Samstag, 13. Juli 2013

Crest Of A Knave

Dieses Album kam für mich irgendwie zu spät. 1987 war die Interessenlage eine andere. Ich kaufte Crest Of A Knave dennoch, fand es auch recht nett, aber eine besonders leidenschaftliche Beziehung war das nicht zwischen uns beiden – obwohl ich im Kielwasser der Platte mein einziges Jethro-Tull-Konzert bisher ansteuerte: Eishalle Remich/Luxemburg. Ian Anderson wurde von zwei sexy aufgebretzelten Krankenschwestern im Rollstuhl auf die Bühne gefahren, sprang hoch wie der Blitz und legte los. 
Der Elektronik-Rausch der ersten Achtziger-Hälfte war verflogen. Der Drum-Computer auf einigen Stücken entsprang diesmal einer Notlage: kein fester Schlagzeuger an Bord im Jahr 1987. Ansonsten werden die Songs nämlich wieder manuell gefertigt. Und wenn doch Elektronik, dann wirkt sie eingepasster als vordem. So kommt es, dass die elektrounterstützten Songs die treibendsten und ruppigsten des Albums sind („Steel Monkey, „Raising Steam“). 
Die Platte drängt zurück in die Siebziger, um sie in die späten Achtziger rüberzuretten. Was indes fehlt, ist ein Konzept oder auffälliger roter Faden, die alle vorherigen Tull-Alben auszeichneten. Dies ist eine reine Ansammlung von Stücken. Das Cover suggeriert einen Rücksturz ins Folkloristisch-Elisabethanische, aber es tauchen nur Spritzer auf. Leicht verblasst sind auch die Virilität und der harte Anschlag früherer Platten. Insofern gilt Crest Of A Knave als das „Dire Straits-Album“. Ian Andersons ernsthafte Stimmprobleme Mitte der Achtziger führten dazu, dass er sich vokaltechnisch zurücknehmen musste. Und wenn er das tat, klang er manchmal wie Mark Knopfler. Als hätte er das bemerkt, fabrizierte er ein eher relaxtes Songwriting und ließ seinem ewigen Gitarren-Derwisch Martin Barre ziemlich viel Raum. Und der passte sich dem entspannten Duktus kongenial an und klang auch wie Mark Knopfler. Da es aber schon einen Mark Knopfler gab, wirkten Jethro Tull streckenweise seltsam laff. 
Was natürlich nichts daran ändert, dass es auch hier schiere Größe zu entdecken gibt. Das unverschämt konzertane und auf massiv ironische Weise sexistische „Budapest“ etwa, bei dem die Hochzeit zwischen Tull und Dire Straits deswegen funktioniert, weil der Tull-Anteil deutlich überwiegt. Ähnlich bei „Farm on the Freeway“ mit seiner Abfolge von Americana-Klängen, britischem Folk, Hardrock und Entspanntheit. Der später erst dazugefügte Bonustrack „Part of the Machine“ toppt sie aber alle mit seinem Histo-Hardrock-Mittelteil, der tulliger nicht sein könnte. 
Kein Album für die Podiumsplätze, aber an manchen Stellen doch zum Heulen schön.