Sonntag, 19. August 2007

Jan vom goldenen Stern

Diese Kinder-Mini-TV-Serie, in späteren Wiederholungen ein einzelner 90-Minüter, wurde im Sommer 1979 vom WDR in unserem Dörfchen gedreht. Regie: Peter Podehl, der auch an Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt verantwortlich mitgewirkt hatte. Meine Oma starb in diesem Sommer, und die Dreharbeiten mussten während der Beerdigung ruhen, weil die Filmleute kein störendes Glockengeläut auf ihren Bändern haben durften. Der Drehort befand sich direkt unterhalb des Friedhofs. Ich besaß damals als einziger Dorfknabe ein Autogramm vom Hauptdarsteller (gleiches Alter wie ich und schon ein Star!). Ich lauerte ihm irgendwann nach Drehende auf, und er schrieb, mit meinen Schultern als Unterlage, seinen Namen auf einen Block. Purer Glamour. Man hat seitdem nie wieder etwas von ihm gehört. Balthasar Lindauer hieß er, heißt er vermutlich heute immer noch. Eine kleine Googelei klärt darüber auf, dass ein Mann gleichen ungewöhnlichen Namens heute "stellvertretender Direktor der Abteilung für Nukleare Sicherheit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London" ist. Das hört sich nach Karriere an, allerdings in einem gänzlich anderen Milieu.
Das alte Pfarrhaus diente als Haus der zentralen Filmfamilie, eine Menge Statisten aus dem Dorf durften in einigen Szenen mitspielen. Viele von ihnen weilen längst nicht mehr unter uns. Thekla Carola Wied spielte mit, bevor irgendwer sie kannte. Und der männliche Hauptdarsteller Lutz Hochstraate, damals gerade mit einer Pfarrersserie im Fernsehen, war im wirklichen Leben der Lebensgefährte von, festhalten bitte!, Barbara Rütting!!! Und die kam auch vorbei, ihren Schatz besuchen. Was für ein Starauftrieb. Atemlosigkeit war der Normalzustand im Sommer '79.
Die Serie lief im Frühjahr 1980 im Fernsehen. Damals waren wir irre spitz drauf, das Ergebnis zu sehen. Es gab noch keine Videorecorder; ich nahm den Ton, nur den Ton, auf einem Cassettenrecorder auf. Ich schaute es und nahm es auf bei Großtante Nini, die im Gegensatz zu uns einen Farbfernseher besaß. Sie hustete dauernd dazwischen. Auch sie weilt nicht mehr unter uns, und die Bänder mit ihrem Gehuste sind ebenfalls verschwunden.
Viele Jahre später, bei einer Wiederholung, wurde ich gewahr, dass dieser Dreiteiler so ziemlich der schlechteste und manipulativste Kinderfilm aller Zeiten war. Es ging oberflächlich um einen Burschen, der von einem anderen Planeten durch ein Dimensionstor oder sowas auf die Erde plumpst und hier Kal-El-mäßig über allerhand Superkräfte verfügt. Bald hat er den MAD an den flinken Hacken, aber politisch aufgeklärte, linksgedrehte Patchwork-Familie mit extrem nerviger Tochter rettet und versteckt ihn. Unter dem kleinen Abenteuer wimmelt es von Subtext: Scheiß-Nachrüstung, der Staat ist böse, Journalisten sind manipuliert und gekauft, der Rest der Menschheit auch, wir werden alle heimlich überwacht, Außenseiter werden gejagt, und überhaupt - wir haben gar nichts getan! Am Ende flieht die sympathische Kotz-Familie mit dem goldenen Jan durchs Dimensionstor auf dessen Welt. In unserer Welt gründeten sich kurz darauf die Grünen. Da hätten Thekla und Lutz vielleicht noch ein bisschen warten sollen mit ihrem extraterrestrischen Eskapismus.
Ein ganz typisches WDR-Produkt aus jener Zeit, das Drehbuch hat vermutlich die Redaktion von Monitor geschrieben. Hölzern gespielt, bieder gefilmt, unglaublich schlecht getrickst. Eine echte kreative Totgeburt. Aber hurra, ich bin dabei gewesen!

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