Richards von der Festival-Band Tubilah Dogs. Tree und Richards nahmen maßgeblich Einfluss auf dieses Album, und ihr Drang zu Neo-Punk und Neo-Metal unter gleichzeitiger Nutzbarmachung des psychedelischen Gitarren-Solos verpasste der Band tatsächlich einen neuen, ruppigen Sound, bei dem die dumpfe Produktion stellenweise durchaus vorteilhaft wirkte. In den besten Momenten des Zusammenspiels und des Mixes blitzt hier eine Besetzung durch, die an die der frühen 80er hätte anknüpfen können. Es kommt auf Distant Horizons zu beachtlichen Eruptionen und Punk-Metal-Attacken, zu denen Richard Chadwick am Schlagzeug vertrackte, hippe Rhythmen beisteuert, während Brock das alles mit seinen Riffs unterstützt und zwischendurch immer mal wieder in gewohnt meditatives Schweben verfällt.
Als Ganzes ist dieses Album ohne jeden Zweifel gescheitert, aber Bastarde wie „Phetamine Street“, „Reptoid Vision“, das stoische „Wheels“ oder der gitarrenflirrende Richards-Output „Alchemy“ sind Gründe genug, sich die neu abgemischte Version dieses Baustellen-Albums nun zu besorgen.
Mehr auf den Punkt gebracht, mit mehr Konzentration, hätte aus dieser Crew etwas werden können. Aber sie blieb zu kurz beisammen, um mehr als das hier abliefern zu können.

Samstag, 16. April 2011

Liebe auf dem Garagendach

Ehepaar Ente ist neu verliebt und will seine Beziehung neu erkunden. Ohne die neugierigen Blicke der Geflügelwelt unten am Weiher, ohne die blöden Kommentare der Bekannten, die obligatorischen Herrenwitze der Erpel, die Vollidioten in den Tretbooten und die ganzen ablenkenden Brotkrumenschmeißer. Bei sich selbst sein.
Deswegen hängen sie den ganzen Tag lang auf den lauschigen Garagendächern unseres Hinterhofs ab, patschen auf ihren Schwimmfüßen herum, quaken sich verliebt an und beschnäbeln sich. Oder sie ziehen den Kopf ein und machen Mittagsschläfchen nebeneinander. Er bringt ihr stolz gerupften Garagenklee, und sie schaut bewundernd zu ihm auf. Oder er zeigt ihr die schattige Restpfütze ganz hinten, durch die sie hübsch mit ihrem Schnabel pflügen kann. Ziemlicher Romeo. Manchmal heben sie ab, starten den Nachbrenner und fliegen Richtung Park, vermutlich zur Dienstbesprechung oder zum Brotkrumenfassen, aber nach einiger Zeit sind sie wieder da und bequaken sich.

Freitag, 15. April 2011

Ehehygiene

Ich brauchte noch ein paar Farbdöschen, hauptsächlich „Schilfgrün, seidenmatt“, also zu Fuß zum nächsten Modellbauladen. Der befindet sich genau zwischen „Erotikverleih“ und „Ehehygieneartikel“. Keine Sorge, ich fand schließlich die richtige Tür, stand aber zuvor einige Minuten versonnen vor den dezenten Schaufenstern der beiden flankierenden Läden und war hellauf begeistert vom Begriff „Ehehygiene“. Hielt ihn für ausgestorben, aber er existiert offensichtlich noch.
Die Kombination ist einleuchtend. „Erotikverleih“ ist nämlich so eine Sache. Jeder verantwortungsbewusste Eheteilhaber sollte wissen, dass man geliehenen Objekten aus diesem Marktsegment vor der Nutzung antibakteriell zu Leibe rücken muss. Erfreulicherweise findet der Eheteilhaber gleich daneben „Ehehygienartikel“. Der verantwortungsbewusste Nutzer leiht sich also in Laden Nummer eins Objekte aus und geht dann in Laden Nummer zwei, um hygienische Vorsorge zu treffen. Schöne Symbiose. Diejenigen Ferkel, die Laden Nummer zwei links liegen lassen, sind dann selbst schuld. Und zwischendurch geht der geneigte Nutzer dann womöglich noch in den Modellbauladen und kauft sich dort eine Panzerhaubitze mit echt langem Rohr.

Donnerstag, 14. April 2011

Geschmolzen

Heute Nacht träumte mir sehr lebhaft, dass Kampfflugzeuge vom Typ Su-27 und Hawker Harrier GR Mk 7 den Elfenwald bombardiert haben. Napalm und so. Dabei sind all den Elfen ihre Gummi-Spitzohren und Larp-Gummischwerter geschmolzen, und sie sahen danach echt scheiße aus. Und ich musste dreckig lachen. Elfen. Ich hasse Elfen.
Ich glaube, der Traum geht zurück auf ein Telefonat mit Thomas Plischke vor einigen Tagen. Wir haben da so ähnliche Witze gerissen.

Montag, 11. April 2011

Holländerin stiehlt Schelle nach Rüsselbeschneidung

Gerade eben erst hatten wir den Waschmaschinenanschluss im Keller optimiert, weil es dort dauernd Überschwemmung gab und das den Vermieter wie üblich nicht interessierte. Also selbst was gekauft und angeschraubt. Die Holländerin, mit der wir den Abfluss teilten, ist soeben ausgezogen und hat neben ihrer Waschmaschine auch die Klemmschelle mitgenommen. Mit der hatte ich unter Aufbietung meiner letzten Kräfte ihren Schlauch an den Abfluss gezurrt. Ich glaube, sie hat die neue Konstruktion gar nicht bemerkt und hatte demzufolge auch keine echte Vorstellung davon, dass das MEINE VERDAMMTE SCHELLE war. Andererseits ist es vermutlich nur gerecht, weil ich ihr den Rüssel beschneiden musste, damit er auf den Abfluss passte. Der Waschmaschine, nicht der Holländerin. Die hatte meines Wissens gar keinen Rüssel.
Kaum war sie mit Hilfe einer holländischen Umzugsfirma aus ihrer Wohnung raus, huschte ein Studentenhühnchen rein. Ich werde darauf bestehen, dass es seine eigene Schelle mitbringt. Denn sonst gibt’s wieder Überschwemmungen. Es besteht auch die Möglichkeit, dass die bereits in der Ecke lauernde, nicht angeschlossene Waschmaschine der neulich eingezogenen Schickse den frei gewordenen Platz erobert. Für die Schickse gilt jedoch ebenso: an meinem Abfluss nur mit Schelle.

Samstag, 9. April 2011

Blue Coupe: Tornado on the Tracks

Blue Coupe traten eine Zeitlang in US-Clubs als Tribute Act der Alice Cooper Band und Blue Öyster Cult auf. Daher auch der Name. Das ist ganz sinnig, denn die Kombo besteht aus äußerst relevanten Ex-Mitgliedern beider Bands und hat somit die zweithöchste Credibility, die man nur erreichen kann. 2010 entschloss man sich zur Nagelprobe und nahm ein Album mit eigenem Material auf. Voller Erfolg. Große Freude beim Endverbraucher.
Dennis Dunaway (Cooper-Weggefährte) und die beiden Brüder Albert und Joe Bouchard (einst die unvergleichliche Rhythmusgruppe von BÖC) wissen, wo sie herkommen. Creepiger, angedunkelter, manisch gitarrenfixierter Melodic-Hardrock in Trio-Besetzung. Wurzeln in den späten Sechzigern (Byrds, Doors, Dylan), in Blues-Rock und Boogie, natürlich den beiden Stammbands ebenso wie in diversen Alternativ-Zonen. Anzug-Outfit, wunderliche Texte, Verwendung von Tritonus und „Frightmotif“. Und es zeigt sich wieder mal, dass es sich lohnt, die ganz offenkundig vorhandene metallische Ader nicht gänzlich freizulegen, sondern sie latent schwingen zu lassen und lieber mit den Roots herumzuspielen. Es entsteht entschieden mehr Dynamik als beim bloßen Drauflosholzen. Entspannter, aber aufwendig komponierter Rock mit teils leichtem Gothic-Touch und Wüstenmagie. Und natürlich Harmoniegesängen. Gleißendes Gitarrenwerk, knockentrockene Snare, voluminöser Bass. Daruntergemischt die gruseligen Schwingungen eines dunkel-poetischen Amerika. Erstaunlich unnostalgisch, könnte als viel jüngere Band durchgehen. Ab jetzt ausführlich in Rotation.

Freitag, 8. April 2011

Dies und das, das und dies

Ich werde langsam zum Fan deutscher Beziehungsdramen. Gestern Abend Alle Anderen auf arte. Selten, eigentlich nie, einen Film erlebt, in dem man als Zuschauer so oft die Position zwischen den beiden Protagonisten wechselt. Die Frau ist ein schwieriges Wesen im emotionalen Rohzustand und mit ätzender Ehrlichkeit, das dringend nach einer Prägung sucht. Der Persönlichkeitskern des Mannes besteht aus einer diffusen Unzufriedenheit, der er durch instinktiven Opportunismus zu entfliehen sucht. Wie gut, dass wir keine Thirty-somethings mehr sind und stattdessen voll spießig und so.

Beeindruckende Anti-Atomkraft-Demo vor dem Kölner Rathaus: drei Demonstranten. Kein Wunder, wo doch der Anti-Atomkraft-Sticker inzwischen in CDU-Kreisen gehandelt wird wie Ecstasy und Sticker-Dealer durch die Lobby schleichen („Psst! Hey!“). Noch haben sie ihn nicht an ihre Audi-Limousinen gepappt, die Herrschaften, aber zu Hause an den Badezimmerspiegel ganz sicher schon.

Schockschwerenot, der Mittelalter-Weihnachtsmarkt soll vom Hafen auf den Chlodwigplatz verlegt werden. Dann laufen hier im Advent die ganzen Dödel rum und quatschen einen in ihrem Mittelalter-Sprech an. („Beliebet der Magister einen Schoppen unseres gar vorzeiglichen Rebensaftes zu verkostigen? Nur drei Taler!“ --- „Watt? Hab bloß Euro!“)

Physiker haben ein mysteriöses neues Teilchen entdeckt und sind ganz aus dem Häuschen. Allerdings ist das Ding viel zu schwer, um das theoretische Higgs-Boson, das „Gottesteilchen“, zu sein. Es wäre aber durchaus möglich, dass Gott einem seiner eigenen Naturgesetze unterworfen ist: Im Alter wird man fülliger.

Samstag, 2. April 2011

Windel

Bis zum gläsernen Kunden ist es wohl doch noch etwas hin. So irre perfekt sind die Algorithmen und Parameter noch nicht. Unter den Amazon-Kaufempfehlungen für die Gemahlin ist das Buch Moritz Moppelpo braucht keine Windel mehr. Das finde ich im Prinzip erheiternd.
Andererseits könnte es natürlich ein handfester Hinweis sein von unser aller Lebensberater Amazon: Hey, Kundin, wird langsam Zeit. Denk dynastisch. Die Uhr tickt. Macht euch einen Moritz zum Buch.
Das wiederum fände ich beunruhigend.