Montag, 5. Januar 2009

Weißer Tag

Liegt doch schon eine Zeit zurück, dass in der kölschen Wärmebucht so hoch und dauerhaft Schnee lag wie heute. Im Volksgarten übersteigt die Zahl der beeindruckenden Schneemänner die Dreißiger-Marke, sofern man den kleinen, fünfzehn Zentimeter hohen mitzählt, den ein Scherzkeks am Wegesrand gebaut hat. Einer der großen hat Brüste mit Titten aus Aststücken, eine durch ein Zweiggeflecht dargestellte Scham, und er salutiert. Sexuelle Phantasien gleich am Parkeingang.
Die Zahl der Hunde reicht ebenfalls an die Dreißiger-Marke heran. Manche sind eingemummt in Hundemäntelchen, niedriger als die Schneedecke und fräsen Tunnels ins Weiß. Die Anzahl der Kinder übersteigt die Hunderter-Marke. Das Mädchen, das von seiner Mutter mit dem elaborierten Namen „Soleil“ gerufen wurde, baute keinen Schneemann und rodelte auch nicht, sondern verfütterte Frühstücksreste an die Enten auf dem zugefrorenen Teich. Ich weiß auch nicht recht, ob man es mit dem Namen in die Nähe anderer Kinder lassen sollte. Kinder können bekanntlich grausam sein. Ich vermute, Soleils Nachname lautet zum Ausgleich Brunzmüller, Schnackenmeier oder Brockhuisen.
Wir ließen es uns nicht nehmen, händchenhaltend über einen kurzen Pfad zu gehen, über den seit heute Nacht noch niemand sonst gegangen war, und den Schnee seiner Jungfräulichkeit zu berauben. Wir schauten am Ende des Wegs zurück und sahen die flüchtigen Spuren unserer Existenz an diesem weißen Tag.

2 Kommentare:

  1. Mein Rat aus Thüringen für unbeschwerte Winterfreude: Helm tragen und keinen gelben Schnee essen!

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  2. Hinter diesem einen Gebüsch stand mitten im Weiß in gelber Schnörkelschrift der Name "Berthold W. Bromberger-Zumbhausen jr." geschrieben. Der Knabe muss echt eine Mordsblase haben. Hoffentlich ist ihm während des Schreibens sein Pimmelchen nicht abgefroren.

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