Dienstag, 13. Januar 2009

Civil War

Ich komme nun doch langsam mal dazu, mein Weihnachtsgeschenk aufzugucken. Ken Burns’ neunteilige Doku (1990) über den amerikanischen Bürgerkrieg. Die einzelnen Folgen haben unterschiedliche Länge und laufen teils mehr als 100 Minuten. Viel Zeug also, das in den Neunzigern schon mal in einigen dritten Programmen lief.
Es gibt dabei nicht eine einzige Spielszene wie im Guido-Knopp-TV, in dem Laiendarsteller mit angeklebten Bärten irgendwas nachspielen und dabei meistens nur den Eindruck von Banalisierung der Historie hinterlassen. Phantasieloses Re-Enactment für die komplett Phantasielosen.
Ken Burns montiert stattdessen eine Unzahl historischer Fotografien, vergrößert dabei immer wieder Teilausschnitte, um das Detail herauszustellen, ebenso wie er die Kamera über zeitgenössische Gemälde fahren lässt, die Schauplätze des Krieges in ruhigen, melancholischen Landschaftseinstellungen mit viel Nebel und Natur abfilmt oder detaillierte Karten einzelner Kampagnen vorstellt. Aus dem Off informieren Sprecher in verteilten „Rollen“ über den Fortgang der Ereignisse, lesen aus Briefen, Zeitungsartikeln und Proklamationen, während sich ab und an Experten mittels Interview-Passagen einschalten und Statements abgeben. Vor allem der 2005 verstorbene Schriftsteller Shelby Foote, ein Spezialist in Sachen Sezessionskrieg, trägt in seiner ruhigen Art viel dazu bei, wichtige atmosphärische Anekdoten zu vermitteln und auch etwas Humor in die Tragödie einzuschleusen. Bildfolgen werden von zeitgenössischer Musik untermalt oder von Schlachtgeräuschen. Von fachkundigen Rezensenten kritisiert wurde eine gewisse Unionslastigkeit, Unvollständigkeit in Teilaspekten und die Tatsache, dass nicht alles Bildmaterial immer den im Text gerade vermittelten Ereignissen zugeordnet werden kann. Dennoch ermöglicht diese Form ein hochdynamisches Eintauchen in die Epoche, intensiver und eindringlicher, als jedes Dokutainment mit seiner Oberflächlichkeit und seinem Häppchenverabreichen es könnte. Man wird ausgestattet mit der Distanz, die das alles als Vergangenheit markiert, aber schon nach kurzer Zeit wird es lebendig, beginnt zu sprechen und wird im besten Sinne sentimental und pathetisch, hauptsächlich ein Verdienst des O-Tons und der beinahe magisch wirkenden Fotografien mit ihrer unheimlichen Schärfe, ihren langen Belichtungszeiten und Schliereneffekten.
Burns’ Werk berücksichtigt alles und ist bei weitem nicht bloß eine Military-Doku für Hobby-Strategen. Sie klappert nicht nur die Kriegsschauplätze ab, sondern kümmert sich intensiv und tiefgreifend um die Stimmung im zerrissenen Land, um Politik, Ökonomie, Gesellschaft, Presse – und natürlich um die zahllosen Schlachten. Ein beeindruckendes Kaleidoskop, mehr als nur Fleißarbeit, sondern ein Doku-Monument, das dem Zuschauer Konzentration abverlangt.
Die Fotografie erlebte damals ihre Blüte und bildete alles schonungslos ab, die freie Presse berichtete umfassend, nichts blieb verborgen. Die Elite des Landes diskutierte aufgeregt, kämpfte und starb, ebenso wie der kleine Mann, der Farmer, Schullehrer, Schuster und Drechsler. Die Jahre dieses Krieges sind eine Polyphonie der Meinungen und Statements, geprägt von einem demokratischen Geist, der nie zuvor so abgebildet werden konnte.
Der Krieg wurde maßlos, fanatisch und geriet völlig aus dem Ruder. Manchmal bewahrt der Humor den Zuschauer vor einem großen schwarzen Loch: Formulierungen wie „General XY lief nach der verlorenen Schlacht orientierungslos herum wie eine Ente, der man auf den Kopf geschlagen hat“ oder die Anekdote von der Himmelsfahrt des stramm religiösen Generals Stonewall Jackson, dessen Seele die Englein holen wollten, aber nirgendwo fanden. Als sie zurück am Himmelstor waren, stellten sie fest, dass Jackson den Himmel bereits „mit einem genialen Flankenmanöver“ erobert hatte.
Die garstige Epoche einer sich selbst zerfleischenden Demokratie. Tiefer hineinsinken in diese Zeit kann man nicht als in dieser polyphonischen Doku.

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