Mittwoch, 25. Februar 2009

Weltanschaulich flexibel bleiben

Auf dem Dorf gibt es Digital-TV. Myriaden Sender, die wir in der großen Stadt gar nicht haben, da wir uns mit Analog-Kabel bescheiden. Bei einem Dorftrip wird dann entsprechend aus dem Vollen geschöpft. Aserbaidschanische Kochsendungen, kroatische Musikshows, maltesische Soaps, tumulthafte isländische Finanzratgebersendungen.
Wenn der Tag sich langsam dem Ende zuneigt und alle zu erledigenden Dinge erledigt sind, wende ich mich erst aus Gewohnheit PRO7 zu und bestaune den jugendlichen Hedonismus, vorgetragen von magersüchtigen Moderationsrobotern und sexy Prostituierten. Danach schalte ich um des Kontrasts willen eine Zeitlang zu „K-TV“ und „Bibel-TV“, die auf dem Receiver unmittelbar nebeneinander liegen. Gerade heute, am Aschermittwoch, sollte man Einkehr üben.
K-TV ist ziemlich unverdächtig: ein erzkatholischer Sender aus Österreich, auf dem ein scheintoter Priester, gegen den die Jungs von der Pius-Bruderschaft die reinsten Konfettikanonen sind, in tonnenschweren Predigten vor starren Bildhintergründen ultramontane Botschaften dahermurmelt. Wobei die 98jährige Dame, die den Teleprompter weiterkurbelt, heute etwas langsam ist oder gerade heimlich den Rosenkranz betet. Die Pausen zwischen den einzelnen Sätzen sind so derart lang, dass man immer wieder glaubt, die Predigt sei jetzt doch so langsam mal zu Ende und es würde baldigst zu einem hippen Weihwasser-Werbespot umgeschaltet, aber nein, die Predigt ist nie und niemals zu Ende, sie windet sich auf ewiglich aus dem Mund eines starrköpfigen älteren Herrn in Schwarz, der vom metaphorischen Hölzchen aufs symbolische Stöckchen kommt, von dort dann aufs „Weltall“ und auf das „Allwissen“, um den kosmischen Rücksturz anzutreten in die mikrokosmischen Gefilde der „Wirtschaftskrise“ und „Manager“ und sogar die von „Computern“ und „Datenträgern“, um einen Satz später „Botaniker“ und „Heilpflanzen“ mit ins Boot zu holen. Da ist wirklich für jeden etwas dabei. Ab und zu verzieht der Referent schmerzhaft das Gesicht, hebt die Hände oder zieht im Sitzen die Knie an. Ich vermute, er sitzt da auf einem Holzkohlegrill.
Ich schalte dann irgendwann um auf „Bibel-TV“ und sehe einen synchronisierten Beitrag des CBN, des Christian Broadcasting Network, in dem ein selbstbewusster Onkel mit Hängebacken vor einer Karte des Großraums Naher Osten steht und mit Zeigestock erklärt, warum die aktuelle Lage dort biblischen Prophetien vom Anbrechen der Endzeit entspricht. Er verwechselt allerdings den Irak mit dem Iran. Und was „das da oben“ ist, weiß er auch nicht, „wahrscheinlich die Türkei“. Tatsache ist jedoch, dass die realen Entfernungen zwischen den Schauplätzen ganz genau den biblischen Entfernungen entsprechen. Hätte ich jetzt auch nicht gedacht. Ich gebe zu, das stimmt mich nachdenklich. „Beten wir, dass wir an dem Thema dranbleiben können“, meint er schließlich, bevor er zur Beantwortung von Zuschauerfragen übergeht. Ich möchte die angegebene Nummer anrufen und ihn fragen, ob er noch beide Hoden besitzt oder nur noch einen, aber die Sendung ist ja bei uns hier nicht live, sondern schon älter.
Okay, genug jetzt, zurück zu den scharfen Hühnern auf PRO7.

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