Samstag, 23. Juni 2012

Claes Oldenburg in Dodge City

Claes Oldenburg – The Sixties im Museum Ludwig. „It may not be pop art, it may be something else”, sagt eine der Pop-Art-Ikonen. Ja, genau, der Künstler ist bei der Eröffnung anwesend und spricht zu uns. Ein sympathischer, humorvoller alter Herr im Übrigen. 
Prägend für Oldenburgs Sechziger ist die Transformation. Alltagsobjekte mit für gewöhnlich festen Formen werden weich und labbrig und scheinen in sich zusammenzusinken. Zur besseren Verdeutlichung dessen werden sie von vornherein gerne mal ins Riesenhafte aufgebläht und gewinnen schließlich surreale Qualitäten. Zusammengesackte Sanitärkeramik aus Vinyl, Tortenstücke aus Segeltuch, Werkzeug, ein drei Meter hoher, zusammenfallender Ventilator. Die komisch-verstörende Analyse einer unsicheren Welt. Mein Favorit ist natürlich die „Soft Toilet“ von 1966. Zu bewundern gibt es auch die Installationen mit gebastelten Lebensmitteln oder Konsumartikeln („The Shop“), deren Oberfläche und scheinbare Konsistenz etwas ganz anderes zu suggerieren scheinen als das, was es eigentlich darstellen soll. Auch das kündet vom bedrohlichen Eigenleben der Objekte. Highlight sind natürlich auch das „Mouse Museum“ (nur von oben als solches erkennbar!), in dem man stundenlang exzentrischen Krimskrams und Miniaturen studieren könnte, sowie der „Ray Gun Wing“, in dem Pistolen von der totalen Abstraktion ins Konkrete und wieder zurück geführt werden. 
Die Promi-Dichte hält sich diesmal in Grenzen. Ich identifiziere lediglich den gefeuerten Opernintendanten, Peer Steinbrücks Bruder, den-Mann-den-sie-Nase-nennen, den-Mann-der-mit-dem-Fahrrad-kommt, die bullige Muse, die elfenhafte Muse sowie etwas lokalen Geldadel. Angesichts der Tatsache, dass die Nation sich auf ein Viertelfinale vorbereitet, ist es ziemlich gut besucht, leert sich aber gegen 20.30 Uhr. Im Gegensatz zu neulich bei der Lichtenstein-Eröffnung ist die von mir heimlich angebetete Marietta Slomka diesmal nicht da. Als ich später während der Halbzeit das heute-journal sehe, weiß ich auch, weshalb. Sie hat Dienst in Mainz, zusammen mit meinem hartnäckigen Rivalen Heinz Wolf, der ihr nie von der Seite weicht. 
Auf der Rückfahrt nach Hause – während der ersten Halbzeit – wirkt die Stadt wie die Pop-Art-Ausgabe von Dodge City nach der Neutronenbombe. Überall Tumbleweeds, und an den Straßenecken drücken sich einige mutierte Gestalten in Staubmänteln herum. Auch in der Postkutsche – ähm, U-Bahn – kein Überlebender. Kurz vor der Haustür fällt das erste Tor, und hinter den Kulissen von Dodge City erhebt sich auf einmal körperloses Jubelgeschrei und hallt übers Set.