Mittwoch, 11. August 2010

Paralleluniversum

Die Evangelikalen leben in einem Paralleluniversum. Den Herrn preisen, nicht fluchen, nicht rauchen, Alkohol als Menschheitsfeind, nicht pimpern vor der Ehe, danach aber am besten zwölf Kinder in die Welt setzen. Und sie schreiben ihre Bücher selbst. Das müssen sie auch, denn außer der Bibel ist alles, was sonst so geschrieben wurde und wird, schließlich Teufelszeug und handelt von Fluchen, Rauchen, Alkohol, vorehelichem Pimpern oder Kinderlosigkeit. Da sie in ihren Büchern dazu neigen, religiös oder spirituell zu werden, werden diese Titel gerne der „Fantasy“, „Phantastik“ oder dem „Horror“ zugerechnet und ins große Kontinuum überführt. Weswegen immer mal wieder eins beim Gutachter aufschlägt.
Die erste Gemeinsamkeit des Oeuvres ist das wenig dezente Darreichen der fundamentalchristlichen Botschaft, die mühselig in eine Fiktion gekleidet wird. Die zweite Gemeinsamkeit hat zu tun mit der generellen Ahnungslosigkeit, was den Rest der Welt und dessen Literatur betrifft. Weswegen diese Bücher gemeinhin von einer plumpen, kitschigen Art sind und vom Gutachter mit schönster Regelmäßigkeit als „Nicht-Literatur“ bezeichnet werden. Und drittens findet man im Internet ausschließlich Lob und vorzügliche Rezensionen. Das liegt natürlich daran, dass kein Mensch außer Fundamentalchristen diese Bücher liest. Und da dieses Publikum keinerlei Ahnung von dem hat, was außerhalb seiner Realitätsblase so stattfindet, findet es natürlich alles mächtig gut, in dem der Herr gepriesen, nicht geflucht, nicht geraucht, nicht gesoffen und nicht vorehelich gepimpert wird. Besonders heiter wird es dann für den Rest der Welt, wenn in den Foren und Zirkeln des Paralleluniversums eine neue, heiße Autorin durchdiskutiert wird, sich die „Kolumnisten“ und „Rezensenten“ ihrer annehmen und sie ganz selbstverständlich zum neuen Superstar der Literatur aufbauen – obwohl der Rest der Welt von der Dame nie etwas hören wird und hören will. Dafür sorgt zumindest der Gutachter. Aber der flucht, raucht, säuft ja auch und hat vor der Ehe gepimpert.

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