Montag, 25. Juni 2012

Verordnung A-11



Die Verordnung A-11 des amerikanischen Verteidigungsministeriums schrieb in den frühen 1940ern den Herstellern von Armbanduhren für die US-Armee vor, wie eine solche Uhr auszusehen und welche Funktionen sie aufzuweisen hatte. Das Ergebnis wurde auch als „Musteruhr“ bezeichnet und strahlte wegen seiner puristischen Funktionalität, aber auch wegen der ‚gleichmacherischen’ Qualität bald in die Zivilgesellschaft ab. 
Es gab von Hersteller zu Hersteller kleine Unterschiede in den Details, aber im Prinzip gehorchten sie alle der Verordnung A-11. Andere Staaten, vor allem Alliierte, schlossen sich dem an. Zahllose Soldaten nahmen diese Zeitmesser danach mit ins Zivilleben. Man findet heute noch viele funktionstüchtige Exemplare, denn die Dinger laufen und laufen. Das Problem mit den Originalen ist jedoch, dass man als Kunde (etwa auf eBay) nie so genau weiß, was man da kriegt. Die Uhren sind nun mal recht betagt. Und die alten Handaufzug-Gangwerke haben mitunter ihre Macken. Mehrere Minuten Zeitabweichung pro Tag sind möglich. Außerdem sind die meisten recht klein, weswegen sie heutzutage als Alltagsuhren nicht mehr recht praktikabel oder vorzeigbar erscheinen. Moderne Nachbauten, die mit präziseren Gangwerken ausgestattet sind, wecken da schon eher mein Interesse. 
Diese Uhr nun ist ein solch qualitätsvoller, schnickschnackfreier Nachbau einer A-11, die der Hersteller auf etwa 1943 datiert. Ein Statement des Reduktionismus. Simpel und kostengünstig, denn sonst wäre es nicht echt. Rein mechanisch mit Handaufzug und der damals neuen „Hack“-Funktion (Sekundenstopp). Keinerlei schriftliche Verlautbarungen auf dem Zifferblatt, nicht mal der Herstellername. Nicht zu groß, nicht zu klein. Signifikant für die erste amerikanische A-11-Generation sind die Minutenangaben in Zehnerschritten auf einem äußeren Indexring.
Für den im Quarz-Zeitalter großgewordenen Uhrenträger bedeutet dies natürlich, dass er sein selbstverständliches Laissez-faire ablegen und zum disziplinierten Charakter reifen muss. So, wie es früher war. Eine solche Uhr will nämlich einmal am Tag aufgezogen werden. Per Hand. Ich fürchte, heutzutage sind viele Leute mit so etwas völlig überfordert.
Die Ganggenauigkeit ist indes faszinierend. Nur kleine Abweichungen. Der Sekundenzeiger gleitet dabei in solch feinen Rucken übers Zifferblatt, dass es fürs menschliche Auge aussieht wie eine einzige fließende Bewegung. Die Uhr ist sehr leise, wenn man sie sich aber ans Ohr hält, vernimmt man nicht das Tick-tick-tick neumodischer Gangwerke, sondern das stetige helle Pluckern der Mechanik. Gegen diese sinnliche Schönheit wirkt eine Quarzuhr wie ein Bauerntrampel.