Donnerstag, 6. Dezember 2012

Sechs bis siebzehn, mindestens jedoch acht

Dicken Kopp heute Morgen. Habe mich vorerst arbeitsunfähig geschrieben. Denn unlängst habe ich im Veedel nach Jahren den cineastischen Ex-Nachbarn wiedergetroffen. Mit Söhnchen. Haben uns dann für gestern Abend verabredet. Ohne Söhnchen. Es waren dann so zwischen sechs und siebzehn Kölsch pro Mann, mindestens aber acht, im Stehen am Brauhaus-Ausschank und mit einer besonders skrupellosen Köbes-Frau. Ich bin das nicht mehr gewohnt, aber es war angemessen bei den ausführlichen Diskussionen über Rush-Platten, die schwierige Klassifizierung von Spielberg-Werken und diese Art von Filmen, in denen die Leute hierhin und dorthin gehen.
Auf dem Rückweg musste ich auf dem Grünstreifen dezent ins Gebüsch, und danach schlenderte plötzlich ein „griechischer Jude aus Zypern“ neben mir, ein rauschebärtiger, reisender Straßenmusikant mit über den Rücken geschlungenem Akkordeon, und brachte mir in einem nächtlichen Redeschwall seine Zivilisationstheorie zu Gehör: Alle Kulturvölker, so meinte er, wanderten irgendwann nach Norden. Erst die Griechen, dann die Römer, und in zwanzig Jahren werden alle Europäer in Grönland leben – denn da ist ja dann das ganze Eis weg. Wir gingen derweil jedoch Richtung Süden, wie mir auffiel, aber ich verschwieg es und nickte bloß. Er verknüpfte das alles dann noch mit einer recht kleinteiligen anarchistischen Staatstheorie, die mir in dem Moment relativ egal war. Ich hatte sechs bis siebzehn Kölsch intus, mindestens jedoch acht. Ich bemerkte lediglich, dass er trotz geringen Autoverkehrs zur Nachtstunde an jeder roten Fußgängerampel diszipliniert stehen blieb und mich nicht nach Geld, nicht nach Zigaretten und nicht nach einem Schlafplatz fragte. Anarchisten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.