Montag, 23. Februar 2009

Na ja, anderthalb Stündchen kann man ...

… sich das ja mal antun, besonders dann, wenn der weltberühmte Kölner Rosenmontagszug vor der Haustür startet. Die Verkehrsachsen um den Chlodwigplatz werden gesperrt, während der Zug dort Aufstellung nimmt und die einzelnen Etappen durchs Rondell am Platz geschleust und die Severinstraße hochgeschickt werden, wo dann, jenseits der Torburg, der Zug offiziell beginnt. Weiter unten, am Startpunkt, schauen manche Teilnehmer noch reichlich mürrisch und glasig drein. Winken, jubeln, Kamelle schmeißen und so richtig jeck sein – das gilt erst ab der Torburg und dem Severinskirchplatz, an dem der WDR sein ganzes Arsenal aufgefahren hat und die Republik mit den Narren beglückt. Die Kapellen spielen sich hier unten trotzdem schon mal warm, und einige werfen auch von den Wagen illegalerweise schon Kamelle ins Volk. Dennoch sind Fahrradhelme und Sturzhelme hier noch nicht die Regel. Einer schmiss mir eine Tüte mit einem halben Dutzend roter Clownsnasen (Aufschrift: „Ich knack dich. Wolf Bergstraße“) vor die Füße. Die Lebensgefährtin hob sie auf und verteilte sie an die Umstehenden. Ich hingegen schaute immer mal wieder beunruhigt hinter mich, um mich zu vergewissern, dass diese eigenartigen Erdungsvorrichtungen noch an Ort und Stelle waren, mit denen der freundliche KVB-Mitarbeiter den Strom von der Straßenbahn genommen hatte. Auf deren Schienen standen wir nämlich mitten drauf. Aber wahrscheinlich gehört es ins Reich der Legende, dass man von herkömmlichen Straßenbahnschienen gebrutzelt werden kann. Zu viele Filme geguckt. Also den Kopf wenden und wieder nach vorne schauen.
Ich stelle fest, dass meine Favoriten die Gastgruppen aus dem süddeutschen Raum sind oder aus der Schweiz. Deren Guggemusik ist ein schönes Beispiel dafür, wie eine uralte Tradition modernisiert werden kann. Sie haben etwas originell Gruseliges an sich, teils etwas Archaisches, aber ihre Sounds und ihre Spielweisen sind hip. Die rheinischen Traditionsgruppen sind mir zu bieder, ihre Senate und Präsidenten sehen alle gleich aus, und unter ihnen tummeln sich entschieden zu viele wohlfrisierte Damen, die im wahren Leben schnöselige Klunker-Schnallen oder Zahnarztfrauen sind. Ihr Lächeln wirkt ziemlich angetackert. Von größtem Interesse hingegen sind die Versorgungswagen, umfunktionierte, von Traktoren gezogene Touristen-„Bimmelbahnen“, in denen man tonnenweise Kamelle sehen kann, unter anderem die komplette Haribo-Produktion des Quartals 4/2008. Die Entführung eines solchen Wagens würde sich lohnen.
Irgendwann werden einem dann die Füßchen kalt. Dann geht man nach Hause. Vor der Haustür muss man noch dieses rot-hellbraune Reitercorps passieren lassen, das etwas spät dran ist auf dem Weg zum Chlodwigplatz und in seiner Eile die ganze Straße vollkackt. Und da man fast alles live gesehen hat, darf man auch vor dem Fernseher reuelos zum Mittagsschläfchen wegschnarchen.

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